26.04.2021

Illegales Online-Glücksspiel - Spieleinsätze können zurückgefordert werden

Die Rückforderung ist nicht gem. § 817 Satz 2, 2. Hs. BGB ausgeschlossen. Zwar mag dem Kläger mit der Teilnahme an dem illegalen Online-Glücksspiel ebenfalls ein Verstoß gegen Gesetze anzulasten sein. Teleologisch ist die Anwendung dieser Kondiktionssperre jedoch einzuschränken. Ein Ausschluss der Rückforderung wäre zumindest in den Fällen nicht mit dem Zweck des Bereicherungsrechts vereinbar, wenn die Rechtswidrigkeit des Geschäfts auf Vorschriften beruht, die gerade den leistenden Teil schützen sollen.

LG Gießen v. 21.1.2021, 4 O 84/20
Der Sachverhalt:
Die Beklagte betreibt mit einer Lizenz ihres Heimatlandes u.a. eine Internetseite. Sie verfügt über keine Konzession für die Veranstaltung von Online-Glücksspiel im Land Hessen.

Der Kläger nutzte die genannte Internetseite und nahm am Online-Glücksspiel teil. Er verlor nach Saldierung mit Spielgewinnen insgesamt rund 11.758 €. Vorsorglich hat der Kläger den Widerruf des der Nutzung zugrundeliegenden Vertrages erklärt.

Der Kläger behauptete, spielsüchtig zu sein und beantragte gerichtlich, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 11.758 € nebst Zinsen zu zahlen. Hiergegen wandte sich die Beklagte. Sie rügte die internationale Zuständigkeit des LG Gießen. Außerdem war sie der Ansicht, dass der Glücksspielvertrag legal sei, da sie über eine Glücksspiellizenz verfüge.

Das LG gab der Klage in vollem Umfang statt.

Die Gründe:
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das LG Gießen international zuständig gem. Art. 18 Abs. 1 VO (EU) 1215/2012 (Brüssel Ia-VO/EuGVVO). Auf den Sachverhalt ist zudem deutsches materielles Zivilrecht anzuwenden. Eine wirksame Rechtswahl i.S.d. Art. 6 Abs. 2 Rom-I-Verordnung ist hier nicht ersichtlich, jedenfalls wäre diese - wie hier - in der Form allgemeiner Geschäftsbedingungen ohne Hinweis auf weiterhin anwendbare zwingende Vorschriften des deutschen Rechts unbeachtlich.

Der Kläger kann von der Beklagten die Zahlung der 11.758 € gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Var. BGB sowie aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 4 Abs. 4 GlüStV verlangen. Der Kläger hat seine Spieleinsätze bei der Beklagten ohne rechtlichen Grund getätigt, da der Vertrag über die Teilnahme an dem von ihr betriebenen Online-Glücksspiel nichtig gem. § 134 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV als dem entgegenstehenden Verbotsgesetz war. Danach ist das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten.

Das Internetverbot gem. § 4 Abs. 4 GlüStV (G. v. 28.06.2012, GVBl. d. Landes Hessen S. 190) ist für die Zeit, in der die hier gegenständlichen Einsätze getätigt wurden, geltendes Recht. Es ist insbesondere weder durch Entscheidungen der Verwaltungsgerichte, noch des BVerfG, noch des EuGH außer Kraft gesetzt oder für nichtig erklärt worden. Die Kammer hat grundsätzlich keine Verwerfungs- oder Nichtanwendungskompentenz betreffend gültiges Gesetzesrecht. Auch unter dem Gesichtspunkt des Anwendungsvorranges des Europarechts ist § 4 Abs. 4 GlüStV uneingeschränkt anzuwenden, da das Internetverbot keinen unzulässigen Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit darstellt.

Das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV steht im Einklang mit dem Unionsrecht, wie das OLG Köln erst jüngst in seinem Urteil vom 10.5.2019 (Az. 6 U 196/18) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerwG (BVerwGE 160, 193 - "Internetverbot für drei Glücksspielarten") bestätigt hat. Die Kammer folgt dieser Rechtsprechung. Auch eine etwaige Duldung des Angebots der Beklagten durch das Hessische Innenministerium setzt das genannte Verbotsgesetz nicht außer Kraft und ist mithin hier nicht erheblich.

Die Beklagte hat gegen die Verbotsnorm verstoßen, indem sie ihr Onlineangebot auch Spielteilnehmern aus Hessen und mithin auch dem Kläger zugänglich gemacht hat. Die Rückforderung ist auch nicht gem. § 817 Satz 2, 2. Hs. BGB ausgeschlossen. Zwar mag dem Kläger mit der Teilnahme an dem Angebot der Beklagten ebenfalls ein Verstoß gegen Gesetze anzulasten sein. Teleologisch ist die Anwendung dieser Kondiktionssperre jedoch einzuschränken. Ein Ausschluss der Rückforderung wäre zumindest in den Fällen nicht mit dem Zweck des Bereicherungsrechts vereinbar, wenn die Rechtswidrigkeit des Geschäfts auf Vorschriften beruht, die gerade den leistenden Teil schützen sollen. Und so ist es hier.
LaReDa Hessen
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