Insolvenz: Zur Beschreibung des Rechtsgrunds der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung in der Anmeldung
BGH 19.12.2013, IX ZR 103/13Über das Vermögen des Beklagten wurde am 9.3.2010 das Insolvenzverfahren eröffnet. Unter dem 7.4.2010 meldete die Klägerin Darlehensforderungen von insgesamt rd. 570.000 € an; dabei versah sie die Spalte "Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung" mit einem Kreuz.
Mit Schreiben vom 28.10.2010 erläuterte sie ihre Anmeldung dahingehend, gegen den Beklagten werde wegen Kreditbetruges ermittelt, insbes. wegen der Einreichung unrichtiger Bonitätsunterlagen, welche ihr zur Ausreichung des beantragten Darlehens vorgelegt worden seien. Die Kreditakte sei beschlagnahmt worden. Aus dem Klageverfahren gegen den Urkundsnotar ergebe sich, dass der Beklagte aus den von der Klägerin ausgereichten Darlehen Kick-Back-Zahlungen i.H.v. 56.000 DM und 51.000 DM erhalten habe.
Die Darlehensforderung wurde zur Tabelle festgestellt. Der Beklagte widersprach jedoch dem Schuldgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung. Die Klägerin beantragte daraufhin festzustellen, dass ihre (näher bezeichneten) angemeldeten und zur Tabelle festgestellten Forderungen über insgesamt rd. 570.000 € auf dem Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruhten und dass der Widerspruch unbegründet sei.
Das LG gab der Klage statt; das OLG wies sie als unzulässig ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Der Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung ist wirksam angemeldet, wenn der geltend gemachte Anspruch in tatsächlicher Hinsicht zweifelsfrei bestimmt ist und der Schuldner erkennen kann, welches Verhalten der Gläubiger ihm vorwirft. Eines Vortrags, der sämtliche objektive und subjektive Tatbestandsmerkmale der behaupteten unerlaubten Handlung ausfüllt, bedarf es nicht. Der Wortlaut der Vorschrift des § 174 Abs. 2 InsO ist unklar. Der Gläubiger hat bei der Anmeldung seiner Forderung diejenigen Tatsachen anzugeben, aus denen sich seiner Einschätzung nach ergibt, dass ihr eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung zugrunde liegt.
In der Begründung des Regierungsentwurfs zur Änderung der InsO vom 28.3.2001 wird die Formulierung "seiner Einschätzung nach" nicht näher erläutert. Aus ihr ergibt sich allerdings der Beweggrund für die Anmeldepflicht als solcher. Der Schuldner soll frühzeitig einschätzen können, ob er sich im Hinblick auf die angemeldete, nicht der Restschuldbefreiung unterfallende Forderung dem Insolvenzverfahren mit anschließender Restschuldbefreiung überhaupt unterwerfen will. Die Vorschrift des § 302 Nr. 1 InsO wurde folgerichtig dahingehend geändert, dass eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nur dann von der Restschuldbefreiung ausgenommen wird, wenn sie unter Angabe dieses Rechtsgrundes angemeldet worden war.
Wegen des Schutzzwecks dieser Änderungen wird in der Literatur angenommen, der in rechtlichen Dingen unerfahrene Schuldner müsse schon aufgrund des Tatsachenvortrags des Gläubigers in der Lage sein zu entscheiden, ob es sinnvoll und notwendig sei, Widerspruch gegen den Rechtsgrund zu erheben. Der Schuldner bedarf des in einer ausführlichen Begründung liegenden Schutzes indes nicht. Auf Vorschlag des Rechtsausschusses wurde neben § 174 Abs. 2 InsO und § 302 Nr. 1 InsO auch § 175 InsO geändert. Danach hat das Insolvenzgericht den Schuldner auf die Rechtsfolgen des § 302 InsO und die Möglichkeit des Widerspruchs hinzuweisen, wenn ein Gläubiger eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung angemeldet hat. Es reicht daher aus, wenn der Schuldner weiß, um welche Forderung es geht und welches Verhalten ihm als vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung vorgeworfen wird.
Weil der Widerspruch nicht begründet werden muss, braucht dem Schuldner in dieser Phase des Verfahrens nicht die Möglichkeit eröffnet zu werden, den Vortrag des Gläubigers gezielt anzugreifen. Erst in einem sich anschließenden Klageverfahren (§ 184 InsO), in welchem Gläubiger und Schuldner über den Grund der angemeldeten Forderung streiten, muss der Gläubiger den behaupteten Rechtsgrund nach den allgemeinen Regeln des Zivilprozesses darlegen und ggf. beweisen. Vorliegend erfüllte die Anmeldung vom 7.4.2010 i.V.m. dem Schreiben vom 28.10.2010 ohne weiteres die Anforderungen, die an eine Anmeldung nach § 174 Abs. 2 InsO zu stellen sind. Die Klägerin wirft dem Beklagten vor, unrichtige Bonitätsunterlagen vorgelegt und Kick-Back-Zahlungen erhalten und damit einen Betrug (§ 263 StGB), eine vorsätzliche Straftat, zu ihrem Nachteil begangen zu haben.
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