Insolvenzgläubiger muss Zeitpunkt der Aufrechnungslage darlegen und beweisen
BGH 26.4.2012, IX ZR 149/11Der Kläger ist Verwalter in dem im Juli 2008 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der R-KG, die für die beklagte Versicherungsgesellschaft Versicherungsverträge vermittelte. Die Vermittlungstätigkeit wurde zunächst von der 2002 gegründeten R-Makler-KG ausgeübt. Nach Ausscheiden der Kommanditisten wurde das Unternehmen von dem persönlich haftenden Gesellschafter E. in der Rechtsform eines eingetragenen Kaufmanns fortgeführt. Nachdem über dessen Vermögen im Juni 2008 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, übernahm die im April 2006 gegründete R-KG die Vermittlungstätigkeit für die Beklagte.
Im Oktober 2006 gab der persönlich haftende Gesellschafter für sich persönlich und für die R-KG ein notarielles Schuldanerkenntnis aus einer Courtagezusage aus November 2002 über einen Betrag i.H.v. 65.506 € ab, der aus nicht abgerechneten Inkassogeldern näher bezeichneter Vertreterkonten herrühren sollte. Zur Rückführung dieses Betrages verrechnete die Beklagte beginnend ab Juli 2007 Provisionen i.H.v. insgesamt 42.270 €, die sie der R-KG gutgeschrieben hatte, gegen den anerkannten Betrag.
Der Kläger hielt die Verrechnung für insolvenzrechtlich unwirksam. Mit der Klage nahm er die Beklagte zur Auszahlung der von der R-KG verdienten Provisionen i.H.v. 42.270 €. Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr i.H.v. 458 € statt. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Zu Unrecht hatte das Berufungsgericht angenommen, die Provisionsforderung der R-KG sei durch Aufrechnung gegen den im Oktober 2006 wirksam anerkannten Betrag von 65.506 € erloschen.
Entgegen der Ansicht des OLG hat nicht der Insolvenzverwalter, sondern der Insolvenzgläubiger, der gegen eine Forderung der Masse aufrechnet, darzulegen und zu beweisen, dass die Aufrechnungslage schon im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bestand. Dem Insolvenzverwalter obliegt es nur, den Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung darzutun und notfalls zu beweisen. Diese Grundsätze sind auf § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO, dessen Inhalt dem des § 55 Abs. 1 Nr. 1 KO entspricht, zu übertragen.
Keinen Bestand konnte die Entscheidung des Berufungsgerichts auch insoweit haben, als es die Aufrechnung mit der anerkannten Forderung gegen die Provisionsforderungen nicht an § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO hat scheitern lassen. Die Vorinstanz hat überspannte Anforderungen an die Darlegungen des Insolvenzverwalters zur Anfechtbarkeit nach § 134 Abs. 1 InsO gestellt und infolgedessen eine nach dem Sachvortrag gebotene Beweisaufnahme nicht durchgeführt. Sie hatte verkannt, dass für die Darlegung der Voraussetzungen der Schenkungsanfechtung des vom persönlich haftenden Gesellschafter der R-KG im Oktober 2006 abgegebenen Schuldanerkenntnisses dessen Behauptung ausreichte, die R-KG sei nicht mit dem Inkasso von Prämienzahlungen befasst gewesen. Einer weiteren Substantiierung in Form der Darstellung der Zahlungsflüsse bedurfte es dazu nicht.
Die R-KG war weder Rechtsnachfolgerin der ursprünglichen KG noch des Einzelkaufmanns, so dass sie für deren Verbindlichkeiten nicht haftete. Im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislast des Insolvenzverwalters für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO genügte es vorzutragen, dass der persönlich haftende Gesellschafter das Anerkenntnis ohne jede zugrunde liegende Verpflichtung der Schuldnerin abgegeben hatte. Der Vortrag des Klägers hierzu war keineswegs unsubstantiiert.
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