Insolvenzrecht: Eintrag in Tabelle bewirkt keine negative Feststellung jenseits der Anmeldung
BGH 19.1.2012, IX ZR 4/11Die Schuldnerin führte bei der beklagten Bank ein Girokonto. Diese räumte ihr im Juni 2002 einen Überziehungskredit von 5.000 € ein. Ab März 2005 ließ die Beklagte keine Verfügung mehr über das Girokonto zu; ausgenommen waren Belastungen mit eigenen Forderungen. Das Konto stand zu der der Zeit mit rund 3.281 € im Soll. Kurz darauf wurden dem Konto 239 € und weitere 1.500 € gutgeschrieben. Zwischen diesen beiden Gutschriften belastete die Beklagte das Konto mit einer Tilgungsrate i.H.v. 3.195 € sowie mit Zinsen und Kontoführungskosten. Im April 2005 betrug der negative Tagessaldo auf dem Girokonto 4.844 €. Der Überziehungskredit war nicht gekündigt.
Nachdem im Mai 2005 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet worden war, meldete die Beklagte ihre Forderung aus dem Girokonto i.H.v. 4.844 € zur Tabelle an, was auch antragsgemäß in Höhe des Ausfalls zur Tabelle festgestellt wurde. Später nahm die klagende Insolvenzverwalterin die Beklagte auf Auszahlung der beiden Gutschriftbeträge in Anspruch.
AG und LG gaben der Klage statt. Die hiergegen zugelassene Revision der Beklagten blieb vor dem BGH erfolglos.
Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Auskehr der dem Girokonto der Schuldnerin gutgeschriebenen Beträge i.H.v. rund 1.739 € gem. § 667 BGB aufgrund des zwischen der Schuldnerin und der beklagten Bank zustande gekommenen Girovertrages.
Die Verrechnung der Gutschriften mit den Gegenforderungen durch die Beklagte war gem. § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO von Gesetzes wegen unwirksam. Auch wenn diese Regelung nur von "Aufrechnung" spricht, findet sie auch auf Verrechnungen im Bankkontokorrent Anwendung. Der maßgebende Zeitpunkt nach § 140 Abs. 1 InsO bestimmt sich nach dem Entstehen des Gegenseitigkeitsverhältnisses.
Die Verrechnungslagen waren hier allerdings im letzten Monat vor Antragstellung entstanden. In dieser Zeit gingen die Zahlungen auf dem Kontokorrentkonto der Schuldnerin ein und begründeten ihre Ansprüche auf Gutschrift. Demgegenüber war der Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung des der Schuldnerin eingeräumten Kontokorrentkredits nicht fällig, weil der Überziehungskredit nicht gekündigt war und der in Anspruch genommene Betrag den eingeräumten Kredit nicht überstiegen hat.
Die Beklagte hat allerdings nicht deswegen, weil sie ihre tatsächlich bestehende Darlehensforderung nur teilweise, nämlich gekürzt um die Gutschriften i.H.v. insgesamt 1.739 €, angemeldet hatte und es insoweit gem. § 178 Abs. 1 InsO zur Feststellung der unvollständig angemeldeten Forderung gekommen war, ihre nicht angemeldete Restforderung verloren. Auch aus § 178 Abs. 3 InsO ergab sich insoweit nichts anderes. Denn der Eintrag in die Tabelle bewirkt lediglich die positive Feststellung des Anspruchs in angemeldeter Höhe; eine negative Feststellung jenseits der Anmeldung folgt daraus nicht.
Über den weitergehenden Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung des Kontokorrentkredits, der bisher nicht angemeldet worden war, wurde ohnehin wie bei einer Teilklage weder zusprechend noch aberkennend entschieden. Mit ihrer Klage machte die Klägerin deswegen auch nicht das kontradiktorische Gegenteil dessen geltend, was in dem gedachten Feststellungsurteil rechtskräftig festgestellt wäre. Aus § 322 Abs. 2 ZPO konnte schon deswegen nichts i.S.d. der Beklagten hergeleitet werden, weil die Vorschrift auf Gegenforderungen, die lediglich als Rechnungsposten im Rahmen einer Abrechnung in Betracht kommen, weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar ist.
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