Insolvenzverwalter: Keine Reisekosten des zur Prozessführung vor auswärtigem Gericht beauftragten Rechtsanwalts der eigenen Kanzlei
BGH 8.3.2012, IX ZB 174/10Der Kläger ist Rechtsanwalt in Chemnitz. Er machte als Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Aktiengesellschaft aus Chemnitz beim AG Landshut gegen die Beklagte eine Forderung i.H.v. rd. 1.860 € aus Insolvenzanfechtung gem. § 131 Abs. 1 InsO geltend.
Die Schuldnerin hatte nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit im dritten Monat vor Eingang des Insolvenzantrages zur Abwendung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen auf eine titulierte Forderung der Beklagten eine Zahlung an den Gerichtsvollzieher geleistet, die der Kläger zurückverlangt. Der Kläger wurde in dem Rechtsstreit von einer Rechtsanwältin aus seiner Kanzlei vertreten. Diese nahm den Gerichtstermin in Landshut wahr. Das Gericht gab der Klage mit rechtskräftigem Urteil von Juli 2009 statt.
Das AG lehnte es im Kostenfestsetzungsverfahren ab, Fahrtkosten i.H.v. 212 € sowie 60 € Abwesenheitsgeld der Klägervertreterin gegen die Beklagte festzusetzen. Der Kläger sei als Rechtsanwalt in der Lage gewesen, einen Anwalt aus Landshut zu beauftragen. Das LG wies die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde zurück. Die Rechtsbeschwerde des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die geltend gemachten Reisekosten sowie das Abwesenheitsgeld sind nicht erstattungsfähig, weil sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig waren (§ 91 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Halbs. 2 ZPO).
Die Zuziehung eines in der Nähe des Wohn- oder Geschäftsorts ansässigen Rechtsanwalts durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei stellt allerdings im Regelfall eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dar. Die Partei nimmt in der Regel an, dass zunächst ein persönliches mündliches Gespräch erforderlich ist. Diese Erwartung ist berechtigt, denn für eine sachgemäße gerichtliche oder außergerichtliche Beratung und Vertretung ist der Rechtsanwalt zunächst auf die Tatsacheninformation der Partei angewiesen, die in aller Regel in einem persönlichen mündlichen Gespräch erfolgt.
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt, sofern schon im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts feststeht, dass ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozessführung nicht erforderlich sein wird. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn die Sache vom Kläger selbst oder von Mitarbeitern bearbeitet wird, die in der Lage sind, einen am Gerichtsort seine Kanzlei unterhaltenden Prozessbevollmächtigten umfassend über das Streitverhältnis in Kenntnis zu setzen. Dies kann anzunehmen sein, wenn es sich um rechtskundiges Personal handelt und der Rechtsstreit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine besonderen Schwierigkeiten aufweist.
Ein als Rechtsanwalt zugelassener Insolvenzverwalter ist ohne weiteres imstande, einen am Prozessgericht tätigen Rechtsanwalt sachgerecht über den Gegenstand des jeweiligen Verfahrens zu unterrichten. Dies gilt auch für den hier vorliegenden Rechtsstreit, der sich weder als umfangreich noch als schwierig dargestellt hat. Die Beauftragung des am Sitz des Insolvenzverwalters ansässigen Prozessbevollmächtigten stellt demnach keine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung dar. Aus der einen Krankenversicherer betreffenden Entscheidung des BGH vom 28.6.2006 (IV ZB 44/05) ergibt sich im Hinblick auf die Organisationsstruktur des Büros des Klägers nichts anderes. Die Situation bei einem Krankenversicherer unterscheidet sich grundlegend von derjenigen bei einem Insolvenzverwalter.
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