12.04.2019

Kapitalanlage: Verletzung der Aufklärungspflicht und fehlerhafte Beratung

Der Anleger, der aufgrund einer Verletzung der Aufklärungspflicht oder einer fehlerhaften Beratung eine für ihn nachteilige Kapitalanlage erworben hat, ist bereits durch den schuldrechtlichen Erwerb der Kapitalanlage geschädigt, weil der ohne die erforderliche Aufklärung gefasste Anlageentschluss von den Mängeln der fehlerhaften Aufklärung beeinflusst ist, so dass der Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Anlageberatung mit dem Abschluss des Beteiligungsvertrags entsteht. Darauf, ob der Geschädigte seine Vertragserklärung noch widerrufen kann, kommt es für die Entstehung des Schadensersatzanspruchs nicht an.

BGH v. 26.3.2019 - XI ZR 372/18
Der Sachverhalt:
Der Kläger nimmt die Beklagte aus dem Gesichtspunkt der Beratungspflichtverletzung in Anspruch. Der Kläger zeichnete nach einem Gespräch mit einem Mitarbeiter der Beklagten im November 2004 vermittelt über einen Treuhänder eine Beteiligung an der M. GmbH & Co. KG (M) i.H.v. 100.000 € zzgl. eines Agios i.H.v. 5 % der Beteiligungssumme. Der Beitrittserklärung war eine Widerrufsbelehrung beigefügt. Die Beklagte erhielt für die Vermittlung der Kapitalanlage eine Vergütung in Höhe des Agios zzgl. zumindest weiterer 3 % der Beteiligungssumme. Sie unterrichtete den Kläger weder über den Erhalt des Agios noch über die weitere Rückvergütung.

Seit dem Frühjahr 2005 war dem Kläger bekannt, dass die Beklagte für die Vermittlung von Kapitalanlagen das Agio erhielt. Er einigte sich deshalb im Frühjahr 2005 mit der Beklagten auf eine Erstattung des Agios i.H.v. 3 %. Im April 2006 zeichnete der Kläger nach einem weiteren Gespräch mit einer Mitarbeiterin der Beklagten eine wiederum über einen Treuhänder vermittelte Beteiligung an der P. GmbH & Co. KG (P) i.H.v. 50.000 € zzgl. eines Agios von 5 % der Beteiligungssumme. Der Beitrittserklärung war ebenfalls eine Widerrufsbelehrung beigefügt.

Die Beklagte erhielt das Agio i.H.v. 5 %, das sie gemäß der im Frühjahr 2005 getroffenen Vereinbarung zu drei Fünfteln dem Kläger wieder erstattete. Außerdem vereinnahmte sie, ohne dass der Kläger davon wusste, mindestens weitere 4 % der Beteiligungssumme. 2009/2010 erfuhr der Kläger, der sich über die Beklagte an insgesamt über 30 Fondsgesellschaften beteiligt hatte, dass die Beklagte über das Agio hinaus Vergütungen für die Vermittlung von Beteiligungen erhalten hatte.

Das LG, das die Mitarbeiterin der Beklagten zum Verlauf des Gesprächs im Jahr 2006 als Zeugin und den Kläger, den es zunächst zur Aufklärung des Sachverhalts angehört hat, auf seinen Antrag als Partei vernommen hat, gab der auf Zahlung und Feststellung gerichteten Klage betreffend die Beteiligung an der P im Wesentlichen statt und wies die die Beteiligung an der M betreffende Klage ab. Auf die Hilfswiderklage stellte es fest, dass der Kläger sich weitere Ausschüttungen der Prorendita anrechnen und einen Übererlös auskehren müsse. Das OLG erstreckte auf die Berufung des Klägers die Verurteilung der Beklagten auf die Beteiligung an der M und stellte auf den weiteren Hilfsantrag der Beklagten außerdem die Verpflichtung des Klägers zur Anrechnung weiterer Ausschüttungen nicht auch von Kapitalertragsteuererstattungen diese Beteiligung betreffend fest. Die Berufung der Beklagten wies es zurück. Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Nach ständiger BGH-Rechtsprechung entsteht der Anspruch auf Schadensersatz wegen Beratungspflichtverletzung nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB gleiches gilt für § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB mit dem Zustandekommen des Beteiligungsvertrags. Der Anleger, der aufgrund einer Verletzung der Aufklärungspflicht oder einer fehlerhaften Beratung eine für ihn nachteilige Kapitalanlage erworben hat, ist bei der gebotenen wertenden Betrachtung ohne Rücksicht auf die objektive Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung bereits durch den schuldrechtlichen Erwerb der Kapitalanlage geschädigt, weil der ohne die erforderliche Aufklärung gefasste Anlageentschluss von den Mängeln der fehlerhaften Aufklärung beeinflusst ist.

Auch und gerade der auf einer Aufklärungspflichtverletzung beruhende Abschluss eines für den Anleger nachteiligen, weil seinen Zielen und Vermögensinteressen nicht entsprechenden Vertrags über eine (ggf. auch mittelbare) Beteiligung an einer Fondsgesellschaft stellt bereits für sich genommen einen Schaden dar, der mit Vertragsschluss entsteht. Darauf, ob sich der Geschädigte nachträglich noch von den Bindungen seiner Vertragserklärung wieder lösen kann, kommt es nicht an. Unerheblich ist mithin, ob der Anleger seine Vertragserklärung noch anfechten kann, weil der Schadensersatzanspruch neben das Recht zur Anfechtung tritt. Gleiches gilt für Gestaltungsrechte wie das Kündigungs- und das Widerrufsrecht.

Soweit der BGH mit Urteil vom 8.11.2018 (III ZR 628/16) in jüngerer Vergangenheit zu § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB dahin erkannt hat, stehe dem Anleger ein vertragliches Recht auf Widerruf seiner Beitrittserklärung zu einer Fondsgesellschaft zu, entstehe der Schadensersatzanspruch noch nicht durch das Zustandekommen des Beitrittsvertrags, es liege dann lediglich eine risikobehaftete Lage vor, die sich aber noch nicht in der Bewertung des Gesamtvermögens niederschlage und daher einem Schadenseintritt nicht gleichstehe, war dies ersichtlich den besonderen Umständen des Einzelfalls geschuldet, in dem sonst die Verjährungshöchstfrist um einen Tag verfehlt worden wäre. Eine Verallgemeinerung dieser Entscheidung kommt nicht in Betracht.

Im Übrigen folgt der Senat der Auffassung des III. Zivilsenats, der auch insoweit nicht nach § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG angefragt hat, nicht, aus der Unklarheitenregel des § 305c BGB folge, vorformulierte Widerrufsbelehrungen müssten in Fällen, in denen ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht bestehe, zulasten des Verwenders im Sinne der Einräumung eines vertraglichen Widerrufsrechts interpretiert werden. Wie der Senat bereits im Jahr 2011 dargelegt hat, hätte dies zur Folge, dass es auf die Voraussetzungen des gesetzlichen Widerrufsrechts nicht mehr ankäme und die das gesetzliche Widerrufsrecht betreffenden Vorschriften letztlich leerliefen. Dies ist mit Blick auf die gesetzlichen Regelungen des Widerrufsrechts, die an bestimmte tatbestandliche Merkmale anknüpfen, nicht vertretbar. Eine Widerrufsbelehrung, die um eine vermeintliche gesetzliche Pflicht zu erfüllen oder rein vorsorglich erteilt wird, obwohl ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht besteht, ist daher aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Kunden bei der gebotenen objektiven Auslegung nicht als Angebot auf Vereinbarung eines voraussetzungslosen vertraglichen Widerrufsrechts zu verstehen.

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