Kauf eines Grundstücks von Gemeinde unter aufschiebender Bedingung einer Änderung des Bebauungsplans verstößt nicht gegen Koppelungsverbot
BGH 2.10.2015, V ZR 307/13Die Beklagte hatte im Dezember 2009 von der klagenden Gemeinde unter Ausschluss der Sachmängelhaftung für 58.972 € ein Grundstück gekauft; der Streithelfer der Klägerin beurkundete den Kaufvertrag. Die Beklagte verpflichtete sich dabei vertraglich gegenüber der Gemeinde, auf dem Kaufgrundstück innerhalb von drei Jahren ein oder mehrere neue Gebäude zu errichten, in denen entweder ganz oder teilweise Gästezimmer für den derzeitigen benachbarten Gasthof, seniorengerechte Eigentumswohnungen, Räumlichkeiten zur Nutzung für betreutes Wohnen oder kleinere gewerbliche Einheiten für Geschäfte entstehen sollten. Die Klägerin verpflichtete sich, den vorhandenen Bebauungsplan entsprechend zu ändern.
Der Bebauungsplan wurde zunächst nicht geändert. Im Mai 2011 wies die Klägerin die Beklagte darauf hin, dass der eingereichte Bauantrag nicht genehmigungsfähig sei. Daraufhin setzte die Beklagte der Klägerin eine Frist zur Änderung des Bebauungsplans bis März 2012 und erklärte nach fruchtlosem Verstreichen den Rücktritt vom Kaufvertrag. Im Mai 2012 wurde der Bebauungsplan schließlich gemäß den Vorgaben des Vertrages geändert und trat im Juni 2012 in Kraft. Daraufhin teilte der Streithelfer der Klägerin der Beklagten mit, dass nunmehr sämtliche zur Durchführung des Vertrages erforderlichen Genehmigungen vorlägen. Weshalb es zu der Verzögerung kam, blieb zwischen den Parteien streitig.
LG und OLG wiesen die auf Verurteilung zur Zahlung des Kaufpreises gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Gründe:
Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ist nicht nach § 134 BGB i.V.m. § 1 Abs. 3 S. 2, Abs. 8 BauGB nichtig.
Ein Kaufvertrag, mit dem eine Gemeinde ein Grundstück unter der aufschiebenden Bedingung verkauft, dass ein Bebauungsplan mit einem bestimmten Inhalt zustande kommt, verstößt nicht gegen das Koppelungsverbot des § 1 Abs. 3 S. 2 BauGB. Nicht beachtet hat das Berufungsgericht zudem, dass nichtig nur Vereinbarungen der Gemeinden mit Bürgern oder Unternehmern sind, die in der beschriebenen Weise auf eine Verkürzung des bei der Bauleitplanung vorzunehmenden Planabwägungsvorgangs zielen. Eine solche Auswirkung hat eine privatrechtliche Vereinbarung selbst dann grundsätzlich nicht, wenn sie für den Fall des Ausbleibens des Bauleitplans oder der Verwirklichung eines von den Vorstellungen der Parteien abweichenden Planinhalts die Gemeinde mit einer Schadens- oder Aufwendungsersatzverpflichtung belastet. Solche privatrechtlichen Vereinbarungen sind im Interesse des redlichen Grundstücksverkehrs und der Förderung der für die bauliche Entwicklung der Gemeinden notwendigen Privatinitiative der Grundeigentümer grundsätzlich nicht zu missbilligen.
Es ist davon auszugehen, dass Parteien im Zweifel dasjenige wollen, was gesetzeskonform ist und nach den Maßstäben der Rechtsordnung zu einer vernünftigen und sachgerechten Regelung führt. Sind im Zusammenhang mit dem Verkauf eines gemeindeeigenen Grundstücks, das erst durch die Planung bebaubar werden soll, privatrechtliche Vereinbarungen nur in einem bestimmten Gestaltungsrahmen zulässig, ist anzunehmen, dass die Parteien eine Vereinbarung treffen wollen, die sich im Rahmen des danach Zulässigen bewegt. So lag der Fall auch hier. Die Parteien hatten im Kaufvertrag nicht geregelt, dass das verkaufte Grundstück in einer bestimmten Weise bebaubar sein soll. Die Klägerin wollte, wie der umfassende Ausschluss der Sachmängelhaftung des Vertrags zeigte, eine solche Beschaffenheit nicht versprechen und eine Haftung dafür auch nicht übernehmen. Das wäre ihr nicht gelungen, wenn die Bebaubarkeit als Beschaffenheit vereinbart worden wäre.
Die Zahlungsverpflichtung der Beklagten sollte bei einem Scheitern der Bemühungen nicht nur nicht fällig sein, sondern gar nicht erst entstehen. Die Parteien wollten der Beklagten keinen einklagbaren Anspruch auf Änderung des Bebauungsplans verschaffen. Damit hatten sie den Kaufvertrag unter die aufschiebende Bedingung gestellt, dass der Klägerin eine entsprechende Änderung des Plans gelingt. Die Klägerin hatte es lediglich übernommen, die Bebaubarkeit des Grundstücks zu fördern. Ihre "Verpflichtung", diese Änderung herbeizuführen, war deshalb keine Leistungspflicht mit einem korrespondierenden Leistungsanspruch der Beklagten, sondern eine Ausformung der Treuepflicht der Parteien eines schwebend unwirksamen Vertrags. Sie waren gehalten, sich um den Eintritt der Bedingung zu bemühen. Die Beklagte kann sich aber von dem Kaufvertrag lösen, wenn ihr ein weiteres Zuwarten auf die Herstellung der Bebaubarkeit des Grundstücks durch die Klägerin nach Abwägung der Interessen und Umstände des Einzelfalles unzumutbar geworden ist. Die bisherigen Feststellungen rechtfertigen diese Annahme nicht.
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