09.09.2011

Kein Anspruch des Frachtführers wegen einer nicht vom Absender zu verantwortenden Verzögerung der Fahrt (hier: wegen Sperrung eines Schifffahrtswegs)

Von außen wirkende Verzögerungsursachen, die bei Abschluss des Frachtvertrags für den Absender weder vorhersehbar noch beherrschbar sind und bei denen auch sonst kein Anlass für eine Zurechnung zu seinem Risikobereich besteht, lösen grundsätzlich keine Vergütungspflicht des Absenders nach § 420 Abs. 3 HGB aus. Wird die Reise eines Schiffes durch eine vorübergehende Sperrung eines Schifffahrtsweges, die nicht dem Verantwortungsbereich des Absenders zugerechnet werden kann, verzögert, so steht dem Frachtführer gegen den Absender neben der vereinbarten Fracht kein Anspruch auf zusätzliche Vergütung nach § 420 Abs. 3 HGB zu.

BGH 22.6.2011, I ZR 108/10
Der Sachverhalt:
Der Kläger, ein Binnenschiffer, nimmt die in den Niederlanden ansässige Beklagte auf Zahlung eines Zuschlags zur Frachtvergütung wegen einer Reiseverzögerung in Anspruch.

Die Beklagte beauftragte den Kläger am 14.10.2005 mit der Beförderung von Fracht von Amsterdam nach Magdeburg. Wegen einer Sperrung des Dortmund-Ems-Kanals ab dem 11.10.2005 war ein Transportweg über die Ems vorgesehen. Aufgrund eines Schiffsunfalls kam es am 15.10.2005 auch zu einer Sperrung der Ems. In der Folgezeit führten die Parteien mehrere Telefonate, deren Inhalt streitig ist. Am 17.10.2005 übermittelte die Beklagte dem Kläger den schriftlichen Frachtvertrag. Am 18.10.2005 wurde das Schiff des Klägers in Amsterdam mit dem Gut beladen. Anschließend trat der Kläger die Reise nach Magdeburg an, die wegen der Sperrung der Ems in der Zeit vom 19. bis 29.10.2005 im Hafen von Emden unterbrochen werden musste.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte schulde ihm für die Zeit des Aufenthalts in Emden pro Tag 306,78 €. Die Sperrung einer Wasserstraße falle in den Risikobereich des Versenders von Transportgut. Der Kläger hat die Beklagte daher auf Zahlung von 3.067,80 € in Anspruch genommen. Die Beklagte ist hingegen der Ansicht, der Kläger könne keine zusätzliche Vergütung verlangen, da er bei Antritt der Fahrt Kenntnis von der Sperrung der Ems gehabt habe. Der geltend gemachte Anspruch ergebe sich auch nicht aus einer zwischen den Parteien zustande gekommenen Zusatzvereinbarung.

Das AG gab der Klage statt; das LG wies sie ab. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch entgegen der Auffassung der Revision nicht gem. § 420 Abs. 3 HGB zu.

Ob auch von außen wirkende unvorhersehbare und von den Parteien des Frachtvertrags nicht beherrschbare Störungsursachen (z.B. Sperrung eines Beförderungswegs, Hoch- oder Niedrigwasser, Eisgang oder Sturm), die nicht dem Frachtführer zugerechnet werden können, in den Risikobereich des Absenders fallen, ist in umstritten. Der Senat schließt sich der Auffassung an, die einen Anspruch des Frachtführers auf eine angemessene Zusatzvergütung aus § 420 Abs. 3 HGB verneint, wenn ein von außen wirkendes, für die Parteien des Frachtvertrags unvorhersehbares und nicht beherrschbares Ereignis die Verzögerung der Transportdurchführung verursacht hat.

Entgegen der Ansicht der Revision sind die Voraussetzungen für einen Anspruch des Klägers aus § 420 Abs. 3 HGB im Streitfall nicht erfüllt, weil die zur Verzögerung führende Ursache - Sperrung der Ems vom 15. bis 29.10.2005 wegen eines von einem Dritten verursachten Schiffsunfalls - nicht dem Risikobereich der Beklagten zuzurechnen ist. Der Anspruch des Frachtführers auf eine angemessene Zusatzvergütung erfordert nach dem klaren Wortlaut des § 420 Abs. 3 HGB - anders als bei einem Anspruch des Frachtführers aus § 412 Abs. 3 HGB die positive Feststellung, dass die Ursache für die Verzögerung dem Risikobereich des Absenders zuzurechnen ist. Kann der dafür beweispflichtige Frachtführer diesen Nachweis nicht erbringen, besteht kein Anspruch aus § 420 Abs. 3 HGB.

Steht lediglich fest, dass der die Verzögerung verursachende Umstand nicht in den Risikobereich des Frachtführers fällt, reicht dies allein nicht aus für einen Anspruch auf angemessene Zusatzvergütung wegen Verzögerung. Die unterschiedlichen Formulierungen in § 412 Abs. 3 HGB und § 419 Abs. 1 S. 3 HGB einerseits und § 420 Abs. 3 HGB andererseits lassen entgegen der Ansicht der Revision nur den Schluss zu, dass nicht ausnahmslos jeder nicht dem Risikobereich des Frachtführers zuzurechnender Verzögerungsgrund zu einem Anspruch des Frachtführers gem. § 420 Abs. 3 HGB führt.

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