Kein Anspruch einer politischen Partei auf Freigabe einer gesperrten Facebook-Seite
OLG Zweibrücken, Urt. v. 15.9.2021 - 4 U 171/20Die klagende politische Partei wandte sich gegen die Sperrung der Facebook-Seite "Der III. Weg" durch die Beklagte, die Vertragspartnerin und Anbieterin des sozialen Netzwerks für deutsche Nutzer ist. Für die Erstellung von Facebook-Seiten ist es erforderlich, dass eine natürliche Person bei der Beklagten ein Nutzerkonto einrichtet. Der Vorsitzende der Klägerin hatte daher unter seinem eigenen Namen ein privates Nutzerkonto bei der Beklagten eingerichtet und anschließend die Facebook-Seite "Der III. Weg" erstellt.
Am 21.1.2019 sperrte die Beklagte diese Facebook-Seite für 30 Tage für Veröffentlichungen. Der Vorsitzende der Klägerin beanstandete daraufhin, "dass meine Facebook-Seite "Der III. Weg" nicht mehr öffentlich zugänglich" sei. Wenige Tage später wurden die Facebook-Seite und das Nutzerkonto durch die Beklagte gesperrt bzw. gelöscht. Im anschließenden Verfahren wurde die Frage der Inhaberschaft an dem Nutzerkonto nicht thematisiert. Das BVerfG verpflichtete die Beklagte schließlich im Wege der einstweiligen Anordnung, die streitgegenständliche Facebook-Seite bis zur Feststellung des amtlichen Endergebnisses der Europawahl 2019 vorläufig zu entsperren und die Nutzung wieder einzuräumen (Beschl. v. 22.5.2019, Az. 1 BvQ 42/19). Die Beklagte kam dem Beschluss nach, sperrte die streitgegenständliche Facebook-Seite jedoch nach Feststellung des amtlichen Endergebnisses erneut.
Mit der Hauptsacheklage beabsichtigte der Kläger die Entsperrung der Facebook-Seite "Der III. Weg". Das LG wies die Klage ab. Die Klägerin legte daraufhin Berufung ein und beantragte den Erlass einer einstweiligen Verfügung, um die Entsperrung bis zur Bundestagswahl am 26.9.2021 zu erreichen. Der Antrag wurde abgelehnt.
Die Gründe:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist unbegründet, da jedenfalls der klagenden politischen Partei für das von ihr in der Sache verfolgte Begehren wegen fehlender Aktivlegitimation kein Verfügungsanspruch aus § 241 Abs. 2 i.V.m. § 1004 BGB zusteht.
Zur Geltendmachung etwaiger vertraglicher Ansprüche gegen die Beklagte ist nicht die Klägerin sachbefugt, sondern deren Vorsitzender, mit dem allein die Beklagte durch die Einrichtung eines privaten Nutzerkontos in eine vertragliche Beziehung getreten ist. Alleine die Benennung einer Facebook-Seite durch den Vertragspartner der Beklagten mit einem von diesem autonom festgelegten anderen Namen (hier: dem der Klägerin als politische Partei mit eigener Rechtspersönlichkeit) vermag keine vertragliche Beziehung des Namensträgers zu der Beklagten zu begründen.
Die Vertragsbeziehung und damit zugleich die Inhaberschaft an dem Nutzerkonto ist auch nicht im Wege einer wirksamen Vertragsübernahme auf die Klägerin übertragen worden. Denn dies wäre nur durch einen gesonderten Vertrag unter Beteiligung der Beklagten möglich gewesen, an dem es allerdings fehlt, da die Beklagte ausdrücklich nicht in eine vertragliche Beziehung zur Klägerin treten wollte. Die Annahme eines Vertragsschlusses zwischen den Parteien nach den Grundsätzen des Geschäfts für den, den es angeht, scheidet deshalb ebenfalls aus.
Mehr zum Thema:
Das BVerfG hat sich mit Beschluss vom 20.9.2021 (Az. 1 BvQ 100/21, hier im Volltext) dem OLG Zweibrücken angeschlossen und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgelehnt.
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