Kein Provisionsanspruch für Reisevermittler bei Absage der Reise wegen Nichterreichen einer vorausgesetzten Mindestteilnehmerzahl
BGH 23.1.2014, VII ZR 168/13Die Klägerin, eine Reisevermittlerin, verlangt von der Beklagten, die Pauschalreisen mit der Bahn veranstaltet, Handelsvertreterprovision.
Im Frühjahr 2011 bereitete die Beklagte eine Bahnreise vom 18. bis 24.10.2011 in die Schweiz vor. Der Kundenprospekt der Beklagten enthielt die Hinweise "Vorläufiger Anmeldeschluss: 10. September 2011" und "Mindestteilnehmerzahl 180 Personen." Die Klägerin erstellte ihrerseits einen Kundenprospekt, in dem es u.a. hieß: "Reisebetreuung ab/bis O. (bei Erreichen der Mindestteilnehmerzahl)". Die Klägerin warb bis September 2011 Reisende für neun Doppelzimmer und sechs Einzelzimmer. Die Beklagte sagte die Reise ab, weil die Mindestteilnehmerzahl nicht erreicht wurde.
Das LG gab der auf Zahlung der Provision gerichteten Klage statt; das OLG wies sie ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Der Klägerin steht kein Provisionsanspruch zu.
Das OLG stellt zwar unzutreffend darauf ab, dass sich die Beklagte gegenüber der Klägerin durch eine stillschweigende Freizeichnungsvereinbarung vom Risiko des Nichterreichens der Mindestteilnehmerzahl befreit habe. Sofern die Parteien des Rechtsstreits eine solche Vereinbarung geschlossen hätten, handelte es sich um eine dem Handelsvertreter nachteilige Vereinbarung. Nach § 87a Abs. 5 HGB kann der Provisionsanspruch des Handelsvertreters durch eine solche Vereinbarung im Fall der Nichtausführung des Geschäfts nicht über die Fälle des § 87a Abs. 3 S. 2 HGB ausgeschlossen werden. Das Urteil des OLG stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob die Provisionspflicht stets entfällt, wenn der Unternehmer das Geschäft nicht ausführt, weil er ein vertragliches Rücktrittsrecht ausübt, das ihm bereits in dem vom Handelsvertreter vermittelten Vertrag mit dem Kunden eingeräumt oder vorbehalten ist. Jedenfalls hat die Beklagte nicht zu vertreten, dass die Reise wegen Nichterreichens der Mindestteilnehmerzahl nicht ausgeführt worden ist, § 87a Abs. 3 S. 2 HGB. § 87a Abs. 3 S. 1 HGB gibt dem Handelsvertreter einen unentziehbaren Anspruch auf Provision, wenn feststeht, dass der Unternehmer das Geschäft nicht oder nicht so ausführt, wie es abgeschlossen wird. Im Falle der Nichtausführung entfällt der Provisionsanspruch nach Satz 2 der Bestimmung allerdings, soweit die Nichtausführung auf Umständen beruht, die vom Unternehmer nicht zu vertreten sind.
Zu vertreten hat er diejenigen Umstände, auf denen die Nichtausführung des Geschäfts beruht, nicht nur, wenn ihm persönliches Verschulden zur Last fällt (§§ 276, 278 BGB), sondern auch dann, wenn sie seinem unternehmerischen Risikobereich zuzuordnen sind. Danach war die Absage der Reise wegen Nichterreichens der Mindestteilnehmerzahl kein der Beklagten zurechenbares Risiko. Hat der Unternehmer im Reisevertrag einen wirksamen Rücktrittsvorbehalt vereinbart und erklärt er wegen des Nichterreichens der Mindestteilnehmerzahl den Rücktritt, liegt die Nichtausführung des Vertrags nicht in seinem Risikobereich.
Aufgrund der von der Beklagten vorgesehenen Mindestteilnehmerzahl war vorliegend sowohl für die Reisekunden als auch für die als Handelsvertreter tätigen Reisebüros von Anfang an deutlich, dass die Reise ungewiss ist. Auch die Klägerin konnte sich darauf einstellen, dass die Reise ggf. nicht zustande kommen wird; sie hat die Buchung bereits mit der Einschränkung einer Mindestteilnehmerzahl ermittelt. Die Verantwortung für das Nichterreichen der Mindestteilnehmerzahl liegt nicht in der Sphäre des Reiseveranstalters. Es sind die Handelsvertreter, denen es nicht gelungen ist, eine ausreichende Anzahl von Reiseverträgen einzuwerben. Die Mindestteilnehmerzahl ist auch nicht durch fehlerhafte Dispositionen der Beklagten verfehlt worden.
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