11.01.2013

Kein Zeugnisverweigerungsrecht für Pressevertreter nach bereits in früherem Rechtsstreit getätigter Aussage zur Person eines Informanten

Hat ein Pressevertreter als Zeuge in einem Rechtsstreit in öffentlicher Sitzung umfassend zur Person eines Informanten und zu den mit diesem geführten Gesprächen ausgesagt, ohne sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 383 Abs. 1 Nr. 5 ZPO zu berufen, darf er regelmäßig in einem späteren Zivilrechtsstreit die Zeugenaussage zu den gleichen Beweisfragen nicht unter Berufung auf ein solches Zeugnisverweigerungsrecht verweigern. Dessen Zweck, das Vertrauensverhältnis zwischen Presse und Rundfunk und ihren Informanten zu schützen, ist in diesem Fall nicht mehr zu erreichen.

BGH 4.12.2012, VI ZB 2/12
Der Sachverhalt:
Im vorliegenden Rechtsstreit wenden sich die weiteren Beteiligten zu 4) und zu 5), ein Journalist und ein TV-Redakteur, unter Berufung auf § 383 Abs. 1 Nr. 5 ZPO dagegen, als Zeugen vernommen zu werden. Die Klägerin produziert und vermarktet Geflügelprodukte. 2007 geriet sie in den Verdacht, nicht einwandfreies Fleisch verarbeitet zu haben. Dem vorausgegangen waren betriebsbedingte Kündigungen von etwa 230 Mitarbeitern. Diese waren zum Teil in der Gewerkschaft NGG, der Beklagten zu 2), organisiert. Der Beklagte zu 1) ist der Geschäftsführer der Gewerkschaft in O. Einige der gekündigten Mitarbeiter erhoben Kündigungsschutzklagen, an denen auch die Gewerkschaft beteiligt wurde. Nachdem der beschriebene Verdacht in diesem Zusammenhang dem Beklagten zu 1) zu Ohren gekommen war, veranlasste dieser die weiteren Beteiligten zu 1) bis 3) dazu, insoweit eidesstattliche Versicherungen abzugeben.

Dieser Sachverhalt wurde durch Berichte in Sendungen des NDR öffentlich bekannt, nachdem die weiteren Beteiligten zu 4) und zu 5) mit den Beteiligten zu 1) bis 3) wegen des Verdachts Rücksprache gehalten hatten. Ein auf Anzeige des Beklagten zu 1) eingeleitetes Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft gegen die Klägerin wurde gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Der Beklagte zu 1) wurde im Januar 2009 wegen übler Nachrede erstinstanzlich zu einer Geldstrafe verurteilt, im Januar 2011 aber vom OLG freigesprochen. Die Klägerin macht geltend, aufgrund der Ereignisse Verluste in Millionenhöhe erlitten zu haben. Ihre Schadensersatzklage gegen den NDR wurde im Juli 2011 vom LG erstinstanzlich abgewiesen. In jenem Rechtsstreit vernahm das LG u.a. die Beteiligten zu 4) und 5) ausführlich zu ihren Kontakten mit den Beteiligten zu 1) bis 3) und den dabei gewonnenen Erkenntnissen als Zeugen. Es stützte seine Entscheidung u.a. auf die Aussagen dieser Zeugen. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin die Beklagten zu 1) und 2) auf Schadensersatz in Anspruch.

Das LG wies die gegen den Beklagten zu 1) gerichtete Klage ab, der Klage gegen die Beklagte zu 2) gab es teilweise statt. Dagegen legten die Klägerin und die Beklagte zu 2) Berufung ein. Das OLG erließ daraufhin einen Beweisbeschluss, wonach Beweis erhoben werden soll über das Zustandekommen der eidesstattlichen Versicherungen der Beteiligten zu 1) bis 3) und über den Inhalt etwaiger zwischen den genannten Beteiligten und den Beteiligten zu 4) und 5) anschließend geführter Gespräche durch deren Vernehmung als Zeugen. Sämtliche genannten Beteiligten verweigerten das Zeugnis, die Beteiligten zu 1) bis 3) unter Berufung auf § 384 Nr. 2 ZPO, die Beteiligten zu 4) und 5) unter Berufung auf § 383 Abs. 1 Nr. 5 ZPO.

Das OLG erklärte durch Zwischenurteil die Zeugnisverweigerung der Beteiligten zu 1) bis 3) für berechtigt, die der Beteiligten zu 4) und 5) für unberechtigt. Die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 4) und 5) hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das OLG hat zu Recht entschieden, die Zeugnisverweigerung der Beteiligten zu 4) und zu 5) für unberechtigt zu erklären.

Im Interesse der Pressefreiheit einerseits und der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege andererseits enthält § 383 Abs. 1 Nr. 5 ZPO für Presseangehörige eine Ausnahme von der allgemeinen Zeugnispflicht. Der Zweck der Privilegierung liegt dabei unmittelbar in dem Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen der Presse und den privaten Informanten und mittelbar in der Gewährleistung einer institutionell eigenständigen und funktionsfähigen Presse.

Mit Recht hat das OLG angenommen, dass das Zeugnisverweigerungsrecht des § 383 Abs. 1 Nr. 5 ZPO regelmäßig nicht auf einen Pressevertreter anzuwenden ist, der seine Beziehung zu bestimmten Informanten, über die er als Zeuge bekunden soll, namentlich und inhaltlich bereits offengelegt hat, sofern das Vertrauensverhältnis zu dem Informanten durch die Zeugenaussage nicht weiter als bereits geschehen beeinträchtigt wird.

Wenn ein Pressevertreter - ohne sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht (mit Erfolg) berufen zu haben - in einem Rechtsstreit in öffentlicher Sitzung umfangreich zur Person eines Informanten und zu den mit diesem geführten Gesprächen bekundet hat, ist das Vertrauensverhältnis zu dem Informanten offengelegt. Der Zweck des § 383 Abs. 1 Nr. 5 ZPO, das Vertrauensverhältnis zwischen Presse und Rundfunk und ihren Informanten zu schützen, so dass sie ihre Kontrollfunktion unter Einschaltung verlässlicher Informanten unter Wahrung des Redaktionsgeheimnisses wahrnehmen können, ist in diesem Fall nicht mehr zu erreichen.

In Fällen wie dem vorliegenden ist der Zweck des § 383 Abs. 1 Nr. 5 ZPO i.Ü. Übrigen aus einem weiteren Grund nicht zu erreichen. Die Aussagen der Beteiligten zu 4) und 5) vor dem LG könnten ggf. im vorliegenden Rechtsstreit im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden. Die Zeugnisverweigerung eines Zeugen im Zivilprozess schließt - anders als im Strafprozess, § 252 StPO - die Verwertung von Niederschriften früherer in Kenntnis des Zeugnisverweigerungsrechts getätigter Aussagen nicht aus. Für ein Verwertungsverbot ist hier nichts ersichtlich. Kommt es zur Verwertung der früheren Aussagen im Wege des Urkundenbeweises, ist das Vertrauensverhältnis in gleicher Weise offengelegt, wie es bei der vom OLG beabsichtigten Zeugenvernehmung der Fall sein wird.

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