25.10.2011

Keine Einbringung eigener Aktien der Gesellschaft als Sacheinlage

Eigene Aktien der Gesellschaft können nicht als Sacheinlage eingebracht werden. Der Verzicht auf den Anspruch auf Rückerstattung von darlehensweise an die Gesellschaft überlassenen Aktien steht dem Einbringen als Sacheinlage jedenfalls dann gleich, wenn er in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Darlehensgewährung vereinbart wurde.

BGH 20.9.2011, II ZR 234/09
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der I-AG (Schuldnerin). Die Beklagten zu 1) und 2) waren Mitglieder des Vorstands, der Beklagte zu 3) war stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats der Schuldnerin. Er war zugleich Partner einer Anwaltskanzlei, die ständige Beraterin der Schuldnerin war. Die Aktionäre der Schuldnerin beschlossen im Februar 2000 durch Satzungsänderung die Schaffung eines genehmigten Kapitals. Der Vorstand wurde ermächtigt, das Kapital durch Ausgabe bis zu 7,8 Mio. neuer Aktien gegen Bar- oder Sacheinlage bis zum 31.1.2005 zu erhöhen, das Bezugsrecht der Aktionäre auszuschließen, um bis zu 1,5 Mio. neue Aktien zum Zweck des Erwerbs von Beteiligungen gegen Überlassung von Aktien der Gesellschaft auszugeben, sowie bis zum 31.7.2001 eigene Aktien bis zu 10 Prozent des damaligen Grundkapitals über die Börse oder außerhalb der Börse zu erwerben, von den damaligen Aktionären aber nur zum Kaufpreis von 1 € je Aktie oder unentgeltlich.

In den folgenden Monaten erwarb die Schuldnerin - teils unmittelbar, teils mittelbar über Tochterfirmen - den einzigen Geschäftsanteil einer GmbH sowie jeweils 80 Prozent der Aktien zweier weiterer Unternehmen. Dabei sollte jeweils ein Teil des Kaufpreises mit Aktien der Schuldnerin bezahlt werden. Der Beklagte zu 2) hatte die Vorstellung, dass die Schuldnerin sich die für den Erwerb der Unternehmensbeteiligungen erforderlichen Aktien über eine Kapitalerhöhung unter Ausnutzung des genehmigten Kapitals beschaffen könne, um mit den ausgegebenen neuen Aktien den Kaufpreis zu begleichen. Der Beklagte zu 3) und der Steuerberater der Schuldnerin wiesen darauf hin, dass der dazu notwendige Erwerb eigener Aktien wegen § 71 AktG nach deutschem Aktienrecht nicht zulässig sei.

Der Aufsichtsrat der Schuldnerin beschloss im Juli 2000 in Anwesenheit beider Vorstände auf Vorschlag des Beklagten zu 3), die für den Erwerb der Beteiligungen notwendigen 679.133 Aktien durch ein Wertpapierdarlehen der D-AG, der Mehrheitsaktionärin der Schuldnerin, an der der Beklagte zu 1) mittelbar 34 Prozent hielt, zu beschaffen und es mit neuen Aktien aus einer Kapitalerhöhung zurückzuführen. Im September 2000 übereignete die D-AG aufgrund eines Wertpapierdarlehensvertrags der Schuldnerin 679.133 Aktien. Diese schloss Wertpapierdarlehensverträge mit den Tochterfirmen über 465.334 Aktien und 20.452 Aktien ab. Zugleich beschloss der Vorstand unter Mitwirkung der Beklagten zu 1) und 2) eine Sachkapitalerhöhung um 679.133 € durch Ausgabe von 679.133 Aktien an die D-AG zum Ausgabekurs von 43,97 € je Aktie.

Die D-AG sollte die Einlage durch Verzicht auf die Rückforderung aus dem Wertpapierdarlehensvertrag erbringen. Der Aufsichtsrat mit dem Beklagten zu 3) stimmte der Kapitalerhöhung zu. Die D-AG, für die u.a. ebenfalls die Beklagten zu 1) und 2) handelten, zeichnete die Aktien und verzichtete auf die Rückforderung der darlehensweise überlassenen Aktien. Insgesamt verwendete die Schuldnerin 582.092 Aktien für den Erwerb der Unternehmensbeteiligungen, die restlichen von der D-AG erhaltenen Aktien verblieben bei ihr und wurden im September 2001 eingezogen. Der Kläger nimmt die Beklagten auf Zahlung eines Teilbetrags von 10 Mio. € aus dem Ausgabebetrag für die mit der Kapitalerhöhung von September 2000 geschaffenen Aktien (29.861.478 €) in Anspruch.

Das LG gab der Klage statt; das OLG wies sie ab. Auf die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Senat des OLG zurück.

Die Gründe:
Das OLG, das die Ersatzpflicht der Beklagten nach § 93 Abs. 3 Nr. 4 AktG rechtsfehlerfrei festgestellt hat, hat die Befreiung von den Lieferverpflichtungen der Altaktien rechtsfehlerhaft im Wege des Vorteilsausgleichs auf diese Ersatzverpflichtung angerechnet.

Im Ergebnis zutreffend ist das OLG davon ausgegangen, dass die Beklagten zu 1) und 2) der Schuldnerin dem Grunde nach schadensersatzpflichtig sind, weil sie an die D-AG Aktien ausgegeben haben, obwohl diese ihrer Bareinlageverpflichtung nicht nachgekommen war. Nach § 93 Abs. 3 Nr. 4 AktG sind die Mitglieder des Vorstands einer AG zum Ersatz verpflichtet, wenn Aktien vor Leistung des Ausgabebetrags ausgegeben werden. Die Ersatzpflicht tritt auch ein, wenn die Bareinlagepflicht wegen der Unwirksamkeit einer Sacheinlagevereinbarung entsteht. Die D-AG war verpflichtet, den Ausgabebetrag der Aktien von 29.861.478 € einzubezahlen, weil die Festsetzung des Verzichts auf die Rückerstattung des Aktiendarlehens als Sacheinlage unwirksam war.

Der als Sacheinlage festgesetzte Verzicht auf den Anspruch auf Rückerstattung der darlehensweise an die Schuldnerin überlassenen Aktien war kein tauglicher Gegenstand einer Sacheinlage. Eigene Aktien der Gesellschaft können nicht als Sacheinlage eingebracht werden, weil der Gesellschaft mit der Überlassung der alten Aktien als Teil des Grundkapitals real kein neues Kapital zugeführt wird und sie wegen der nach § 272 Abs. 4 S. 1 a.F. (1985) notwendigen Sonderrückstellung auch keinen Vermögenszuwachs erhält. Die D-AG leistete als Sacheinlage Aktien der Schuldnerin. Mit dem vorab verabredeten Verzicht auf die Rückerstattung der erst kurz zuvor darlehensweise überlassenen Aktien wurde nur verschleiert, dass der Schuldnerin die Aktien selbst überlassen wurden.

Die Beklagten zu 1) und 2) trifft auch ein Verschulden. Um den strengen Anforderungen an die dem Vorstand obliegende Prüfung der Rechtslage und die Beachtung von Gesetz und Rechtsprechung zu genügen, reicht eine schlichte Anfrage bei einer von dem organschaftlichen Vertreter für fachkundig gehaltenen Person durch die Gesellschaft nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, dass sich das Vertretungsorgan, das selbst nicht über die erforderliche Sachkunde verfügt, unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einem unabhängigen, für die zu klärende Frage fachlich qualifizierten Berufsträger beraten lässt und die erteilte Rechtsauskunft einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle unterzieht. Diesen Anforderungen sind die Beklagten zu 1) und 2) nicht gerecht geworden.

Auch der Beklagte zu 3) ist als Aufsichtsrat der Schuldnerin ersatzpflichtig. Schuldhaft handelnde Aufsichtsratsmitglieder haften nach § 116 S. 1, § 93 Abs. 3 Nr. 4 AktG, wenn Aktien vor Leistung der Bareinlage ausgegeben werden. Der Beklagte zu 3) kann sich als Rechtsanwalt angesichts der eindeutigen Rechtslage grundsätzlich nicht auf einen unverschuldeten Rechtsirrtum berufen. Dass er in der Organfunktion als Aufsichtsrat, nicht in seinem Beruf als Rechtsanwalt tätig war, führt nicht dazu, dass nur ein durchschnittlicher Sorgfaltsmaßstab auf ihn anzulegen ist. Das Aufsichtsratsmitglied, das über beruflich erworbene Spezialkenntnisse verfügt, unterliegt, soweit sein Spezialgebiet betroffen ist, insoweit einem erhöhten Sorgfaltsmaßstab.

Der Senat konnte nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO). Es sind noch Feststellungen dazu zu treffen, ob der Schuldnerin anrechenbare Vermögensvorteile durch die Verwertung der Aktien zuflossen.

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