Keine entsprechenden Anwendung des § 656 BGB auf Online-Partnerschaftsvermittlungsverträge
AG Köln v. 6.9.2024 - 169 C 329/24
Der Sachverhalt:
Die Beklagte hatte sich am 21.4.2021 auf der Plattform der Klägerin registriert und mit ihr einen Partnervermittlungsvertrag über eine zwölfmonatige Premium-Mitgliedschaft abgeschlossen. Bei Vertragsschluss hatte sich die Klägerin auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) bezogen. Eine Kündigung der Beklagten blieb bis zum Ende der Vertragslaufzeit aus.
Am 22.4.2022 erhielt die Beklagte per E-Mail eine Rechnung über 718 € für die verlängerte 12-Monats-Mitgliedschaft. Der Beitrag sollte dabei als Einmalzahlung entrichtet werden. Nachdem die Klägerin erfolglos versucht hatte, den offenstehenden Betrag einzuziehen, informierte sie die Beklagte darüber und forderte sie zur Zahlung auf. Unter dem 27.5.2022 mahnte die Klägerin die Beklagte erfolglos zur Zahlung bis zum 10.6.2022 an. Daraufhin schaltete die Klägerin ein Inkassounternehmen ein, wodurch Kosten i.H.v. 95,04 € entstanden. Gleichfalls verauslagte die Klägerin für eine Einwohnermeldeamtsauskunft 13,60 €.
Die Klägerin war der Ansicht, der zwischen ihr und der Beklagten geschlossene Vertrag habe sich mangels fristgerechter Kündigung um zwölf Monate verlängert. Ein Verstoß gegen § 307 BGB sei nicht anzunehmen, da es sich um keine höheren Dienste handele, die sie bereitstelle - insbesondere auch nicht, weil ein "Matching-Algorithmus" von ihren Mitarbeitern konzipiert sei.
Nach Zustellung des Mahnbescheides hat die Beklagte am 8.9.2023 eine Zahlung i.H.v. 104 € an die Klägerin geleistet, die diese auf die außergerichtlichen Kosten angerechnet hat. Das AG hat der weitergehenden Klage vollumfänglich stattgegeben.
Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 718,80 € nebst Zinsen.
Der Beklagtenvortrag hinsichtlich des Vertragsschlusses genügte hier - mit der Folge des Zugeständnisses nach § 138 Abs. 3 ZPO - nicht den Substantiierungsanforderungen an das Bestreiten. Der Vortrag, dass die Beklagte sich "die Website der Klägerin mal angeschaut und ein bisschen herumgeklickt" hätte, sich aber im Endeffekt doch dagegen entschieden hätte, dort einen Vertrag abzuschließen - sie hätte auch die Zahlung für das erste Jahr nicht bezahlt -, war gänzlich ohne Substanz. Er vermochte nicht zu erklären, wie die Klägerin an die persönlichen Daten der Beklagten in Form von Namen, Anschrift und E-Mail-Adresse gelangt sein sollte. Ungeklärt blieb insoweit auch, warum die Beklagte nach Zustellung des Mahnbescheids eine Teilleistung erbracht hatte, wenn sie nicht selbst von einem Vertragsschluss ausgegangen war.
Der Vertrag hatte sich somit automatisch um weitere zwölf Monate verlängert. Die Klausel der AGB der Klägerin, wonach sich der Vertrag automatisch um zwölf Monate verlängert, wenn er nicht mit einer Frist von zwölf Wochen vor dem Vertragsende gekündigt wird, war und ist wirksam. Sämtliche Klauseln hielten auch der - wegen Abweichung von der automatischen Beendigung bei Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit nach § 620 Abs. 1 BGB gem. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB eröffneten - Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB stand. Sie wich insbesondere schon nicht von der gesetzlich vorgesehenen freien Kündigungsmöglichkeit des § 627 BGB ab. Denn der Anwendungsbereich des § 627 BGB war bereits nicht eröffnet.
Zwar wird zum Teil vertreten, bei Online-Partnerschaftsvermittlungsverträgen, bei denen die Kunden sich auf einer Online-Plattform registrieren, auf der Kontakt zu potentiellen Partnerinnen und Partnern besteht, würde es sich um Dienste höherer Art handeln. Insofern würden die zu erbringenden Dienste überdurchschnittliche Kenntnisse oder Fertigkeiten erfordern. Dem steht aber die wohl überwiegende Ansicht in der Literatur sowie die neuere BGH-Rechtsprechung entgegen (BGH, Urt. v. 17.6.2021 - III ZR 125/19). So würden Gründe, die zur entsprechenden Anwendung des § 656 BGB auf einen Partnervermittlungsvertrag geführt haben, für "Online-Partnervermittlung" nicht gelten. Insofern bestehe die Leistungspflicht des Online-Anbieters vor allem darin, den Kunden einen unbeschränkten Zugang zu der betriebenen Plattform zu gewähren, auf der diese aus eigener Initiative einen Kontakt zu möglichen Partnern herstellen können.
Die zweite Ansicht überzeugt. Die Gegenansicht verkennt nämlich, dass der Kunde eines Online-Partnerschaftsvermittlungsvertrages gerade nicht erwartet, seine persönlichen Daten würden von einem Mitarbeiter der Klägerin zwecks Partnersuche persönlich ausgewertet und weiterverarbeitet. Nach der Verkehrsanschauung erwarten diese Kunden vielmehr die Zurverfügungstellung einer Plattform, auf der sie im Gegensatz zu den marktführenden, herkömmlichen Social-Media-Plattformen konkret und seriös zwecks potentieller Entwicklung einer Partnerschaft in Kontakt treten können. Insofern kann auch nicht die Rede davon sein, dass die Erstellung des "Matching-Algorithmus" der Klägerin überdurchschnittliche Fähigkeiten und Fertigkeiten erfordern.
Mehr zum Thema:
Kurzbeitrag (zu der in den Gründen zitierten BGH-Entscheidung)
BGH: Rückerstattung von Sportwetteinsätzen bei fehlender Zulassung
Brian Scheuch, ITRB 2024, 113
ITRB0066590
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Justiz NRW
Die Beklagte hatte sich am 21.4.2021 auf der Plattform der Klägerin registriert und mit ihr einen Partnervermittlungsvertrag über eine zwölfmonatige Premium-Mitgliedschaft abgeschlossen. Bei Vertragsschluss hatte sich die Klägerin auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) bezogen. Eine Kündigung der Beklagten blieb bis zum Ende der Vertragslaufzeit aus.
Am 22.4.2022 erhielt die Beklagte per E-Mail eine Rechnung über 718 € für die verlängerte 12-Monats-Mitgliedschaft. Der Beitrag sollte dabei als Einmalzahlung entrichtet werden. Nachdem die Klägerin erfolglos versucht hatte, den offenstehenden Betrag einzuziehen, informierte sie die Beklagte darüber und forderte sie zur Zahlung auf. Unter dem 27.5.2022 mahnte die Klägerin die Beklagte erfolglos zur Zahlung bis zum 10.6.2022 an. Daraufhin schaltete die Klägerin ein Inkassounternehmen ein, wodurch Kosten i.H.v. 95,04 € entstanden. Gleichfalls verauslagte die Klägerin für eine Einwohnermeldeamtsauskunft 13,60 €.
Die Klägerin war der Ansicht, der zwischen ihr und der Beklagten geschlossene Vertrag habe sich mangels fristgerechter Kündigung um zwölf Monate verlängert. Ein Verstoß gegen § 307 BGB sei nicht anzunehmen, da es sich um keine höheren Dienste handele, die sie bereitstelle - insbesondere auch nicht, weil ein "Matching-Algorithmus" von ihren Mitarbeitern konzipiert sei.
Nach Zustellung des Mahnbescheides hat die Beklagte am 8.9.2023 eine Zahlung i.H.v. 104 € an die Klägerin geleistet, die diese auf die außergerichtlichen Kosten angerechnet hat. Das AG hat der weitergehenden Klage vollumfänglich stattgegeben.
Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 718,80 € nebst Zinsen.
Der Beklagtenvortrag hinsichtlich des Vertragsschlusses genügte hier - mit der Folge des Zugeständnisses nach § 138 Abs. 3 ZPO - nicht den Substantiierungsanforderungen an das Bestreiten. Der Vortrag, dass die Beklagte sich "die Website der Klägerin mal angeschaut und ein bisschen herumgeklickt" hätte, sich aber im Endeffekt doch dagegen entschieden hätte, dort einen Vertrag abzuschließen - sie hätte auch die Zahlung für das erste Jahr nicht bezahlt -, war gänzlich ohne Substanz. Er vermochte nicht zu erklären, wie die Klägerin an die persönlichen Daten der Beklagten in Form von Namen, Anschrift und E-Mail-Adresse gelangt sein sollte. Ungeklärt blieb insoweit auch, warum die Beklagte nach Zustellung des Mahnbescheids eine Teilleistung erbracht hatte, wenn sie nicht selbst von einem Vertragsschluss ausgegangen war.
Der Vertrag hatte sich somit automatisch um weitere zwölf Monate verlängert. Die Klausel der AGB der Klägerin, wonach sich der Vertrag automatisch um zwölf Monate verlängert, wenn er nicht mit einer Frist von zwölf Wochen vor dem Vertragsende gekündigt wird, war und ist wirksam. Sämtliche Klauseln hielten auch der - wegen Abweichung von der automatischen Beendigung bei Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit nach § 620 Abs. 1 BGB gem. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB eröffneten - Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB stand. Sie wich insbesondere schon nicht von der gesetzlich vorgesehenen freien Kündigungsmöglichkeit des § 627 BGB ab. Denn der Anwendungsbereich des § 627 BGB war bereits nicht eröffnet.
Zwar wird zum Teil vertreten, bei Online-Partnerschaftsvermittlungsverträgen, bei denen die Kunden sich auf einer Online-Plattform registrieren, auf der Kontakt zu potentiellen Partnerinnen und Partnern besteht, würde es sich um Dienste höherer Art handeln. Insofern würden die zu erbringenden Dienste überdurchschnittliche Kenntnisse oder Fertigkeiten erfordern. Dem steht aber die wohl überwiegende Ansicht in der Literatur sowie die neuere BGH-Rechtsprechung entgegen (BGH, Urt. v. 17.6.2021 - III ZR 125/19). So würden Gründe, die zur entsprechenden Anwendung des § 656 BGB auf einen Partnervermittlungsvertrag geführt haben, für "Online-Partnervermittlung" nicht gelten. Insofern bestehe die Leistungspflicht des Online-Anbieters vor allem darin, den Kunden einen unbeschränkten Zugang zu der betriebenen Plattform zu gewähren, auf der diese aus eigener Initiative einen Kontakt zu möglichen Partnern herstellen können.
Die zweite Ansicht überzeugt. Die Gegenansicht verkennt nämlich, dass der Kunde eines Online-Partnerschaftsvermittlungsvertrages gerade nicht erwartet, seine persönlichen Daten würden von einem Mitarbeiter der Klägerin zwecks Partnersuche persönlich ausgewertet und weiterverarbeitet. Nach der Verkehrsanschauung erwarten diese Kunden vielmehr die Zurverfügungstellung einer Plattform, auf der sie im Gegensatz zu den marktführenden, herkömmlichen Social-Media-Plattformen konkret und seriös zwecks potentieller Entwicklung einer Partnerschaft in Kontakt treten können. Insofern kann auch nicht die Rede davon sein, dass die Erstellung des "Matching-Algorithmus" der Klägerin überdurchschnittliche Fähigkeiten und Fertigkeiten erfordern.
Kurzbeitrag (zu der in den Gründen zitierten BGH-Entscheidung)
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ITRB0066590
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