01.12.2022

Keine Entstellung eines Tischgestells durch Senkrechtstellung einer im Ursprungswerk schrägliegenden Kreuzverstrebung

Wird die Schutzfähigkeit eines minimalistisch gestalteten Stahlrohrtischgestells durch diagonal angebrachte Kreuzstreben begründet, liegt in einem Tischgestell mit Senkrechtstellung der Streben keine urheberrechtswidrige Entstellung dieses Modells. Schadensersatzansprüche wegen Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts des Ursprungswerks bestehen insoweit nicht.

OLG Frankfurt a.M. v. 29.11.2022 - 11 U 139/21
Der Sachverhalt:
Die Kläger sind die Kinder eines bekannten deutschen Architekten, der 1953 ein verschweißtes Stahlrohrtischgestell mit mittiger, schrägliegender Kreuzverstrebung entworfen hatte. Ein Assistent des Architekten wollte mit einem solchen Tischmodell umziehen. Um es für den Umzug mit seinem Fahrzeug, einer sog. Ente, transportabel zu gestalten, beauftragte er einen Schlossermeister. Dieser zersägte den Tisch und entwickelte eine alternative zur Wiederverbindung der Kreuzstreben. Dabei entstand das später als "E2" benannte Tischgestell.

Die ursprünglich schräge Kreuzverstrebung wurde beim Modell "E2" senkrecht gestellt, wodurch die praktische Verwendbarkeit des Tischgestells erhöht wurde. Das vom Schlossermeister konstruierte Tischgestell ging Mitte der sechziger Jahre in die Serienproduktion und wird von der Beklagten vertrieben. Die Kläger begehren nun von der Beklagten Schadensersatz. Sie meinen, die Gestaltung des Tischgestells der Beklagten entstelle bzw. beeinträchtige in urheberrechtswidriger Weise das ursprünglich von ihrem Vater geschaffene Modell.

Das LG wies die Klage ab. Die Berufung der Kläger hatte vor dem OLG keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Kläger können wegen der behaupteten Entstellung bzw. Beeinträchtigung des Werks ihres Vaters keinen Schadensersatz verlangen.

Unerheblich ist, dass das Urstück des angegriffenen Modells durch einen körperlichen Eingriff in Form des Zersägens und Neuzusammensetzens des ursprünglichen Tischmodells des Architekten entstanden ist. Die Kläger wenden sich nicht gegen die Herstellung oder den Vertrieb dieses Urstücks, sondern gegen den Nachbau. Für diesen ist es unerheblich, ob das Gestell damals tatsächlich oder aber nur in der Vorstellung zerlegt worden ist.

Das Modell "E2" greift auch nicht in den geistig-ästhetischen Gesamteindruck des Gestells von 1953 ein. Die Einordnung des Gestells 1953 als urheberrechtlich schutzfähiges Werk kann nur aufgrund der diagonal angebrachten Kreuzstreben begründet werden. Diese diagonale Kreuzverstrebung fehlt jedoch gerade beim Modell "E2". Die insgesamt minimalistische Gestaltung ist zwar ebenfalls für das Tischgestell von 1953 prägend, als Stil jedoch nicht eigenständig schutzfähig. Soweit das Modell "E2" ebenfalls eine minimalistisch wirkende Stahlrohrkonstruktion eines Tischgestells aufweist, wird damit allein ein nicht geschützter Stil übernommen.

Mehr zum Thema:

Beratermodul IPRB - Recht des geistigen Eigentums und der Medien

Das exklusive Modul für einen gezielten digitalen Zugriff auf sämtliche Inhalte des IPRB. Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO! 4 Wochen gratis nutzen!
OLG Frankfurt a.M. PM Nr. 86 vom 29.11.2022
Zurück