Keine Feststellungsbegehren im Urkundenprozess
BGH 22.5.2012, II ZR 3/11Die Beklagte trat der Klägerin, einem geschlossenen Fonds in der Rechtsform einer GbR, mit Beitrittserklärung von Mai 2006, die Anfang Juni 2006 angenommen wurde, bei. Sie wählte unter den verschiedenen in dem Beitrittsformular angebotenen Beteiligungsmöglichkeiten das Beteiligungsprogramm Multi B und verpflichtete sich zur Zahlung einer Einmaleinlage i.H.v. 1.400 € zzgl. 5 Prozent Agio und zu mtl. Ratenzahlungen i.H.v. 25 € zzgl. 5 Prozent Agio über einen Zeitraumraum von 23 Jahren (Vertragssumme: 8.715 €). Die Einmaleinlage sowie die erste Ratenzahlung waren am 1.6.2006 fällig. Die Beklagte zahlte den Einmalbetrag und im Juni 2006 die erste Rate.
Über das Vermögen der Gründungsgesellschafterin und ersten Geschäftsführerin der Beklagten, der Privatbank R. & Co GmbH und Co. KG (R-Bank), wurde am 1.11.2006 und über das Vermögen der zweiten Gründungsgesellschafterin und nachfolgenden Geschäftsführerin, der E. S. GmbH Wertpapierhandelsbank (S-Bank), am 11.1.2010 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Die Klägerin verlangt mit ihrer im Urkundenverfahren eingereichten Klage, soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung, rückständige Monatsraten von Juli 2006 bis Oktober 2009, insgesamt 1.102 € zzgl. Zinsen. Mit der Klageerwiderung von Februar 2010 erklärte die Beklagte den Widerruf, die Anfechtung sowie die Kündigung des Beteiligungsvertrages.
AG und LG wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück..
Die Gründe:
Die Revision rügt zu Recht die Ansicht des LG als fehlerhaft, der Beklagten habe aufgrund der Insolvenz der beiden geschäftsführenden Gesellschafterinnen ein außerordentliches Kündigungsrecht nach § 723 Abs. 1 S. 3 BGB zugestanden. Der Senat konnte jedoch in der Sache nicht selbst entscheiden, da das LG - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - zu den weiteren von der Beklagten vorgetragenen Umständen, die sie ihrer Ansicht nach zur außerordentlichen Kündigung berechtigt haben (Sonderkündigungsrecht, Prospektfehler, arglistige Täuschung) keine Feststellungen getroffen hat. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
Sollte das LG in der wiedereröffneten Berufungsverhandlung erneut zu dem Ergebnis kommen, dass die Beklagte ihre Beteiligung wirksam gekündigt hat, führt dies nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zur Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft und zur Ermittlung des Wertes des Geschäftsanteils des fehlerhaft beigetretenen Gesellschafters im Zeitpunkt seines Ausscheidens. Dies würde zur Abweisung der Klage führen.
Zwar wäre die Beklagte mit Zugang der außerordentlichen Kündigung mit Wirkung "ex nunc" aus der Klägerin ausgeschieden, mit (u.a.) der Folge, dass sie zur Zahlung rückständiger, noch nicht erbrachter (Einlage-)Leistungen an die Gesellschaft verpflichtet bliebe. Diesen Anspruch kann die Klägerin jedoch nicht mehr isoliert geltend machen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats unterliegen sowohl die Ansprüche des Gesellschafters gegen die Gesellschaft als auch die der Gesellschaft gegen die Gesellschafter zum Stichtag des Ausscheidens einer Durchsetzungssperre; die gegenseitigen Ansprüche werden zu unselbständigen Rechnungsposten der Auseinandersetzungsrechnung.
Die Revision weist zwar zutreffend darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Senats eine Klage im ordentlichen Verfahren, die unter Verkennung der Durchsetzungssperre auf Zahlung gerichtet ist, ohne weiteres ein Feststellungsbegehren enthält, das darauf gerichtet ist, dass die entsprechende Forderung in die Auseinandersetzungsrechnung eingestellt wird; eines entsprechenden (ausdrücklichen) Hilfsantrags der klagenden Partei bedarf es nicht. Im Urkundenprozess vermag diese Auslegung der Klage jedoch nicht zum Erfolg zu verhelfen; sie wäre insoweit als im Urkundenprozess unstatthaft abzuweisen. Nach § 592 ZPO kann im Urkundenprozess (nur) ein Anspruch geltend gemacht werden, "welcher die Zahlung einer bestimmten Geldsumme" zum Gegenstand hat.
Nur wo der Zweck des Urkundenprozesses - einen Geldanspruch schnell durchsetzen zu können - wirklich erreichbar ist, kann der beklagten Partei zugemutet werden, sich mit etwaigen Einwendungen auf das Nachverfahren verweisen zu lassen. Kann dagegen der Beschleunigungszweck nicht oder nur unvollkommen erreicht werden, dann besteht kein hinreichender Grund, die beklagte Partei der Gefahr eines - möglicherweise falschen - Vorbehaltsurteils auszusetzen. Aus diesem Grund ist die Erhebung einer Feststellungsklage im Urkundenprozess unstatthaft. Dies gilt im selben Maße in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem zu prüfen ist, ob ein zunächst klageweise geltend gemachter Zahlungsantrag im Urkundenprozess ein Feststellungsbegehren dahingehend enthält, die mit dem Zahlungsantrag geltend gemachte Forderung sei in eine Auseinandersetzungsrechnung der Parteien einzustellen.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.