07.04.2011

Keine hilfsweise Erledigungserklärung nach einem Bestätigungsbeschluss im aktienrechtlichen Anfechtungsprozess

Im aktienrechtlichen Anfechtungsprozess ist eine hilfsweise Erledigungserklärung nach einem Bestätigungsbeschluss unzulässig. Eine Umdeutung des unzulässigen Hilfsantrags auf Feststellung der Erledigung in einen Antrag nach § 244 S. 2 AktG kommt in entsprechender Anwendung von § 140 BGB nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen der umgedeuteten Prozesshandlung eingehalten sind, die Umdeutung dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegensteht.

BGH 8.2.2011, II ZR 206/08
Der Sachverhalt:
Die Hauptversammlung der Beklagten vom 13./14.12.2005 beschloss u.a., die Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär gegen Gewährung einer Barabfindung zu übertragen, genehmigtes Kapital zu schaffen und die Vergütung des Aufsichtsrats und die Satzung zu ändern. In unterschiedlichem Umfang wandten sich die 38 Kläger gegen diese Beschlüsse mit der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage.

Das LG wies die Klagen eines Großteils der Kläger sowie den Beschlussfeststellungsantrag ab und erklärte die zu TOP 2 bis 10 gefassten Beschlüsse auf die Klagen der übrigen Kläger für nichtig. Während des Berufungsverfahrens wurde der Übertragungsbeschluss aufgrund der gerichtlichen Feststellung, dass die Erhebung der Klagen der Eintragung nicht entgegensteht, im Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht. Die einzige verbliebene Aktionärin bestätigte daraufhin die Beschlüsse, die die Hauptversammlung gefasst hatte. Nach der Bestätigung nahm ein Teil der Kläger mit Zustimmung der Beklagten ihre Klagen zurück. In der mündlichen Verhandlung vor dem OLG erklärte ein Großteil der Kläger hilfsweise die Hauptsache für erledigt.

Das OLG wies die Berufungen einiger Kläger zurück, änderte auf die Berufung der Beklagten unter Zurückweisung ihrer weitergehenden Berufung das Urteil des LG ab, stellte auf den Hilfsantrag eines Großteils der Kläger fest, dass die Klagen in der Hauptsache erledigt sind, und wies deren Klagen im Übrigen und die Klagen der übrigen Kläger ab. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil im Kostenpunkt und insoweit auf, als die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und auf den Hilfsantrag der Kläger die Erledigung der Hauptsache festgestellt worden ist, und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Soweit auf den Hilfsantrag der Kläger festgestellt worden ist, dass ihre Klagen in der Hauptsache erledigt sind, hält das Berufungsurteil den Angriffen der Revision der Beklagten nicht stand. Entgegen der Auffassung des OLG sind die Anträge der Kläger, die Erledigung der Hauptsache festzustellen, unzulässig, weil sie hilfsweise gestellt sind und in erster Linie weiterhin beantragt wurde, die Hauptversammlungsbeschlüsse für nichtig zu erklären.

Die hilfsweise Erledigungserklärung im Anfechtungsprozess ist unzulässig. Für den Feststellungsantrag, der in einer einseitigen hilfsweisen Erledigungserklärung enthalten ist, fehlt das erforderliche rechtliche Interesse (§ 256 Abs. 1 ZPO), das regelmäßig in einer günstigen Kostenfolge liegt. Auch eine günstige Kostenfolge nach § 91a Abs. 1 ZPO ist mit einem entsprechenden Hilfsantrag regelmäßig nicht zu erreichen, weil im Rahmen der Kostenentscheidung stets zu berücksichtigen ist, dass die Klage mit dem Hauptantrag abgewiesen worden ist. Unzutreffend meint das OLG, ein solches Feststellungsinteresse ergebe sich aus einer Besonderheit der Klage gegen Hauptversammlungsbeschlüsse, bei der die Bestätigungsbeschlüsse nur die Anfechtbarkeit, nicht aber die Nichtigkeit beseitigen. Die einseitige Erledigungserklärung dient nicht dazu, dem Kläger zu Lasten des Prozessgegners das Prozessrisiko für die Einschätzung abzunehmen, ob ein erledigendes Ereignis eingetreten ist, d.h. ob hier nicht behebbare Nichtigkeitsgründe vorliegen.

Die hilfsweise Erledigungserklärung der Kläger ist nicht dahin auszulegen, dass die Feststellung begehrt wird, das mit dem Hauptantrag verfolgte Klageziel habe sich erledigt. Eine Erledigungserklärung kann in diesem Sinn ausgelegt werden, wenn über das Kosteninteresse hinaus ausnahmsweise ein rechtliches Interesse an der Feststellung vorhanden ist, dass der Klageanspruch - hier die Nichtigerklärung der angefochtenen Beschlüsse - bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses bestand, aber nicht mehr für die Zukunft geltend gemacht werden kann. Für eine solche "Erledigungserklärung" fehlt im aktienrechtlichen Anfechtungsprozess das Bedürfnis. § 244 S. 2 AktG lässt eine zeitlich beschränkte Nichtigerklärung zu und trägt einem ggf. bestehenden rechtlichen Interesse an der Feststellung Rechnung, dass die Anfechtungsklage bis zur Bestätigung begründet war.

Eine Umdeutung des unzulässigen Hilfsantrags auf Feststellung der Erledigung in einen Antrag nach § 244 S. 2 AktG scheidet aus. Eine solche Umdeutung kommt in entsprechender Anwendung von § 140 BGB nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen der umgedeuteten Prozesshandlung eingehalten sind, die Umdeutung dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegensteht. Die Voraussetzungen eines Antrags nach § 244 S. 2 AktG fehlen, weil ein rechtliches Interesse der Kläger an der zeitlich beschränkten Nichtigerklärung nicht dargelegt und vom OLG nicht festgestellt ist. Das Interesse an einer günstigen Kostenentscheidung genügt nicht, da sie mit der unbedingten Erledigungserklärung in der Hauptsache erreicht werden kann.

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