30.03.2011

Keine immaterielle Geldentschädigung für Journalist wegen "Kassierens" einer nur in Details falschen Gegendarstellung

Erwirkt eine in einem Presseartikel zu Unrecht einer Gewalttat beschuldigte Person eine auf einer Versicherung an Eides statt basierende Gegendarstellung, die in einem unwesentlichen Punkt unwahr ist, so führt dies nicht automatisch zu einem Anspruch auf immaterielle Geldentschädigung für den Journalist. Es erscheint fernliegend, dass ein Journalist der "Yellow Press" nachhaltigen Schaden an seinem beruflichen Renommee davonträgt, bloß weil er sich eine Gegendarstellung "eingefangen" hat.

OLG Karlsruhe 11.3.2011, 14 U 129/09
Der Sachverhalt:
Die Klägerinnen A und B begehren vom Beklagten X, einem bekannten Fernsehmoderator, eine immaterielle Geldentschädigung von mindestens 20.000 € bzw. 15.000 €, weil er durch die Abgabe von falschen eidesstattlichen Versicherungen eine Gegendarstellung gegen einen von A verfassten Artikel erwirkt habe. A ist freie Journalistin und Verfasserin des Artikels "X hätte mich fast erwürgt", der in der Illustrierten "neue woche" erschienen ist, unter folgendem Hinweis auf der Titelseite: "Exklusiv: X Geliebte zeigt ihn nach Gewalttat an". Die Information zu diesem Artikel erhielt A von B, die auf der Titelseite neben X abgebildet ist.

X erwirkte im Wege der einstweiligen Verfügung eine auf der Titelseite der "neuen woche" zu veröffentlichende Gegendarstellung mit dem Wortlaut "Hierzu stelle ich fest: Weder war die abgebildete Frau meine Geliebte, noch habe ich gegenüber dieser Frau eine Gewalttat verübt." Dagegen wendete sich die Verlegerin der "neuen woche"; die von X geforderte Gegendarstellung sei wegen offensichtlicher Unwahrheit und weil sie irreführend sei unzulässig. Das OLG verurteilte die Verlegerin unter Berücksichtigung der vorgelegten Versicherungen an Eides statt, auch solcher des X, zum Abdruck der Gegendarstellung.

Im vorliegenden Rechtsstreit ist unstreitig geworden, dass X die B nicht gewürgt hat; dass B seine Geliebte gewesen sei, behaupten die Klägerinnen nach wie vor. Der Beklagte habe durch die Abgabe von falschen Versicherungen an Eides statt im Ausgangsverfahren, nämlich durch seine Leugnung intimer Beziehungen zur Klägerin B nicht nur Straftatbestände tangiert, sondern sich auch des Prozessbetruges schuldig gemacht. A sei durch die falsche Gegendarstellung in doppelter Hinsicht geschädigt. Ihre Berichterstattung sei als unrichtig denunziert und sie in einer breiten Leseöffentlichkeit bloß gestellt worden; dies sei geeignet, sie gewissermaßen wirtschaftlich zu vernichten. Ihr Ruf als Journalistin habe nachhaltig Schaden genommen.

Das LG wies die Klagen ab. Die Berufung der Klägerinnen blieb vor dem OLG ohne Erfolg. Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf eine immaterielle Geldentschädigung gegen den Beklagten.

Dem Opfer einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts steht zum Ausgleich immaterieller Schäden ein Anspruch auf Geldentschädigung dann zu, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann. Von einer schweren Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Klägerinnen kann hier allerdings nicht annähernd die Rede sein. Der Streitfall ist dadurch geprägt, dass B den X fälschlich einer Gewalttat zu ihrem Nachteil ("Würgen") bezichtigt hat und dass A diese Geschichte einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht und X gewissermaßen an den Pranger gestellt hat. Dieser unstreitige Sachverhalt beinhaltet in der Tat eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts, aber eine solche des X, nicht eine der Klägerinnen.

Hieran ändert sich auch dann nichts, wenn man unterstellen wollte, B sei tatsächlich "Geliebte" des X gewesen und dessen in Sachen "Gewalttat" unstreitig richtige Versicherung an Eides statt sei in dem Punkt "Geliebte" falsch gewesen. Diese unterstellte Lüge wäre zwar wegen ihrer Einkleidung in eine Versicherung an Eides statt rechtlich durchaus bedenklich, menschlich aber bis zu einem gewissen Punkt verständlich als Reaktion auf die üble Nachrede seitens einer Person, die dem "Geschädigten" irgendwie etwas näher gestanden haben wird als andere Zeitgenossen. In jedem Fall ist das Abstreiten besonderer Beziehungen in gewisser Hinsicht auch durch die falsche Bezichtigung herausgefordert.

Auch bei A kann von einer schweren Verletzung des Persönlichkeitsrechts keine Rede sein. Allen im Medienrecht Tätigen ist geläufig, dass im Gegendarstellungsrecht grundsätzlich weder bei der Erstmitteilung noch bei der Entgegnung eine Prüfung des Wahrheitsgehalts stattfindet. Von daher ist es fernliegend, dass eine Journalistin der "Yellow Press" nachhaltigen Schaden an ihrem beruflichen Renommee davontragen soll, bloß weil sie sich eine Gegendarstellung "eingefangen" hat. Sollte A aber tatsächlich Schaden erlitten haben, so läge dies daran, dass A blauäugig oder voreilig einer dreisten Lügengeschichte aufgesessen ist und diese dann ohne die gebotene Vorsicht weiterverbreitet hat. Dafür aber trägt nicht X die Verantwortung, sondern neben A vor allem ihre Informantin und Streitgenossin B.

OLG Karlsruhe, PM vom 16.3.2011
Zurück