29.06.2017

Keine rückwirkende Erteilung der Restschuldbefreiung

Die Restschuldbefreiung kann nicht rückwirkend erteilt werden. Die Laufzeit der Abtretungserklärung endet in vor dem 1.12.2001 eröffneten Insolvenzverfahren spätestens zwölf Jahre nach Insolvenzeröffnung.

BGH 1.6.2017, IX ZB 87/16
Der Sachverhalt:
Das AG - Insolvenzgericht - eröffnete auf Antrag des schon vor dem 1.1.1997 zahlungsunfähigen Schuldners am 22.3.2000 das Insolvenzverfahren über dessen Vermögen. Mit Beschluss vom 10.12.2009 stellte es fest, dass der Schuldner Restschuldbefreiung erlange, wenn er für die Zeit von fünf Jahren ab Aufhebung des Insolvenzverfahrens seinen im Einzelnen bezeichneten Obliegenheiten nachkomme, und bestellte den weiteren Beteiligten zum Treuhänder. Am 6.7.2010 hob es das Insolvenzverfahren auf und stellte den Eintritt der Wirkungen aus dem Beschluss vom 10.12.2009 fest.

Der Schuldner beantragte Schriftsatz vom 18.12.2012 die vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung und die Verkürzung der Wohlverhaltensperiode. Das AG erteilte dem Schuldner am 9.6.2015 Restschuldbefreiung und stellte fest, dass mit Rechtskraft des Beschlusses der Beschlag für die pfändbaren Bezüge des Schuldners aus einem Dienstverhältnis oder einem nach § 287 Abs. 2 InsO gleichgestellten Einkommen entfalle. Die sofortige Beschwerde des Schuldners, mit der er Restschuldbefreiung und Aufhebung des Beschlags für den pfändbaren Teil seiner Bezüge rückwirkend zum 18.12.2012 beantragt hat, hatte vor dem LG keinen Erfolg.

Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners hob der BGH den Beschluss des LG auf, änderte den Beschluss des AG ab und fasste ihn insoweit neu, als dass dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt wird, diese gegen alle Insolvenzgläubiger wirkt und als dass dies auch für Gläubiger gilt, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben. Die Laufzeit der Abtretungserklärung endet am 18.12.2012. Im Übrigen wurde der Antrag des Schuldners abgelehnt.

Die Gründe:
Dem Antrag des Schuldners, ihm bereits zum 18.12.2012 die Restschuldbefreiung zu erteilen, kann nicht entsprochen werden. Mit Recht hat das LG es abgelehnt, die Restschuldbefreiung rückwirkend zu dem Zeitpunkt zu erteilen, zu dem der Schuldner den Antrag auf vorzeitige Entscheidung gestellt hat.

Das AG hat erst mehr als zweieinhalb Jahre nach dem Antrag des Schuldners auf vorzeitige Restschuldbefreiung und fast zwei Jahre nach Veröffentlichung der Entscheidung des Senats vom 18.7.2013 (IX ZB 11/13) über den Antrag entschieden. Gleichwohl war es ihm verwehrt, die Restschuldbefreiung mit einer Rückwirkung zu versehen. Die Erteilung der Restschuldbefreiung erfolgt vielmehr durch konstitutiven, rechtsgestaltenden Beschluss des Insolvenzgerichts. Dieser Beschluss stellt nicht eine - etwa mit Fristablauf - schon bestehende Rechtslage deklaratorisch fest. Vielmehr tritt die Änderung der Rechtslage erst mit der positiven Entscheidung über die Restschuldbefreiung ein. Der Beschluss löst mit seiner Rechtskraft und mit Wirkung für die Zukunft die Rechtsfolgen des § 301 InsO für die nach § 286 InsO von der Restschuldbefreiung erfassten Verbindlichkeiten aus.

Doch endete die Laufzeit der Abtretungserklärung und damit auch die Berechtigung des Treuhänders an den pfändbaren Forderungen des Schuldners auf Bezüge i.S.v. § 287 Abs. 2 InsO entgegen der Annahme des LG ohne weitere Voraussetzungen mit Ablauf der zwölf Jahre ab Insolvenzeröffnung am 6.7.2012, wobei vorliegend der Schuldner das Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung - nach seinem Antrag - erst zum 18.12.2012 festgestellt wissen will. Nach der Entscheidung des Senats vom 18.7.2013 (s.o.) ist einem Schuldner in einem Altverfahren bereits vor Ablauf der gesetzlichen Laufzeit der Abtretungserklärung die Restschuldbefreiung zu erteilen, wenn seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwölf Jahre vergangen sind und die Restschuldbefreiung nicht auf Antrag eines Gläubigers zu versagen ist.

Daher muss in den vor dem 1.12.2001 eröffneten Insolvenzverfahren, wenn die Erteilung der Restschuldbefreiung rechtskräftig wird, der Schuldner die uneingeschränkte Berechtigung am pfändbaren Teil seiner künftigen Forderungen auf Bezüge ab dem Ablauf von zwölf Jahren nach Verfahrenseröffnung zurückerlangen. Ist das Insolvenzverfahren, wie in dem mit Beschluss vom 18.7.2013 entschiedenen Fall, noch nicht aufgehoben, werden die Forderungen zu diesem Zeitpunkt vom Insolvenzbeschlag frei. Befindet sich der Schuldner, wie im vorliegenden Fall, in der Wohlverhaltensperiode, endet die Laufzeit der Abtretungserklärung vorzeitig mit der Folge, dass die Forderungen dem Schuldner zustehen. Eine damit übereinstimmende Wertung lag bereits dem Senatsbeschluss vom 3.12.2009 (IX ZB 247/08) zugrunde. Nach dieser Rechtsprechung ist in den seit dem 1.12.2001 eröffneten Insolvenzverfahren bereits vor der Aufhebung des Verfahrens über einen Antrag auf Restschuldbefreiung zu entscheiden, wenn die Laufzeit der Abtretungserklärung von sechs Jahren ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verstrichen ist.

Wird in einem solchen Fall die Restschuldbefreiung erteilt, entfällt der Insolvenzbeschlag hinsichtlich des Neuerwerbs ab dem Ablauf der Abtretungsfrist und nicht erst ab der Rechtskraft der Restschuldbefreiung. Neuerwerb, welcher der Abtretungserklärung unterfallen würde, gebührt nach Ablauf von sechs Jahren ab Verfahrenseröffnung dem Schuldner. Lediglich zur Sicherung der möglichen Masse für den Fall einer Versagung der Restschuldbefreiung hat der Insolvenzverwalter den pfändbaren Neuerwerb bis zur Rechtskraft der Restschuldbefreiung einzuziehen. Wird Restschuldbefreiung erteilt, hat er den eingezogenen, nach Ende der Abtretungsfrist erzielten Neuerwerb an den Schuldner auszukehren. Entsprechendes hat zu gelten, wenn wie hier in einem Altfall vorzeitig Restschuldbefreiung erteilt wird, weil seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwölf Jahre vergangen sind.

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