KI-gestützter Wirtschaftsinformationsdienst haftet als Störer auf Unterlassung falscher Unternehmensangaben
LG Kiel v. 29.2.2024 - 6 O 151/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin begehrt Unterlassung und Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten von der Beklagten. Die Klägerin ist ein mittelständisches Familienunternehmen, welches vor allem Wintergärten und Terrassendächer baut und vertreibt. Sie ist vorsteuerabzugsberechtigt.
Die Beklagte betreibt unter der Internetadresse XXX ein Portal, über das Wirtschaftsinformationen deutscher Firmen abrufbar sind. In einem vollautomatisierten Prozess analysiert sie Pflichtveröffentlichungen aus dem Bundesanzeiger, Handelsregister und Insolvenzregister, um die Daten zu vernetzen, übersichtlich darzustellen und interaktiv zu visualisieren. Dafür verwendet die Beklagte eine Software. Durch Eingabe von Suchbegriffen werden dem Nutzer der Plattform die aus den öffentlichen Registern verfügbaren Informationen unter Verwendung eines von der Beklagten definierten Musters angezeigt.
Im Juli 2023 teilte die Klägerin der Beklagten mit, auf der Internetseite XXX sei fälschlicherweise über die Klägerin aufgeführt:
"Es ist die Löschung der nachstehenden Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 394 FamFG beabsichtigt..."
Die Fehlersuche der Beklagten ergab, dass die Publikation eigentlich zur XXX, AG XXX HRB XXX gehört und ein Zuordnungsfehler in der Verarbeitungskette vorlag. Die Beklagte löschte die Mitteilung unverzüglich und verhinderte eine weitere Verbreitung der unrichtigen Information durch eine Sperrung. Eine Unterlassungserklärung unterzeichnete die Beklagte nicht.
Die Klägerin behauptet, dass die Meldung falsch gewesen sei. Es habe zu keinem Zeitpunkt eine beabsichtigte Löschung nach § 394 FamFG gegeben. Sie beantragt, die Beklagte auf Unterlassung der getroffenen Aussage zu verurteilen.
Das LG gab der Klage überwiegend statt.
Die Gründe:
Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch aus §§ 1004 Abs. 1 S.2 analog, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG zu, dass die Beklagte es unterlässt zu behaupten, dass die Klägerin wegen Vermögenslosigkeit nach § 394 FamFG gelöscht wird.
Die Klägerin ist in den äußerungsrechtlichen Schutzgehalten ihres Unternehmenspersönlichkeitsrechts betroffen. Die Klägerin wird durch die Äußerung der Beklagten in ihrem sozialen Geltungsanspruch berührt, weil sich daraus ergibt, dass die Klägerin wegen Vermögenslosigkeit nach § 394 FamFG gelöscht würde, was sich abträglich auf ihr Ansehen in der Öffentlichkeit und ihre Kreditwürdigkeit auswirkt.
Dieser Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin ist auch rechtswidrig gewesen. Der Gewerbetreibende muss nicht hinnehmen, dass seine wirtschaftliche Stellung durch falsche Tatsachenbehauptungen geschwächt wird. Dies gilt insbesondere für die streitgegenständliche Äußerung, weil die falsche Meldung, dass die Klägerin wegen Vermögenslosigkeit nach § 394 FamFG gelöscht würde, jemanden ernstlich davon abhalten kann, mit der Klägerin in geschäftlichen Kontakt zu treten.
Die Beklagte ist unmittelbare Störerin im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB, weil sie sich willentlich zur Beantwortung von Suchanfragen einer eigenen Software bedient, die Informationen aus den veröffentlichten Pflichtmitteilungen extrahiert und aufbereitet veröffentlicht. Die Beklagte kann sich nicht darauf zurückziehen, sie sei an diesem automatischen Vorgang nicht beteiligt gewesen, weil sie sich bewusst zur Beantwortung von Suchanfragen ihrer Nutzer einer künstlichen Intelligenz bedient hat, die in Fällen wie diesem unzulänglich programmiert war, weil sie nicht erkannt hat, dass vorliegend die XXX, AG XXX HRB XXX, gemeint war und ein Zuordnungsfehler vorlag. Zum anderen haftet der Betreiber eines Portals auch dann als unmittelbarer Störer für die von einem Dritten eingestellten Inhalte, wenn er sich diese aus Sicht eines verständigen Durchschnittsnutzers auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände zu eigen gemacht und dafür nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung übernommen hat. Dies schafft die Beklagte dadurch, dass sie die Pflichtveröffentlichungen zu einem Unternehmen bei sich auf der Seite bündelt und die Informationen teilweise untereinander verknüpft.
Eine Wiederholungsgefahr liegt vor. Die aus der rechtswidrigen Beeinträchtigung folgende Vermutung konnte die Beklagte nicht entkräften. Ihr Verweis, dass sie lediglich fremde Daten aus Pflichtveröffentlichungen ohne Prüfung veröffentliche, bekräftigt sogar die Wiederholungsgefahr. Denn die Pflichtinformationen sind nach Aussage der Beklagten, die sich auf das elektronische Handelsregister bezieht, unzuverlässig, sodass es "zu falschen Anzeigen kommt". Insofern kann nicht ausgeschlossen werden, dass der gleiche Fehler erneut auftritt.
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Justiz Schleswig-Holstein online
Die Klägerin begehrt Unterlassung und Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten von der Beklagten. Die Klägerin ist ein mittelständisches Familienunternehmen, welches vor allem Wintergärten und Terrassendächer baut und vertreibt. Sie ist vorsteuerabzugsberechtigt.
Die Beklagte betreibt unter der Internetadresse XXX ein Portal, über das Wirtschaftsinformationen deutscher Firmen abrufbar sind. In einem vollautomatisierten Prozess analysiert sie Pflichtveröffentlichungen aus dem Bundesanzeiger, Handelsregister und Insolvenzregister, um die Daten zu vernetzen, übersichtlich darzustellen und interaktiv zu visualisieren. Dafür verwendet die Beklagte eine Software. Durch Eingabe von Suchbegriffen werden dem Nutzer der Plattform die aus den öffentlichen Registern verfügbaren Informationen unter Verwendung eines von der Beklagten definierten Musters angezeigt.
Im Juli 2023 teilte die Klägerin der Beklagten mit, auf der Internetseite XXX sei fälschlicherweise über die Klägerin aufgeführt:
"Es ist die Löschung der nachstehenden Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 394 FamFG beabsichtigt..."
Die Fehlersuche der Beklagten ergab, dass die Publikation eigentlich zur XXX, AG XXX HRB XXX gehört und ein Zuordnungsfehler in der Verarbeitungskette vorlag. Die Beklagte löschte die Mitteilung unverzüglich und verhinderte eine weitere Verbreitung der unrichtigen Information durch eine Sperrung. Eine Unterlassungserklärung unterzeichnete die Beklagte nicht.
Die Klägerin behauptet, dass die Meldung falsch gewesen sei. Es habe zu keinem Zeitpunkt eine beabsichtigte Löschung nach § 394 FamFG gegeben. Sie beantragt, die Beklagte auf Unterlassung der getroffenen Aussage zu verurteilen.
Das LG gab der Klage überwiegend statt.
Die Gründe:
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Die Klägerin ist in den äußerungsrechtlichen Schutzgehalten ihres Unternehmenspersönlichkeitsrechts betroffen. Die Klägerin wird durch die Äußerung der Beklagten in ihrem sozialen Geltungsanspruch berührt, weil sich daraus ergibt, dass die Klägerin wegen Vermögenslosigkeit nach § 394 FamFG gelöscht würde, was sich abträglich auf ihr Ansehen in der Öffentlichkeit und ihre Kreditwürdigkeit auswirkt.
Dieser Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin ist auch rechtswidrig gewesen. Der Gewerbetreibende muss nicht hinnehmen, dass seine wirtschaftliche Stellung durch falsche Tatsachenbehauptungen geschwächt wird. Dies gilt insbesondere für die streitgegenständliche Äußerung, weil die falsche Meldung, dass die Klägerin wegen Vermögenslosigkeit nach § 394 FamFG gelöscht würde, jemanden ernstlich davon abhalten kann, mit der Klägerin in geschäftlichen Kontakt zu treten.
Die Beklagte ist unmittelbare Störerin im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB, weil sie sich willentlich zur Beantwortung von Suchanfragen einer eigenen Software bedient, die Informationen aus den veröffentlichten Pflichtmitteilungen extrahiert und aufbereitet veröffentlicht. Die Beklagte kann sich nicht darauf zurückziehen, sie sei an diesem automatischen Vorgang nicht beteiligt gewesen, weil sie sich bewusst zur Beantwortung von Suchanfragen ihrer Nutzer einer künstlichen Intelligenz bedient hat, die in Fällen wie diesem unzulänglich programmiert war, weil sie nicht erkannt hat, dass vorliegend die XXX, AG XXX HRB XXX, gemeint war und ein Zuordnungsfehler vorlag. Zum anderen haftet der Betreiber eines Portals auch dann als unmittelbarer Störer für die von einem Dritten eingestellten Inhalte, wenn er sich diese aus Sicht eines verständigen Durchschnittsnutzers auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände zu eigen gemacht und dafür nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung übernommen hat. Dies schafft die Beklagte dadurch, dass sie die Pflichtveröffentlichungen zu einem Unternehmen bei sich auf der Seite bündelt und die Informationen teilweise untereinander verknüpft.
Eine Wiederholungsgefahr liegt vor. Die aus der rechtswidrigen Beeinträchtigung folgende Vermutung konnte die Beklagte nicht entkräften. Ihr Verweis, dass sie lediglich fremde Daten aus Pflichtveröffentlichungen ohne Prüfung veröffentliche, bekräftigt sogar die Wiederholungsgefahr. Denn die Pflichtinformationen sind nach Aussage der Beklagten, die sich auf das elektronische Handelsregister bezieht, unzuverlässig, sodass es "zu falschen Anzeigen kommt". Insofern kann nicht ausgeschlossen werden, dass der gleiche Fehler erneut auftritt.
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