Kindesunterhalt: Zum Eintritt des volljährigen Kindes als Antragsteller in das Verfahren im Wege des gewillkürten Beteiligtenwechsels
BGH 19.6.2013, XII ZB 39/11Die Beteiligten streiten um Kindesunterhalt für die Zeit ab November 2009. Die Mutter der Antragstellerin und ursprüngliche Antragstellerin ist die geschiedene Ehefrau des Antragsgegners. Die im September 1994 geborene Antragstellerin ist deren aus der Ehe hervorgegangene Tochter.
Der 1953 geborene Antragsgegner ist gelernter Maler und Lackierer. Er war als solcher aber nie berufstätig, sondern übte Tätigkeiten auf verschiedenen anderen Berufsfeldern aus (u.a. als Zeitsoldat, Verkäufer, im Versicherungsaußendienst und bis 2002 als selbständiger Versicherungsvertreter, später projektweise als Mitarbeiter bei einem Jobcenter). Spätestens seit November 2009 ist er arbeitslos und bezieht Leistungen nach dem SGB II.
Die Parteien streiten darüber, ob dem Antragsgegner wegen Verstoßes gegen seine Erwerbsobliegenheit ein fiktives Einkommen zuzurechnen ist oder ob er für den Unterhalt deswegen hinreichend leistungsfähig ist, weil er die geforderten Beträge bei Titulierung des Unterhalts im Rahmen einer Nebentätigkeit auf die Grundsicherung für Arbeitsuchende anrechnungsfrei hinzuverdienen könne.
Das AG gab der Klage statt und verpflichtete den Antragsgegner antragsgemäß zum Unterhalt. Das OLG wies die Klage ab. Hiergegen legte die ursprüngliche Antragstellerin Rechtsbeschwerde ein. Die während des Rechtsbeschwerdeverfahrens volljährig gewordene Antragstellerin trat anstelle ihrer Mutter in das Verfahren ein. Sie verfolgt das Unterhaltsbegehren weiter. Die Rechtsbeschwerde hatte vor dem BGH keinen Erfolg
Die Gründe:
Der Antrag ist zulässig. Die Antragstellerin ist in wirksamer Weise anstelle ihrer Mutter in das Verfahren eingetreten. Die auf Seiten der ursprünglichen Antragstellerin bestehende Verfahrensstandschaft nach § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB bestand zwar über die Scheidung hinaus zunächst noch fort. Sie ist aber mit Eintritt der Volljährigkeit der Antragstellerin entfallen, was auch wegen des Unterhalts für die Vergangenheit gilt. Indessen ist die Antragstellerin in zulässiger Weise anstelle ihrer Mutter in das Verfahren eingetreten.
Wie dem Wegfall der Verfahrensstandschaft bei Eintritt der Volljährigkeit des Kindes im Verfahren Rechnung zu tragen ist, ist umstritten. Nach der früheren Rechtsprechung des Senats trat ein Parteiwechsel kraft Gesetzes ein, durch den das unterhaltsberechtigte Kind ohne weitere prozessuale Erklärungen an die Stelle des Elternteils treten sollte. Dagegen ist der Senat in einer neueren Entscheidung bei Einlegung der Revision durch das volljährig gewordene Kind davon ausgegangen, dass das Kind ein Recht hat, in den Prozess einzutreten, welches durch Erklärung geltend zu machen ist. Diese Ansicht wird auch im Schrifttum geteilt. Der Senat hält an der früheren Rechtsprechung nicht fest. Aus Sinn und Zweck der gesetzlichen Prozess- bzw. Verfahrensstandschaft nach § 1629 Abs. 3 BGB folgt vielmehr, dass es der freien Entscheidung des volljährig gewordenen Kindes überlassen bleiben muss, ob es sich am Verfahren beteiligt und dieses fortsetzt.
Dass das Kind einerseits die Möglichkeit hat, dem Verfahren beizutreten, es andererseits hierzu aber auch nicht gezwungen werden darf, lässt sich nur durch einen gewillkürten Kläger- bzw. Antragstellerwechsel sicherstellen. Vorliegend hat die Antragstellerin mit Zustimmung ihrer Mutter den Eintritt in das Verfahren erklärt. Da der Beteiligtenwechsel allein im Wegfall der Verfahrensführungsbefugnis begründet liegt und nicht mit einer Änderung des Streitstoffs verbunden ist, bedurfte es keiner Zustimmung des Antragsgegners. Im Gegensatz zum Parteiwechsel bei Einzelrechtsnachfolge ist der Beteiligtenwechsel nicht wie gem. §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 265 Abs. 2 S. 2 ZPO kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung an die Zustimmung des Verfahrensgegners gebunden. Der Beteiligtenwechsel ist dementsprechend auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz zulässig.
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die vom OLG getroffene Feststellung, dass der Antragsgegner kein Einkommen erzielen kann, das ihm die Zahlung von Kindesunterhalt ermöglicht, bewegt sich noch im Rahmen zulässiger tatrichterlicher Würdigung. Das OLG hat im Ergebnis zu Recht auch von der Zurechnung eines (fiktiven) Einkommens abgesehen, das dem Antragsgegner neben seinem Leistungsbezug gem. dem SGB II anrechnungsfrei zu belassen wäre. Zutreffend hat das OLG die Leistungsfähigkeit des Antragsgegners auch nicht aus einer möglichen Titulierung des Kindesunterhalts hergeleitet.
Nach § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 SGB II in der bis 31.3.2011 geltenden Fassung (nunmehr § 11 b Abs. 1 S. 1 Nr. 7 SGB II) sind vom Einkommen eines Antragstellers der Grundsicherung für Arbeitsuchende Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag abzusetzen. Daraus ist von Teilen der obergerichtlichen Rechtsprechung die Folgerung gezogen worden, dass den Unterhaltspflichtigen, der leistungsberechtigt für die Grundsicherung für Arbeitsuchende ist, die unterhaltsrechtliche Obliegenheit treffe, eine Nebentätigkeit auszuüben und zugleich einen Titel errichten zu lassen, damit ihm das diesbezügliche Einkommen zur Unterhaltszahlung verbleibe. Dem folgt der Senat nicht. Vielmehr kann durch die Titulierung des Unterhalts und den dadurch ermöglichten Abzug nach § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 SGB II aF die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit nicht erhöht werden.
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