09.07.2024

Klage gegen Meta-Konzern auf Vergütung von Datentransportleistungen in erster Instanz erfolgreich

Das LG Köln hat der Klage einer Tochter der Deutschen Telekom AG gegen eine Tochter des Meta-Konzerns auf Vergütung von Datentransportleistungen stattgegeben. Die Klage auf Zahlung offener Vergütung iHv 20 Mio € für die Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Zurverfügungstellung von Netzwerkstrukturen für den Datenverkehr der Beklagten war damit erfolgreich. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

LG Köln v. 14.5.2024 - 33 O 178/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin verlangt offene Vergütung für die Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Zurverfügungstellung von Netzwerkstrukturen für den Datenverkehr der Beklagten. Die Parteien streiten dabei insbesondere über das Zustandekommen eines Vertragsverhältnisses über die Erbringung von Datentransportleistungen (IP-Transit und/oder Peering) durch die Klägerin, einer 100 %-igen Tochtergesellschaft der Deutsche Telekom AG gegenüber der Beklagten, einer 100 %-igen Tochtergesellschaft der Meta Platforms, Inc.

Hintergrund ist dabei, dass die Beklagte seit dem Jahr 2010 bestehende vertragliche Beziehungen zwischen den Parteien bzw. Gesellschaften innerhalb der jeweiligen Konzernverbünde im Jahre 2020 gekündigt hatte. Auf Grundlage dieser Vereinbarungen hatte die Klägerin zur Einspeisung und Ausspielung des Datenverkehrs des hinter der Beklagten stehenden Konzerns in das Netz der Klägerin insgesamt über 20 sog. Private Interconnects mit einer Vielzahl von Ports zur ausschließlichen Nutzung durch den Konzern auf der Beklagtenseite eingerichtet und betrieben. Die Beklagte sendete darüber nahezu den gesamten für Kunden der Telekom vorgesehenen Datenverkehr ihrer großen sozialen Mediendienste aus ihrem Netz direkt in das Netz der Klägerin, die sodann diesen Datenverkehr an die Nutzer des sozialen Mediendienstes in ihren Anschlussnetzen weitergab. Nachdem die Beklagte die bestehende Vertragsbeziehung mit der Klägerin wegen Stillstands der Verhandlungen über eine Preisreduzierung gekündigt hatte, hatte die Klägerin die Kündigung bestätigt, gleichzeitig aber klargestellt, dass sie ihre IP-Transit-Leistungen für die Beklagte weiterhin ausschließlich entgeltlich erbringen werde. Die Beklagte hatte demgegenüber erklärt, die bisher entgeltlich genutzten Private Interconnects der Klägerin fortan unentgeltlich unter der Industrienorm eines "settlementfree peering" in Anspruch nehmen zu wollen. Im weiteren Verlauf sendete die Beklagte trotz der Kündigung weiter uneingeschränkt Daten über die Private Interconnects der Klägerin und routet ihren Datenverkehr darüber in das Netz der Klägerin. Die seitens der Klägerin auf der Grundlage der zuletzt getroffenen vertraglichen Vereinbarungen erstellten monatlichen Rechnungen für diese Nutzung, glich die Beklagte nicht aus.

Der daraufhin u.a. auf Zahlung der offenen Vergütungen in Höhe von über 20 Mio € erhobenen Klage gab das LG nun vollumfänglich statt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Die Gründe:
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung in der geltend gemachten Höhe aus §§ 611 Abs. 1, 612 BGB zu. Die Parteien haben - entgegen der Ansicht der Beklagten - einen entgeltlichen Dienstvertrag geschlossen. Ein Angebot der Klägerin liegt in Form ihres Schreibens an die Beklagte nach deren Kündigung vor. In diesem Schreiben hat sie der Beklagten in Aussicht gestellt, dass sie bereit sei, die Daten der Beklagten über ihr Netzwerk im Transit weiterzuleiten, unter dem Vorbehalt einer Vereinbarung zu wirtschaftlich vertretbaren Konditionen. Diese Ausführungen enthielten die erforderlichen Angaben zu den Vertragsparteien, der Leistung (Offenhalten der Ports und Weiterleitung der Daten über den IP-Backbone der Klägerin in derselben Weise wie dies bislang erfolgte) und die Gegenleistung ("auf der Grundlage der gleichen wirtschaftlichen Bedingungen gemäß der Vereinbarung zum Zeitpunkt der Kündigung").

Die Annahme dieses Angebotes durch die Beklagte ist dadurch erfolgt, dass die Beklagte ihre Daten von ihrem Server über ihr Netz zurück in Richtung des Endkunden gesendet hat. Diese Versendung in Richtung der Endkunden ist in Kenntnis des Vertragsangebotes der Klägerin und in dem Wissen der Zusammenschaltung der Router erfolgt. Die Klägerin hat dabei auf den Zugang der Annahmeerklärung der Beklagten gemäß § 151 BGB verzichtet. Die Beklagte hat damit unabhängig von der Bezeichnung als "Einspeisung", "Weiterleitung", "Austausch" oder eben "Senden" ihre Daten von ihrem Server über ihr Backbone zurück in Richtung des Endkunden geleitet und damit über das Netz (IP-Backbone) der Klägerin an deren Endkunden weiterleiten/übertragen lassen, sie hat das "Kabel also nicht gezogen", sondern weiter genutzt.

Dabei ist es entgegen der Auffassung der Beklagten unerheblich, ob die Zusammenschaltung aus technischer Sicht "Peering" und nicht "Transit" darstellt. Jedenfalls ist die Datenversendung in derselben Weise wie vor der Kündigung erfolgt. Die Parteien sind bis zum Auslaufen des Vertrages vertraglich im gleichen Umfang verbunden, wie dies auch nach Auslaufen dieses Vertrages in übereinstimmendem Willen der Parteien der Fall sein sollte. Die Auffassung der Beklagten, die Nutzung von Private Interconnects einer Partei erfolge einvernehmlich ohne Vertragsschluss, geht dabei fehl. Selbst bei der unentgeltlichen Nutzung liegt dem ein schuldrechtlicher, wenn auch ggf. formfreier Vertrag zu Grunde, dem neben der Nutzungsüberlassung auch für die Parteien wesentliche Informations- und weitere Nebenpflichten entwachsen.

Die Beklagte hat auf das klägerische Angebot nach der Kündigung die von der Klägerin zur Verfügung gestellten Private Interconnects weiterhin in Anspruch genommen, obwohl es ihr möglich gewesen wäre, die Verbindung über die Private Interconnects zu kappen. Dem ist ein entsprechender Erklärungswert zu entnehmen, bis zur einvernehmlichen Klärung der Entgeltfrage mit der Inanspruchnahme der Private Interconnects die klägerischen Entgelt-Bedingungen zu akzeptieren. Die Beklagte hat nach dem Kündigungszeitpunkt fortdauernd die Datenabfragen der klägerischen Kunden auf dieselbe Weise wie zuvor im Rahmen des ehemaligen Vertrages beantwortet. Anders sie dies darstellt, ist dies auch keine alleinige Folge der angekündigten, passiven Offenhaltung der Ports der Beklagten, um einen Datenaustausch mit der Klägerin zu ermöglichen. Dahinter steckt eine Entscheidung, anders als andere Dritte ..., die Daten nicht über ein Public Peering laufen zu lassen, sondern das Private Peering wie zuvor weiterlaufen zu lassen.

Aus Sicht des allgemeinen Empfängerhorizontes lässt sich das Verhalten der Beklagten auch nicht anders verstehen. Ob der Übertragung aus technischer Sicht nun Peering, Transit oder abstrakt IP-Datentransport zugrunde liegt, ist unerheblich, da die Parteien übereinstimmend das Gleiche gemeint haben. Es ist der Beklagten gerade darauf angekommen, ihren Datenverkehr über den klägerischen IP-Backbone im Wege des Private Peerings an die Nutzer ihrer Plattform in Anschluss- und Drittnetzen leiten zu können, damit ihre Social Media Dienste erbracht werden können.

Auch die Äußerung der Beklagten in der E-Mail-Korrespondenz, dass die Inanspruchnahme der Private Interconnects kostenlos erfolgen werde, steht der Annahme nicht entgegen. Bei der Auslegung ist nämlich zu berücksichtigen, dass die Beklagte ausweislich ihrer Kündigungserklärung die Kündigung mit dem Ziel einer Preisreduktion bei fortgesetzten Verhandlungen erklärt hat. Demnach ist die beklagtenseits in der E-Mail kundgegebene Auffassung, kostenlos die Private Interconnects der Klägerin nutzen zu können, nach dem objektiven Empfängerhorizont als Position der Beklagten im Rahmen von Vertragsverhandlungen zu verstehen. Da die Beklagte dem klägerischen Angebot, als eine übergangslose Verhandlungslösung nicht mehr zu erzielen war, nicht entgegengetreten ist, durfte und musste die Klägerin die Weiternutzung der Private Interconnects durch die Beklagte als Annahme ihres Angebotes verstehen.

Spätere weitere Kündigungen der Beklagten stehen dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen. Denn auch diesbezüglich gilt, dass ein Berufen hierauf treuwidrig ist. Die Beklagte kann auch im Nachgang nicht einerseits die Kündigung erklären und andererseits die Leistung weiter in Anspruch nehmen. Eine solche Kündigung steht im Widerspruch zu dem tatsächlichen Verhalten der Beklagten, welches in der Aufrechterhaltung der Zusammenschaltung der Router besteht.

Der zwischen den Parteien zustande gekommene Dienstvertrag ist auch nicht aus kartellrechtlichen Gründen nichtig und keiner Preisanpassung zu unterziehen. Der hierfür notwendige Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung der Klägerin ist nicht gegeben, da die Parteien in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis stehen und die Gegenmacht der Beklagten einem Missbrauch der Marktmacht der Klägerin vorliegend entgegensteht.

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Kurzbeitrag:
LG Köln: Verpflichtung von Meta zur Zahlung an die Deutsche Telekom
Jan Pfeiffer, CR 2024, R68

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LG Köln PM Nr. 2024-01 vom 14.5.2024
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