Kostenlose Abgabe eines Schmerzgels an Apotheker zu Demonstrationszwecken zulässig
OLG Frankfurt a.M. v. 10.2.2022 - 6 U 161/15
Der Sachverhalt:
Beide Parteien vertreiben apothekenpflichtige Arzneimittel. Das Sortiment der Beklagten umfasst ein nicht verschreibungspflichtiges Schmerzgel mit einem Apothekenabgabepreis von 9,97 €. Dieses Arzneimittel gaben Außendienstmitarbeiter der Beklagten kostenlos an Apotheken ab. Die Verkaufsverpackungen waren dabei mit der Aufschrift "Zu Demonstrationszwecken" gekennzeichnet. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassen in Anspruch. Sie sieht in dieser Abgabe einen Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz (AMG) sowie gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG).
LG und OLG gaben der Klage statt und bejahten einen Unterlassungsanspruch wegen unzulässiger Abgabe von Mustern eines Fertigarzneimittels an Apotheken i.S.d. § 47 Abs. 3 AMG. Hiergegen wandte sich die Beklagte mit ihrer Revision. Der BGH setzte das Verfahren aus und bat den EuGH um Auslegung der § 47 Abs. 3 AMG zugrundliegenden Richtlinie. Der EuGH entschied, dass die Richtlinie nicht der Abgabe von Gratismustern nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheken entgegenstehe (EuGH, Urt. v. 11.6.2020 - C-786/18). Der BGH hob daraufhin das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Das OLG wies die Unterlassungsanträge der Klägerin nunmehr im zweiten Rechtsgang zurück. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Klägerin kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision begehren.
Die Gründe:
Die Abgabe des Arzneimittels zu Demonstrationszwecken verstößt der Auslegung des EuGH zufolge nicht gegen § 47 Abs. 3 AMG. Es liegt auch kein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 S. 1 HWG vor.
Nach § 7 Abs. 1 HWG ist es unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben anzubieten oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen, es sei denn, dass es sich um Gegenstände von geringem Wert handelt, die durch eine dauerhafte und deutlich sichtbare Bezeichnung des Werbenden oder des beworbenen Produktes oder beider gekennzeichnet sind, oder um geringwertige Kleinigkeiten. Hier ist von einer Zuwendung von geringem Wert auszugehen. Die Außendienstmitarbeiter haben den Apotheken jeweils nur ein einzelnes Exemplar zu Demonstrationsprodukts überlassen. Der Einkaufswert lag bei 5,34 €. Durch den Aufdruck "zu Demonstrationszwecken" wird das Produkt nicht mit dem handelsüblichen Original gleichgesetzt. Sein Wert ist wesentlich geringer. Die überwiegend geöffnet übergebenen Packungen überschreiten jedenfalls nicht die Ein-Euro-Grenze.
Darüber hinaus bestand aber auch nicht die Gefahr der Weitergabe der Packung an Apothekenkunden und damit auch keine realistische Gefahr der unsachlichen Beeinflussung des Apothekers. Das Überlassen eines einzelnen Exemplars mit dem Aufdruck "Zu Demonstrationszwecken" diente erkennbar der Eigenerprobung des Apothekers bzw. seines Personals. Der Apotheker hat gewöhnlich kein nennenswertes Interesse, nur einem einzelnen Kunden ein Probeexemplar überlassen zu können. Eine für den Betrieb wirtschaftlich interessante Kundenbindung lässt sich so nicht aufbauen. Die Klägerin konnte nicht widerlegen, dass es allein darum ging, den Apothekern Konsistenz und Geruch des Produkts vorzuführen.
Mehr zum Thema:
OLG Frankfurt a.M. PM Nr. 20 vom 9.3.2022
Beide Parteien vertreiben apothekenpflichtige Arzneimittel. Das Sortiment der Beklagten umfasst ein nicht verschreibungspflichtiges Schmerzgel mit einem Apothekenabgabepreis von 9,97 €. Dieses Arzneimittel gaben Außendienstmitarbeiter der Beklagten kostenlos an Apotheken ab. Die Verkaufsverpackungen waren dabei mit der Aufschrift "Zu Demonstrationszwecken" gekennzeichnet. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassen in Anspruch. Sie sieht in dieser Abgabe einen Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz (AMG) sowie gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG).
LG und OLG gaben der Klage statt und bejahten einen Unterlassungsanspruch wegen unzulässiger Abgabe von Mustern eines Fertigarzneimittels an Apotheken i.S.d. § 47 Abs. 3 AMG. Hiergegen wandte sich die Beklagte mit ihrer Revision. Der BGH setzte das Verfahren aus und bat den EuGH um Auslegung der § 47 Abs. 3 AMG zugrundliegenden Richtlinie. Der EuGH entschied, dass die Richtlinie nicht der Abgabe von Gratismustern nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheken entgegenstehe (EuGH, Urt. v. 11.6.2020 - C-786/18). Der BGH hob daraufhin das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Das OLG wies die Unterlassungsanträge der Klägerin nunmehr im zweiten Rechtsgang zurück. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Klägerin kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision begehren.
Die Gründe:
Die Abgabe des Arzneimittels zu Demonstrationszwecken verstößt der Auslegung des EuGH zufolge nicht gegen § 47 Abs. 3 AMG. Es liegt auch kein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 S. 1 HWG vor.
Nach § 7 Abs. 1 HWG ist es unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben anzubieten oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen, es sei denn, dass es sich um Gegenstände von geringem Wert handelt, die durch eine dauerhafte und deutlich sichtbare Bezeichnung des Werbenden oder des beworbenen Produktes oder beider gekennzeichnet sind, oder um geringwertige Kleinigkeiten. Hier ist von einer Zuwendung von geringem Wert auszugehen. Die Außendienstmitarbeiter haben den Apotheken jeweils nur ein einzelnes Exemplar zu Demonstrationsprodukts überlassen. Der Einkaufswert lag bei 5,34 €. Durch den Aufdruck "zu Demonstrationszwecken" wird das Produkt nicht mit dem handelsüblichen Original gleichgesetzt. Sein Wert ist wesentlich geringer. Die überwiegend geöffnet übergebenen Packungen überschreiten jedenfalls nicht die Ein-Euro-Grenze.
Darüber hinaus bestand aber auch nicht die Gefahr der Weitergabe der Packung an Apothekenkunden und damit auch keine realistische Gefahr der unsachlichen Beeinflussung des Apothekers. Das Überlassen eines einzelnen Exemplars mit dem Aufdruck "Zu Demonstrationszwecken" diente erkennbar der Eigenerprobung des Apothekers bzw. seines Personals. Der Apotheker hat gewöhnlich kein nennenswertes Interesse, nur einem einzelnen Kunden ein Probeexemplar überlassen zu können. Eine für den Betrieb wirtschaftlich interessante Kundenbindung lässt sich so nicht aufbauen. Die Klägerin konnte nicht widerlegen, dass es allein darum ging, den Apothekern Konsistenz und Geruch des Produkts vorzuführen.
- Rechtsprechung: Urteil, BGH vom 17.12.2020 - I ZR 235/16
- Kurzbeitrag: Herrmann - EuGH zur Abgabe von Arzneimitteln an Apotheker (IPRB 2021, 149)
- Jetzt weiterlesen im Beratermodul IPRB - Recht des geistigen Eigentums und der Medien - hier geht"s zum kostenlosen Datenbanktest.