Krankentagegeldversicherung: Herabsetzung des Tagessatzes wegen verringerten Nettoeinkommens nach Klauselersetzung
BGH v. 12.3.2025 - IV ZR 32/24
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte bei dem beklagten Versicherer eine Krankentagegeldversicherung abgeschlossen. Dem Vertrag lagen Allgemeine Versicherungsbedingungen zugrunde, die in § 4 Abs. 4 eine Bestimmung enthielten, die § 4 Abs. 4 der damaligen Musterbedingungen des Verbandes der Privaten Krankenversicherung (PKV) entsprach und welche die Beklagte bei gesunkenem Nettoeinkommen des Klägers zur Herabsetzung des Krankentagegeldsatzes berechtigte. Eine solche Klausel hat der Senat mit Urteil vom 6.7.2016 (IV ZR 44/15, BGHZ 211, 51) wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB für unwirksam erklärt.
Im Jahr 2018 hatte die Beklagte dem Kläger geänderte Allgemeine Versicherungsbedingungen übersandt, in denen die Möglichkeit der Herabsetzung des Tagessatzes bei gesunkenem Nettoeinkommen des Versicherungsnehmers neu geregelt wurde. Der Kläger hielt die Neuregelung jedoch für unwirksam. Er begehrte gerichtlich die Feststellung, dass seine Krankentagegeldversicherung mit dem ursprünglich vereinbarten Tagessatz fortbestehe und die Beklagte nicht berechtigt sei, das Krankentagegeld einseitig herabzusetzen. Ferner verlangte er von der Beklagten die Zahlung eines sich aus der Herabsetzung ergebenden Differenzbetrages sowie die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
Das LG hat der Klage bis auf einen Teil der geltend gemachten Nebenforderungen stattgegeben. Das OLG hat das Urteil im Berufungsverfahren geändert und die Klage abgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und das Urteil des LG wiederhergestellt.
Gründe:
Die Beklagte war nicht berechtigt, das vereinbarte Krankentagegeld herabzusetzen.
Die Ersetzung einer durch höchstrichterliche Entscheidung oder durch einen bestandskräftigen Verwaltungsakt für unwirksam erklärten Regelung in Allgemeinen Versicherungsbedingungen kann nur dann i.S.d. § 164 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VVG zur Fortführung des Vertrages notwendig sein, wenn infolge der Unwirksamkeit der Klausel mindestens die Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung gegeben sind. Eine solche ergänzende Vertragsauslegung in vorformulierten Versicherungsverträgen setzt nach ständiger Rechtsprechung des Senats jedenfalls voraus, dass keine dispositiven Gesetzesbestimmungen zur Füllung der entstandenen Lücke zur Verfügung stehen und es dem Versicherer gem. § 306 Abs. 3 BGB ohne ergänzende Vertragsauslegung unzumutbar ist, an dem lückenhaften Vertrag festgehalten zu werden.
Diese Voraussetzungen waren hier nicht erfüllt. Zwar kann es in den Fällen eines dauerhaften Absinkens des Nettoeinkommens unter den versicherten Tagessatz zu einer Erhöhung des (subjektiven) Risikos für den Versicherer kommen. Dies stellt aber für den Krankentagegeldversicherer keine unzumutbare Härte i.S.v. § 306 Abs. 3 BGB dar. Dies folgt insbesondere aus der Ausgestaltung der Krankentagegeldversicherung als Summenversicherung, weil einer so ausgestalteten Versicherung immanent ist, dass die Versicherungsleistung von dem versicherten Risiko abweichen und deshalb höher, aber auch niedriger als der tatsächliche Durchschnittsverdienst des Versicherungsnehmers ausfallen kann.
Zu berücksichtigen ist bei der Abwägung ferner, dass die Vertragsparteien die Inkongruenz zwischen Nettoeinkommen und Versicherungsleistung teilweise selbst als zumutbar bewerten, nämlich für den umgekehrten Fall, in dem bei gestiegenem Nettoeinkommen des Versicherungsnehmers die Versicherungsleistung das zu versichernde Risiko unterschreitet. Sollte sich der Wegfall der Herabsetzungsmöglichkeit auf die Prämienkalkulation auswirken, steht es dem Versicherer bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen zudem frei, auf der Grundlage vertraglicher oder gesetzlicher Regelungen die Prämien neu festzusetzen.
Der Umstand, dass dem Versicherer die Möglichkeit genommen ist, den Krankentagegeldsatz herabzusetzen, hindert ihn schließlich nicht daran, unter Umständen unberechtigte Leistungsansprüche zurückzuweisen und von dem Versicherungsnehmer die Erfüllung nach wie vor im Bedingungswerk vorgesehener Nachweispflichten für das Vorliegen des Versicherungsfalls zu fordern.
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BGH PM Nr. 47/2025 v. 12.3.2025
Der Kläger hatte bei dem beklagten Versicherer eine Krankentagegeldversicherung abgeschlossen. Dem Vertrag lagen Allgemeine Versicherungsbedingungen zugrunde, die in § 4 Abs. 4 eine Bestimmung enthielten, die § 4 Abs. 4 der damaligen Musterbedingungen des Verbandes der Privaten Krankenversicherung (PKV) entsprach und welche die Beklagte bei gesunkenem Nettoeinkommen des Klägers zur Herabsetzung des Krankentagegeldsatzes berechtigte. Eine solche Klausel hat der Senat mit Urteil vom 6.7.2016 (IV ZR 44/15, BGHZ 211, 51) wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB für unwirksam erklärt.
Im Jahr 2018 hatte die Beklagte dem Kläger geänderte Allgemeine Versicherungsbedingungen übersandt, in denen die Möglichkeit der Herabsetzung des Tagessatzes bei gesunkenem Nettoeinkommen des Versicherungsnehmers neu geregelt wurde. Der Kläger hielt die Neuregelung jedoch für unwirksam. Er begehrte gerichtlich die Feststellung, dass seine Krankentagegeldversicherung mit dem ursprünglich vereinbarten Tagessatz fortbestehe und die Beklagte nicht berechtigt sei, das Krankentagegeld einseitig herabzusetzen. Ferner verlangte er von der Beklagten die Zahlung eines sich aus der Herabsetzung ergebenden Differenzbetrages sowie die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
Das LG hat der Klage bis auf einen Teil der geltend gemachten Nebenforderungen stattgegeben. Das OLG hat das Urteil im Berufungsverfahren geändert und die Klage abgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und das Urteil des LG wiederhergestellt.
Gründe:
Die Beklagte war nicht berechtigt, das vereinbarte Krankentagegeld herabzusetzen.
Die Ersetzung einer durch höchstrichterliche Entscheidung oder durch einen bestandskräftigen Verwaltungsakt für unwirksam erklärten Regelung in Allgemeinen Versicherungsbedingungen kann nur dann i.S.d. § 164 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VVG zur Fortführung des Vertrages notwendig sein, wenn infolge der Unwirksamkeit der Klausel mindestens die Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung gegeben sind. Eine solche ergänzende Vertragsauslegung in vorformulierten Versicherungsverträgen setzt nach ständiger Rechtsprechung des Senats jedenfalls voraus, dass keine dispositiven Gesetzesbestimmungen zur Füllung der entstandenen Lücke zur Verfügung stehen und es dem Versicherer gem. § 306 Abs. 3 BGB ohne ergänzende Vertragsauslegung unzumutbar ist, an dem lückenhaften Vertrag festgehalten zu werden.
Diese Voraussetzungen waren hier nicht erfüllt. Zwar kann es in den Fällen eines dauerhaften Absinkens des Nettoeinkommens unter den versicherten Tagessatz zu einer Erhöhung des (subjektiven) Risikos für den Versicherer kommen. Dies stellt aber für den Krankentagegeldversicherer keine unzumutbare Härte i.S.v. § 306 Abs. 3 BGB dar. Dies folgt insbesondere aus der Ausgestaltung der Krankentagegeldversicherung als Summenversicherung, weil einer so ausgestalteten Versicherung immanent ist, dass die Versicherungsleistung von dem versicherten Risiko abweichen und deshalb höher, aber auch niedriger als der tatsächliche Durchschnittsverdienst des Versicherungsnehmers ausfallen kann.
Zu berücksichtigen ist bei der Abwägung ferner, dass die Vertragsparteien die Inkongruenz zwischen Nettoeinkommen und Versicherungsleistung teilweise selbst als zumutbar bewerten, nämlich für den umgekehrten Fall, in dem bei gestiegenem Nettoeinkommen des Versicherungsnehmers die Versicherungsleistung das zu versichernde Risiko unterschreitet. Sollte sich der Wegfall der Herabsetzungsmöglichkeit auf die Prämienkalkulation auswirken, steht es dem Versicherer bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen zudem frei, auf der Grundlage vertraglicher oder gesetzlicher Regelungen die Prämien neu festzusetzen.
Der Umstand, dass dem Versicherer die Möglichkeit genommen ist, den Krankentagegeldsatz herabzusetzen, hindert ihn schließlich nicht daran, unter Umständen unberechtigte Leistungsansprüche zurückzuweisen und von dem Versicherungsnehmer die Erfüllung nach wie vor im Bedingungswerk vorgesehener Nachweispflichten für das Vorliegen des Versicherungsfalls zu fordern.
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