Kritische Bewertung auf Internetplattform durch Ex-Mitarbeiter mit Folgen
OLG Celle v. 21.6.2024 - 5 W 62/24
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin betreibt ein Autohaus. Bei dem Antragsgegner handelt es sich um einen ehemaligen Mitarbeiter. Dieser hatte im Internet auf verschiedenen Plattformen mehrere Kommentare über das Autohaus abgegeben. Diese hatten folgenden Inhalt:
1. "Das Autohaus ist sehr grenzwertig anzusehen. Freundlichkeit wird nur groß geschrieben um die Aufträge zu erhalten. Ansonsten scheint es dort nach dem Motto zuzugehen, Geld da - Kunde und Mitarbeiter egal. Auch, was wenn der Kunde dort weg ist über diesen erzählt wird ist traurig. Nie wieder - traurig nur für die Branche das es so was noch gibt."
2. "Blos nicht dort anfangen. Gibt bessere und seriösere Arbeitgeber."
3. "Mein Besuch im Autohaus L. GmbH & Co. KG hat einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen, und ich verspüre keine Begeisterung, in naher Zukunft zurückzukehren. Die Begegnung mit dem Personal hat meine Erwartungen zunichte gemacht, da ihre Höflichkeit und Freundlichkeit zu wünschen übrigließen. Auch die Sauberkeit der Location war enttäuschend. Der Anblick der Büros hat mich an eine Recyclinganlage erinnert, was einen negativen Eindruck auf mich gemacht hat. Aus meiner Erfahrung heraus würde ich daher empfehlen, dieses Autohaus zu meiden. Es ist immer bedauerlich, wenn man eine solch negative Erfahrung machen muss, und ich hoffe, dass dies in der Zukunft verbessert wird."
Die Antragstellerin verfolgte im Wege der einstweiligen Verfügung in Bezug auf einzelne Formulierungen in diesen drei Beiträgen einen Unterlassungsanspruch. Das LG hat diesen mit der Begründung zurückgewiesen, dass hier von einer sog. Selbstwiderlegung der Dringlichkeit auszugehen sei. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das OLG den Beschluss abgeändert und dem Antrag teilweise stattgegeben.
Die Gründe:
Entgegen der Argumentation des LG war vorliegend nicht von einer sog. "Selbstwiderlegung der Dringlichkeit" auszugehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kommt es jedenfalls in aller Regel nicht in Betracht, von einer Selbstwiderlegung der Dringlichkeit auszugehen, wenn - wie hier - zwischen dem Zeitpunkt der erstmaligen Kenntnisnahme von der ehrbeeinträchtigenden Äußerung und dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ein Zeitraum von nicht mehr als einem Monat liegt.. Ob davon in besonderen Einzelfällen Ausnahmen in Betracht kommen können, war unerheblich. Denn hinreichende und durchgreifende Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalles waren vorliegend nicht ersichtlich.
Der Antragstellerin steht gegen den Antragsgegner zum Teil ein Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu. Der BGH führt in ständiger Rechtsprechung für Beiträge auf sog. "Bewertungsportalen" aus, dass solche Bewertungen bereits und jedenfalls dann rechtswidrig sind, wenn der jeweiligen Bewertung kein vorheriger (Kunden-)Kontakt zu Grunde gelegen hat. Die vorliegende Fallgestaltung unterscheidet sich zwar von BGH-Sache. Dort war es jeweils so, dass der jeweiligen angegriffenen Bewertung überhaupt kein tatsächlicher (Behandlungs- bzw. Gäste-)Kontakt zu Grunde gelegen hatte. Vorliegend ist es indes so, dass der Antragsgegner als ehemaliger Mitarbeiter der Antragstellerin durchaus "Kontakt" zu dieser gehabt und mithin die in den jeweiligen Beiträgen beschriebenen Umstände und Vorgänge aus eigener Wahrnehmung erlebt hat.
Im Ergebnis sieht der Senat die vorliegende Fallgestaltung aber dennoch wertungsmäßig als mit denen vergleichbar an, über die der BGH zu entscheiden hatte. Denn für einen durchschnittlichen und verständigen Leser des dritten Beitrages des Antragsgegners macht es durchaus einen (gewichtigen) Unterschied, ob er davon ausgeht, dass der Verfasser des Beitrages das betroffene Unternehmen als Kunde kennengelernt hat, oder aber als (ehemaliger) Mitarbeiter. Denn in dem letztgenannten Fall wird sich der unvoreingenommene und verständige Leser nach der Lebenserfahrung die Frage stellen, welchen (Hinter-)Grund solche negativen Bewertungen eines Arbeitgebers durch einen (ehemaligen oder gegenwärtigen) Mitarbeiter haben, insbesondere, ob Letzterer sich mit dem Beitrag an seinem (ehemaligen oder gegenwärtigen) Arbeitgeber lediglich "rächen" will, und wird demgemäß die Wahrhaftigkeit eines solchen Beitrages kritisch hinterfragen.
Ganz anders sieht es hingegen bei einem abwertenden Beitrag aus, den angeblich ein Kunde des bewerteten Unternehmens verfasst hat. Hier wird es in aller Regel beim Leser eines solchen Beitrages an einer "kritischen Voreinstellung" bzw. "Skepsis" hinsichtlich des Wahrheitsgehaltes des Beitrages fehlen, weil der Leser in aller Regel keinen Anhaltspunkt dafür haben wird, dass und aus welchen Gründen ein bloßer Kunde das Unternehmen bewusst wahrheitswidrig schlecht bewerten sollte. Die Äußerungen des Antragsgegners in dem ersten und zweiten Beitrag sind hingegen - anders als die in dem dritten Beitrag - nicht allein schon deshalb rechtswidrig, weil der Antragsgegner mit diesen den Eindruck erweckt hat, er habe seine beschriebenen Erfahrungen als Kunde des Unternehmens gemacht.
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Jan Pfeiffer, CR 2023, R101
Aufsatz:
Die datenschutzrechtliche Rechtmäßigkeit von Äußerungen auf Bewertungsplattformen
Frank Becker, CR 2021, 79
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Die Antragstellerin betreibt ein Autohaus. Bei dem Antragsgegner handelt es sich um einen ehemaligen Mitarbeiter. Dieser hatte im Internet auf verschiedenen Plattformen mehrere Kommentare über das Autohaus abgegeben. Diese hatten folgenden Inhalt:
1. "Das Autohaus ist sehr grenzwertig anzusehen. Freundlichkeit wird nur groß geschrieben um die Aufträge zu erhalten. Ansonsten scheint es dort nach dem Motto zuzugehen, Geld da - Kunde und Mitarbeiter egal. Auch, was wenn der Kunde dort weg ist über diesen erzählt wird ist traurig. Nie wieder - traurig nur für die Branche das es so was noch gibt."
2. "Blos nicht dort anfangen. Gibt bessere und seriösere Arbeitgeber."
3. "Mein Besuch im Autohaus L. GmbH & Co. KG hat einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen, und ich verspüre keine Begeisterung, in naher Zukunft zurückzukehren. Die Begegnung mit dem Personal hat meine Erwartungen zunichte gemacht, da ihre Höflichkeit und Freundlichkeit zu wünschen übrigließen. Auch die Sauberkeit der Location war enttäuschend. Der Anblick der Büros hat mich an eine Recyclinganlage erinnert, was einen negativen Eindruck auf mich gemacht hat. Aus meiner Erfahrung heraus würde ich daher empfehlen, dieses Autohaus zu meiden. Es ist immer bedauerlich, wenn man eine solch negative Erfahrung machen muss, und ich hoffe, dass dies in der Zukunft verbessert wird."
Die Antragstellerin verfolgte im Wege der einstweiligen Verfügung in Bezug auf einzelne Formulierungen in diesen drei Beiträgen einen Unterlassungsanspruch. Das LG hat diesen mit der Begründung zurückgewiesen, dass hier von einer sog. Selbstwiderlegung der Dringlichkeit auszugehen sei. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das OLG den Beschluss abgeändert und dem Antrag teilweise stattgegeben.
Die Gründe:
Entgegen der Argumentation des LG war vorliegend nicht von einer sog. "Selbstwiderlegung der Dringlichkeit" auszugehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kommt es jedenfalls in aller Regel nicht in Betracht, von einer Selbstwiderlegung der Dringlichkeit auszugehen, wenn - wie hier - zwischen dem Zeitpunkt der erstmaligen Kenntnisnahme von der ehrbeeinträchtigenden Äußerung und dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ein Zeitraum von nicht mehr als einem Monat liegt.. Ob davon in besonderen Einzelfällen Ausnahmen in Betracht kommen können, war unerheblich. Denn hinreichende und durchgreifende Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalles waren vorliegend nicht ersichtlich.
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Im Ergebnis sieht der Senat die vorliegende Fallgestaltung aber dennoch wertungsmäßig als mit denen vergleichbar an, über die der BGH zu entscheiden hatte. Denn für einen durchschnittlichen und verständigen Leser des dritten Beitrages des Antragsgegners macht es durchaus einen (gewichtigen) Unterschied, ob er davon ausgeht, dass der Verfasser des Beitrages das betroffene Unternehmen als Kunde kennengelernt hat, oder aber als (ehemaliger) Mitarbeiter. Denn in dem letztgenannten Fall wird sich der unvoreingenommene und verständige Leser nach der Lebenserfahrung die Frage stellen, welchen (Hinter-)Grund solche negativen Bewertungen eines Arbeitgebers durch einen (ehemaligen oder gegenwärtigen) Mitarbeiter haben, insbesondere, ob Letzterer sich mit dem Beitrag an seinem (ehemaligen oder gegenwärtigen) Arbeitgeber lediglich "rächen" will, und wird demgemäß die Wahrhaftigkeit eines solchen Beitrages kritisch hinterfragen.
Ganz anders sieht es hingegen bei einem abwertenden Beitrag aus, den angeblich ein Kunde des bewerteten Unternehmens verfasst hat. Hier wird es in aller Regel beim Leser eines solchen Beitrages an einer "kritischen Voreinstellung" bzw. "Skepsis" hinsichtlich des Wahrheitsgehaltes des Beitrages fehlen, weil der Leser in aller Regel keinen Anhaltspunkt dafür haben wird, dass und aus welchen Gründen ein bloßer Kunde das Unternehmen bewusst wahrheitswidrig schlecht bewerten sollte. Die Äußerungen des Antragsgegners in dem ersten und zweiten Beitrag sind hingegen - anders als die in dem dritten Beitrag - nicht allein schon deshalb rechtswidrig, weil der Antragsgegner mit diesen den Eindruck erweckt hat, er habe seine beschriebenen Erfahrungen als Kunde des Unternehmens gemacht.
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