24.10.2011

Kündigung eines Pressegrossisten durch den Bauer-Verlag war wirksam

Es steht jedem Unternehmen grundsätzlich frei, den bisher unabhängigen Händlern übertragenen Vertrieb seiner Produkte selbst zu übernehmen. Infolgedessen ist der Bauer-Verlag nach seiner Kündigung im vorliegenden Fall nicht verpflichtet, seine Presseerzeugnisse im Vertriebsgebiet der Heinz-Ulrich Grade KG weiterhin an diesen Grossisten zu liefern.

BGH 24.10.2011, KZR 7/10
Der Sachverhalt:
Der Verband Deutscher Zeitschriften-Verleger (VDZ), dem die beklagte Bauer Media Group angehört, der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger und der Bundesverband Deutscher Buch-, Zeitungs- und Zeitschriften-Grossisten, dessen Mitglied die Klägerin, die Heinz-Ulrich Grade KG, ist, hatten sich im August 2004 auf Anregung der Bundesregierung in einer Gemeinsamen Erklärung "zugunsten der Überallerhältlichkeit und Vielfalt des Presseangebots in Deutschland" zum "bewährten" Grosso-Vertriebssystem "einmütig bekannt".

Die Bauer Media Group gehört zu den führenden deutschen und europäischen Zeitschriftenverlagen. Sie kündigte Anfang 2009 den Presse-Grosso-Vertriebsvertrag mit der Klägerin, die ihr Vertriebsgebiet im Hamburger Umland hat. Seither vertreibt die Beklagte ihre Zeitschriften in diesem Gebiet über ihre Konzerngesellschaft PVN. Hiergegen wandte sich die Klägerin gerichtlich mit dem Ziel, weiterhin ausschließlich mit den Presseerzeugnissen von Bauer beliefert zu werden.

Das LG gab der Klage statt; das OLG wies sie ab. Die Revision der Klägerin blieb vor dem BGH erfolglos.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Belieferungsanspruch mit Presseerzeugnissen des Bauer-Verlags.

Die Kündigung des Grosso-Vertriebsvertrags durch die Beklagte war wirksam. An der Kündigung war sie nicht durch die Gemeinsame Erklärung gehindert. Diese begründete keine Rechtswirkungen für die Beklagte. Schließlich war sie dieser Erklärung nicht beigetreten und hatte ihren Inhalt auch nicht im Wege einer Änderung der Grossisten-Verträge als verbindlich anerkannt.

Die Klage konnte auch nicht erfolgreich auf § 20 Abs. 1 GWB (Behinderungs- und Diskriminierungsverbot) gestützt werden, denn es lag keine verbotene Diskriminierung vor. Soweit die Beklagte in anderen Gebieten weiterhin Pressegrossisten allein beliefert, beeinträchtigt das nicht die Wettbewerbschancen der Klägerin. Es stellt auch keine unbillige Behinderung der Klägerin dar, dass Bauer den Vertrieb seiner Presserzeugnisse der PVN übertragen hat. Schließlich steht es jedem Unternehmen grundsätzlich frei, den bisher unabhängigen Händlern übertragenen Vertrieb seiner Produkte selbst zu übernehmen.

Es ergaben sich zudem keine besonderen Umstände, aus denen sich eine Unbilligkeit der Kündigung hätten ergeben können. Zwar war zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit der Pressegrossisten in den Schutzbereich der Pressefreiheit einbezogen ist. Insofern ist die Funktionsfähigkeit der Preisbindung für Zeitungen und Zeitschriften zu gewährleisten, die der Gesetzgeber zum Schutz der Pressefreiheit zugelassen hat. Sie wurde hier allerdings durch die Kündigung nicht in Frage gestellt. Denn ein notwendiger Zusammenhang zwischen gebietsbezogener Alleinauslieferung und Preisbindung bestand nicht. Es wurden weder die Interessen der Zeitschrifteneinzelhändler an einem umfassenden Sortiment und einer einfachen Remission beeinträchtigt, noch diejenigen kleiner Verlage an einem ungehinderten Marktzutritt.

Letztlich hat die Klägerin auch nicht dargelegt, dass die Beklagte keine logistischen Gründe dafür hatte, ihrer bisher allein in Hamburg tätigen Konzerngesellschaft PVN zunächst nur den Vertrieb im Hamburger Umland zusätzlich zu übertragen. Insofern bestand auch nicht der von der Klägerin hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Belieferung neben der PVN. Die Beklagte war berechtigt, ihre Erzeugnisse im Gebiet der Klägerin allein über die PVN zu vertreiben.

Hintergrund:
Der Großhandel mit Zeitungen und Zeitschriften erfolgt in Deutschland seit Jahrzehnten im Presse-Grosso-System. Dabei vertreiben etwa 70, überwiegend mittelständisch strukturierte Grossisten in ihren Vertriebsgebieten jeweils ausschließlich die Presseerzeugnisse aller Verlage an die insgesamt rund 120.000 Verkaufsstellen des Einzelhandels. Infolgedessen besteht in Deutschland ein Netz von Grosso-Gebietsmonopolen. Nur in Hamburg und Berlin gibt es jeweils zwei Grossisten ("Doppel-Grosso").

Linkhinweise:

  • Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
PM Nr. 168 vom 24.10.2011
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