Leasing: Kfz-Haftpflichtversicherer darf keinen Großkundenrabatt abziehen
OLG Stuttgart v. 19.1.2023 - 2 U 303/21
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist ein Leasingunternehmen, das Neufahrzeuge, nicht aber Gebrauchtwagenfahrzeuge anschafft. Anfang 2020 war das in ihrem Eigentum stehende Fahrzeug BMW 520d bei einem Verkehrsunfall beschädigt worden. Ein vorgerichtliches Privatgutachten ergab einen Wiederbeschaffungswert von 26.218 € netto bei einem Restwert von 14.521 €. Die Klägerin rechnete fiktiv einen Totalschaden ab und machte auf der Grundlage des Gutachtens einen Wiederbeschaffungsaufwand von 11.697 € geltend. Die Beklagte bezahlte lediglich 6.453 € und war der Ansicht, dass auf den Wiederbeschaffungswert ein Abzug von 20 % i.H. eines Großkundenrabatts vorzunehmen sei.
Mit der Klage verfolgte die Klägerin den restlichen Schadensersatz von 5.243 €. Ein Ersatzfahrzeug für den Unfallwagen hatte sie nicht beschafft. Das LG hat die Klage abgewiesen. Der Abzug des Großkundenrabatts sei berechtigt gewesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG die Entscheidung abgeändert und der Klage stattgegeben.
Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG i.V.m. § 1 PflVG auf Erstattung des Wiederbeschaffungsaufwandes in der geltend gemachten Höhe.
Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Übersteigen - wie hier - die Kosten der Reparatur des beschädigten Fahrzeugs die Kosten für die Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs erheblich, kann der Geschädigte nur Ersatz der für die Beschaffung eines gleichwertigen Fahrzeugs erforderlichen Kosten, also den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts, verlangen.
Die Ansicht des LG, die Klägerin müsse sich einen auf Neupreise erzielbaren Rabatt anspruchsmindernd entgegenhalten lassen, ließ den Umstand unberücksichtigt, dass sich die Naturalrestitution vorliegend nicht auf die Anschaffung eines Neufahrzeugs richtete. Die Anschaffung eines Neufahrzeugs entspräche nur dann ausnahmsweise dem Gebot der Wirtschaftlichkeit, wenn sie unter Berücksichtigung des Sonderrabatts günstiger wäre als die Anschaffung eines entsprechenden Gebrauchtwagens. Da ein solcher Ausnahmefall nicht vorlag, war die Naturalrestitution auf den Preis eines gebrauchten Kraftfahrzeugs beschränkt.
Nach der subjektbezogenen Schadensbetrachtung kann ein Rabatt jedoch nur dann anspruchsmindernd berücksichtigt werden, wenn er auf den Erwerb von Gebrauchtfahrzeugen gewährt wird. Die Klägerin hatte allerdings keine Gebrauchtwagen angekauft. Damit konnte auch ausgeschlossen werden, dass ihr ein Großkundenrabatt für Gebrauchtwagen zugänglich war. An dieser Bewertung änderte auch der zweitinstanzliche Vortrag der Beklagten nichts, wonach andere Leasingunternehmen auch jüngere Gebrauchtwagen kauften, hierbei einen Rabatt erhielten und dieser Weg auch der Klägerin offen stünde.
Nichts anderes ergab sich entgegen der Auffassung des LG aus der BGH-Rechtsprechung zur Berücksichtigung eines Großkundenrabatts bei der Abrechnung fiktiver Reparaturkosten (BGH, Urt. v. 29.10.2019 - VI ZR 45/19). Dieser Rechtsprechung liegt vielmehr zugrunde, dass dem Geschädigten ein entsprechender Rabatt bei der Schadensabwicklung ohne weiteres zugänglich war. Schließlich fand auch die Argumentation des LG keine Stütze in der Überlegung, dass die Klägerin das verunfallte Fahrzeug bereits mit einem Rabatt angeschafft habe und das Unfallfahrzeug wiederum durch ein Neufahrzeug ersetzt werde, wodurch sich Gewinne ergeben könnten, was dem schadensrechtlichen Bereicherungsverbot zuwiderlaufe.
Mehr zum Thema:
Rechtsprechung:
Gesetzlicher Forderungsübergang: Isolierte Drittwiderklage gegen den ursprünglichen Forderungsinhaber
BGH vom 27.04.2022 - IV ZR 344/20
MDR 2022, 1237
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Landesrechtsprechung Baden-Württemberg
Die Klägerin ist ein Leasingunternehmen, das Neufahrzeuge, nicht aber Gebrauchtwagenfahrzeuge anschafft. Anfang 2020 war das in ihrem Eigentum stehende Fahrzeug BMW 520d bei einem Verkehrsunfall beschädigt worden. Ein vorgerichtliches Privatgutachten ergab einen Wiederbeschaffungswert von 26.218 € netto bei einem Restwert von 14.521 €. Die Klägerin rechnete fiktiv einen Totalschaden ab und machte auf der Grundlage des Gutachtens einen Wiederbeschaffungsaufwand von 11.697 € geltend. Die Beklagte bezahlte lediglich 6.453 € und war der Ansicht, dass auf den Wiederbeschaffungswert ein Abzug von 20 % i.H. eines Großkundenrabatts vorzunehmen sei.
Mit der Klage verfolgte die Klägerin den restlichen Schadensersatz von 5.243 €. Ein Ersatzfahrzeug für den Unfallwagen hatte sie nicht beschafft. Das LG hat die Klage abgewiesen. Der Abzug des Großkundenrabatts sei berechtigt gewesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG die Entscheidung abgeändert und der Klage stattgegeben.
Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG i.V.m. § 1 PflVG auf Erstattung des Wiederbeschaffungsaufwandes in der geltend gemachten Höhe.
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Die Ansicht des LG, die Klägerin müsse sich einen auf Neupreise erzielbaren Rabatt anspruchsmindernd entgegenhalten lassen, ließ den Umstand unberücksichtigt, dass sich die Naturalrestitution vorliegend nicht auf die Anschaffung eines Neufahrzeugs richtete. Die Anschaffung eines Neufahrzeugs entspräche nur dann ausnahmsweise dem Gebot der Wirtschaftlichkeit, wenn sie unter Berücksichtigung des Sonderrabatts günstiger wäre als die Anschaffung eines entsprechenden Gebrauchtwagens. Da ein solcher Ausnahmefall nicht vorlag, war die Naturalrestitution auf den Preis eines gebrauchten Kraftfahrzeugs beschränkt.
Nach der subjektbezogenen Schadensbetrachtung kann ein Rabatt jedoch nur dann anspruchsmindernd berücksichtigt werden, wenn er auf den Erwerb von Gebrauchtfahrzeugen gewährt wird. Die Klägerin hatte allerdings keine Gebrauchtwagen angekauft. Damit konnte auch ausgeschlossen werden, dass ihr ein Großkundenrabatt für Gebrauchtwagen zugänglich war. An dieser Bewertung änderte auch der zweitinstanzliche Vortrag der Beklagten nichts, wonach andere Leasingunternehmen auch jüngere Gebrauchtwagen kauften, hierbei einen Rabatt erhielten und dieser Weg auch der Klägerin offen stünde.
Nichts anderes ergab sich entgegen der Auffassung des LG aus der BGH-Rechtsprechung zur Berücksichtigung eines Großkundenrabatts bei der Abrechnung fiktiver Reparaturkosten (BGH, Urt. v. 29.10.2019 - VI ZR 45/19). Dieser Rechtsprechung liegt vielmehr zugrunde, dass dem Geschädigten ein entsprechender Rabatt bei der Schadensabwicklung ohne weiteres zugänglich war. Schließlich fand auch die Argumentation des LG keine Stütze in der Überlegung, dass die Klägerin das verunfallte Fahrzeug bereits mit einem Rabatt angeschafft habe und das Unfallfahrzeug wiederum durch ein Neufahrzeug ersetzt werde, wodurch sich Gewinne ergeben könnten, was dem schadensrechtlichen Bereicherungsverbot zuwiderlaufe.
Rechtsprechung:
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BGH vom 27.04.2022 - IV ZR 344/20
MDR 2022, 1237
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