Marken mit Vielzahl unterschiedlicher Erscheinungsformen fehlt in der Regel die erforderliche Markenfähigkeit ("Variable Bildmarke")
BGH 6.2.2013, I ZB 85/11Die Anmelderin hatte beim Deutschen Patent- und Markenamt die Eintragung eines Zeichens für zahlreiche Waren und Dienstleistungen als "sonstige Marke" mit folgender Beschreibung der zu schützenden Marke begehrt:
Eine violett-purpurfarben gefüllte, rechteck-ähnlich geometrische Figur der in den unten gezeigten drei Beispielen dargestellten Art mit zwei parallelen geraden Begrenzungslinien in einer Längsrichtung und einer geraden Begrenzungslinie und einer sich nach außen verwölbenden kreisbogenförmigen Begrenzungslinie in einer zur Längsrichtung rechtwinkligen Querrichtung,
- wobei das Verhältnis der Abmessung in der Längsrichtung (Länge) der Figur zur Abmessung in der Querrichtung (Breite) der Figur variabel ist,
- wobei das Verhältnis der Länge zur Breite zwischen 1:2 (Breite doppelt so groß wie die Länge) und 10:1 (Länge zehnmal so groß wie die Breite) liegt.
Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts wies die Anmeldung wegen fehlender grafischer Darstellbarkeit gem. § 8 Abs. 1 MarkenG zurück. Das BPatG wies die hiergegen gerichtete Beschwerde der Anmelderin zurück. Auch ihre zulassungsfreie Rechtsbeschwerde, mit der sie u.a. eine vorschriftswidrige Gerichtsbesetzung rügte, blieb vor dem BGH erfolglos.
Gründe:
Eine Verletzung des Grundsatzes des gesetzlichen Richters i.S.d. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG wegen eines Verstoßes gegen die Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV lag nicht vor.
Zu Recht hatte das BPatG von einer Vorlage mit der Begründung abgesehen, die im Streitfall aufgeworfenen Rechtsfragen seien bereits durch die EuGH- und BGH-Rechtsprechung zu neuen Markenformen hinreichend geklärt. Der EuGH hatte mit der Entscheidung in der Rechtssache "Dyson" (Urt. v. 25.1.2007 - C-321/03) bereits entschieden, dass der Gegenstand einer Anmeldung, die sich auf eine Vielzahl unterschiedlicher Erscheinungsformen erstrecken solle, zu unbestimmt sei, um als Marke eingetragen werden zu können. Infolgedessen war auch das BPatG rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die sich im Streitfall stellende Frage nach der Eintragungsfähigkeit von Marken, deren Schutzgegenstand eine Variable aufweist, bereits hinreichend geklärt ist.
Den Anforderungen an ein Zeichen i.S.v. Art. 2 MarkenRL, § 3 Abs. 1 MarkenG genügt es nicht, wenn sich der Gegenstand einer Anmeldung - wie hier - auf eine Vielzahl unterschiedlicher Erscheinungsformen erstrecken können soll und er deshalb nicht hinreichend bestimmt ist. Deshalb fehlt "variable Marken", mit denen Schutz für eine abstrakt unbestimmte Zahl unterschiedlicher Erscheinungsformen oder allgemeiner Gestaltungsprinzipien beansprucht wird, auch die für eine Eintragung erforderliche Markenfähigkeit. Die als klärungsbedürftig geltend gemachte Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen zusätzlichen Voraussetzungen eine variable Bildmarke, insbesondere eine solche mit variablem Abmessungsverhältnis, grafisch darstellbar i.S.v. § 8 Abs. 1 MarkenG, Art. 2 MarkenRL ist, war damit nicht entscheidungserheblich.
Eine Vorlagepflicht bestand auch nicht deswegen, weil es sich bei der beanspruchten Marke um eine "neue Markenform" handelte, zu der es denklogisch noch keine einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung geben kann. Gegenstand der Anmeldung war eine Bildmarke, mithin eine bereits nach dem Warenzeichengesetz anerkannte Markenform. Und eine bekannte Markenform wird nicht deswegen zur neuen Markenform, weil der angemeldete Gegenstand nicht den für die Zeichenfähigkeit maßgebenden Bestimmtheitsanforderungen genügt.
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