31.01.2022

Markenrecht: Streit um das Design von Saftflaschen

Eine nachschaffende Nachahmung liegt vor, wenn das angegriffene Produkt dem Originalprodukt so ähnlich ist, dass es sich in ihm wiedererkennen lässt. Hierfür ist zu prüfen, ob das angegriffene Produkt die prägenden Gestaltungsmerkmale des Originalprodukts übernimmt, die dessen wettbewerbliche Eigenart ausmachen.

LG Hamburg v. 13.1.2022 - 312 O 294/21
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerinnen gehören zu einer Unternehmensgruppe, die sich seit 1857 in Familienbesitz befindet und Fruchtsäfte und fruchthaltige Getränke (Granini) in Europa anbietet. Sie ist weltweit in über 80 Ländern vertreten. Die Antragsgegnerinnen sind eine Zentralhandelsgesellschaft mbH sowie eine GmbH, die seit Dezember 2017 ein Konzernunternehmen der E.-Gruppe ist und Fruchtsäfte herstellt (Albi).

Das Design der Granini-Flasche hat seinen Ursprung im Jahr 1969 und soll an der Geometrie einer Ananas orientiert sein. Zur Gestaltung gehören auch die Einkerbungen ("Grübchen"), die eine stilisierte Übernahme der an der Schalenaußenseite befindlichen Noppen der Ananas darstellen sollen. Die Flasche ist farblos transparent und lässt dadurch die Farbe des Fruchtsafts erkennen. Die Antragsgegnerin zu 1) hat die Granini-Säfte im Rahmen einer Preisauseinandersetzung in jüngerer Zeit ausgelistet. Stattdessen hat sie Säfte der Marke Albi als "Me-Too-Produkt" in ihr Sortiment genommen. Seit der am 1.11.2021 laufenden Woche ist das "Me-Too-Produkt" der Antragsgegnerinnen in den E.-Einzelhandelsmärkten im Markt.

Die Antragstellerinnen waren der Ansicht, dass das Design der streitgegenständlichen "Me-Too-Produkte" eine nahezu vollständige Übernahme der ikonischen Granini-Flasche sei. Das Me-Too-Produkt der Antragsgegnerinnen übernehme von der g.-Flasche den zylindrischen Flaschenbauch mit zylindrischen Flaschenhals, der lotgerecht angeordnet sei. Das Größenverhältnis von Flaschenbauch und Flaschenhals stehe bei beiden Flaschen in einem Verhältnis von 3:2. Das Produkt der Antragsgegnerinnen übernehme weiterhin den breiten Schraubverschluss aus Kunststoff, der mit einer nur minimalen Verjüngung am Flaschenhals aufgebracht sei. Das Etikett sei jeweils am Flaschenhals angebracht. Auch die angebotenen Geschmacksrichtungen seien identisch.

Die Kammer hat den Antragsgegnerinnen mit einstweiliger Verfügung vom 18.11.2021 verboten, in Deutschland die oben genannten Fruchtsäfte und Fruchtnektare anzubieten, zu verkaufen, sonst in den Verkehr zu bringen und/oder zu bewerben. Die Antragsgegnerinnen machten geltend, dass keine Dringlichkeit bestehe, weil die Verfügungsmarken für die relevanten Warenbereiche löschungsreif seien. Auf ihren Widerspruch hat das LG die einstweilige Verfügung bestätigt.

Die Gründe:
Der Unterlassungsanspruch der Antragstellerin zu 1) ergibt sich aus §§ 8, 3, 4 Nr. 3 a UWG, derjenige der Antragstellerin zu 2) aus § 14 Absatz 2 Nr. 2, V MarkenG.

Der Grad der wettbewerblichen Eigenart der Granini-Flasche ist ursprünglich mindestens als durchschnittlich, aufgrund langjähriger umfangreicher und durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemachter Benutzung aber jedenfalls als gesteigert und damit jedenfalls leicht überdurchschnittlich einzuordnen. Die streitgegenständliche Flasche von Albi stellt eine nachschaffende Nachahmung dar. Eine solche liegt vor, wenn das angegriffene Produkt dem Originalprodukt so ähnlich ist, dass es sich in ihm wiedererkennen lässt. Hierfür ist zu prüfen, ob das angegriffene Produkt die prägenden Gestaltungsmerkmale des Originalprodukts übernimmt, die dessen wettbewerbliche Eigenart ausmachen. Aufgrund der aufgezeigten Unterschiede in Größe, Proportionen und haptischer Gestaltung, handelt es sich vorliegend jedenfalls um eine nachschaffende Nachahmung, da die Albi-Flasche wiedererkennbare prägende Gestaltungselemente der Granini-Flasche aufweist und diese als Vorbild erkennbar bleibt.

Die Nachahmung ist unlauter, es besteht die Gefahr einer Herkunftstäuschung im weiteren Sinn. Eine Herkunftstäuschung liegt vor, wenn die angesprochenen Verkehrskreise den Eindruck gewinnen können, die Nachahmung stamme vom Hersteller des Originals oder einem mit ihm verbundenen Unternehmen. Vorliegend besteht die Gefahr einer Herkunftstäuschung im weiteren Sinn. Hierfür genügt es, wenn der Verkehr bei der Produktnachahmung annimmt, es handle sich um eine neue Serie oder um eine Zweitmarke des Originalherstellers oder es bestünden lizenz- oder gesellschaftsvertragliche Beziehungen zwischen den beiden Unternehmen

Der Antrag der Antragstellerin zu 2) ist aus § 14 Absatz 2 Nr. 2, V MarkenG aus der "Marke 930" begründet. Diese Marke wurde überwiegend wahrscheinlich gem. § 26 Absätze 1 und 3 MarkenG rechtserhaltend genutzt. Der Unterlassungsanspruch ist nach Erhebung der Nichtbenutzungseinrede durch die Antragsgegnerinnen nicht gem. § 25 Absatz 1 MarkenG ausgeschlossen. Im Gesamteindruck zeigen die beiden beschriebenen veränderten Gestaltungen der Flasche keine Veränderungen des kennzeichnenden Charakters der Flasche. Es ist davon auszugehen, dass der angesprochene Verkehr auch bei Wahrnehmung der Unterschiede zwischen der eingetragenen Kombinationsmarke und den beiden Benutzungsgestaltungen in diesen noch dieselbe Marke sieht.

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