Meinungsfreiheit u.a. - Ukraine: Verbot des Tragens des St.-Georg-Bandes
EGMR v. 19.11.2024 - 11575/24
Der Sachverhalt:
Das St.-Georgs-Band (auch: Georgsband) ist insbesondere im Zusammenhang mit der Sowjetzeit Bestandteil militärischer Ehren. Es ist in den ehemaligen Sowjetländern weit verbreitet, vor allem bei Veranstaltungen zum Gedenken an den Sieg im Zweiten Weltkrieg. In der Ukraine wurde es von Veteranen und/oder ihren Familienangehörigen getragen, entweder als Teil ursprünglicher militärischer Auszeichnungen oder für sich allein. Seit der Besetzung der Halbinsel Krim durch Russland und dem Beginn der Feindseligkeiten in den östlichen Gebieten der Ukraine im Jahr 2014 wurde in der Ukraine die rote Mohnblume als Symbol des Gedenkens an Kriegstote übernommen. Im Jahr 2015 verabschiedete das ukrainische Parlament das Gesetz über die Verurteilung der kommunistischen und nationalsozialistischen Regime in der Ukraine und das Verbot der Verbreitung ihrer Symbole. Seit 2017 stellt die Herstellung, Verwendung und Verbreitung des St.-Georgs-Bandes eine Ordnungswidrigkeit dar. In Russland hingegen wird das Band weiterhin verwendet und verbreitet; der St.-Georgs-Orden und das St.-Georgs-Kreuz sind dort militärische Auszeichnungen.
Der Beschwerdeführer, ein ethnischer Russe, ist ukrainischer Staatsbürger. Er stammt aus einer Familie, die im Zweiten Weltkrieg gedient hat, und ist selbst ehemaliger Offizier. Er wollte das Band am 9. Mai, dem sogenannten Tag des Sieges, tragen, konnte dies aber aus Angst vor rechtlicher Verfolgung nicht mehr tun. Er erklärte, dass der Tag des Sieges für ihn von besonderer Bedeutung sei, da er die Tapferkeit seiner Verwandten feiere. Er glaube nicht, dass das Tragen des St.-Georgs-Bandes eine "Provokation" darstelle. Vor dem EGMR berief sich der Beschwerdeführer auf Art. 8, 10 und 14 (Verbot der Diskriminierung) EMRK sowie auf Art. 1 des Prot. Nr. 12 (allgemeines Diskriminierungsverbot) und trug vor, dass das Verbot, das St.-Georgs-Band in der Öffentlichkeit zu tragen, diskriminierend sei.
Die Gründe:
Mit Blick auf Art. 10 EMRK stellte der EGMR fest, dass die Situation des Beschwerdeführers, entweder auf das Tragen des Bandes zu verzichten und damit den Stolz auf den Militärdienst seiner Familie nicht zeigen zu dürfen oder aber das Gesetz zu brechen und rechtliche Verfolgung zu riskieren, eine Beeinträchtigung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung darstelle. Diese Beeinträchtigung sei durch das einschlägige ukrainische Gesetz vorgesehen. Bei der Beurteilung, ob sie gerechtfertigt und insbesondere in einer demokratischen Gesellschaft notwendig war, berücksichtigte der EGMR den Kontext, in dem das Verbot des St.-Georgs-Bandes stattgefunden hatte. Während das Band bis vor kurzem vor allem mit der Sowjetzeit in Verbindung gebracht worden sei, insbesondere mit sowjetischen Militärauszeichnungen, sei seine Assoziation mit dem russischen Militär und seine Verwendung als Abzeichen durch russische Einheiten in der Ukraine seit 2014 häufiger geworden. Für viele sei es daher mit dem wahrgenommenen russischen militärischen Heldenmut verbunden und symbolisiere das durch die russische Aggression angerichtete Leid. Es gebe keinen Grund, die Bemühungen der Regierung der Ukraine zur Bewältigung der durch den bewaffneten Konflikt entstandenen Probleme in Frage zu stellen. Zudem sei das Verbot des St.-Georgs-Bandes nicht pauschaler Natur; es gebe eine ganze Reihe von Ausnahmen, darunter die rechtmäßige Verwendung als ursprüngliche staatliche Auszeichnung oder vor 1991 verliehene militärische Ehrung. Der Staat habe seinen Ermessensspielraum nicht überschritten.
In Bezug auf Art. 8 EMRK erinnerte der Gerichtshof daran, dass die Folgen eines Sachverhaltes für den Beschwerdeführer sehr schwerwiegend sein und sein Privatleben in erheblichem Maße beeinträchtigen müssten, damit der Fall unter die Vorschrift fiele. Der Beschwerdeführer habe nicht nachweisen können, dass das Verbot ihm seelisches Leid oder Belastung bereitet oder ihn anderweitig erheblich beeinträchtigt habe.
Hinsichtlich der Diskriminierungsverbote sah der EGMR keine Anzeichen für einen Verstoß gegen die einschlägigen Bestimmungen der Konvention und des Prot. Nr. 12.
Der EGMR erklärte die Beschwerde einstimmig für unzulässig.
Sebastian Ramelli, LL.M. (Institut für Europäisches Medienrecht e.V. Saarbrücken)
Das St.-Georgs-Band (auch: Georgsband) ist insbesondere im Zusammenhang mit der Sowjetzeit Bestandteil militärischer Ehren. Es ist in den ehemaligen Sowjetländern weit verbreitet, vor allem bei Veranstaltungen zum Gedenken an den Sieg im Zweiten Weltkrieg. In der Ukraine wurde es von Veteranen und/oder ihren Familienangehörigen getragen, entweder als Teil ursprünglicher militärischer Auszeichnungen oder für sich allein. Seit der Besetzung der Halbinsel Krim durch Russland und dem Beginn der Feindseligkeiten in den östlichen Gebieten der Ukraine im Jahr 2014 wurde in der Ukraine die rote Mohnblume als Symbol des Gedenkens an Kriegstote übernommen. Im Jahr 2015 verabschiedete das ukrainische Parlament das Gesetz über die Verurteilung der kommunistischen und nationalsozialistischen Regime in der Ukraine und das Verbot der Verbreitung ihrer Symbole. Seit 2017 stellt die Herstellung, Verwendung und Verbreitung des St.-Georgs-Bandes eine Ordnungswidrigkeit dar. In Russland hingegen wird das Band weiterhin verwendet und verbreitet; der St.-Georgs-Orden und das St.-Georgs-Kreuz sind dort militärische Auszeichnungen.
Der Beschwerdeführer, ein ethnischer Russe, ist ukrainischer Staatsbürger. Er stammt aus einer Familie, die im Zweiten Weltkrieg gedient hat, und ist selbst ehemaliger Offizier. Er wollte das Band am 9. Mai, dem sogenannten Tag des Sieges, tragen, konnte dies aber aus Angst vor rechtlicher Verfolgung nicht mehr tun. Er erklärte, dass der Tag des Sieges für ihn von besonderer Bedeutung sei, da er die Tapferkeit seiner Verwandten feiere. Er glaube nicht, dass das Tragen des St.-Georgs-Bandes eine "Provokation" darstelle. Vor dem EGMR berief sich der Beschwerdeführer auf Art. 8, 10 und 14 (Verbot der Diskriminierung) EMRK sowie auf Art. 1 des Prot. Nr. 12 (allgemeines Diskriminierungsverbot) und trug vor, dass das Verbot, das St.-Georgs-Band in der Öffentlichkeit zu tragen, diskriminierend sei.
Die Gründe:
Mit Blick auf Art. 10 EMRK stellte der EGMR fest, dass die Situation des Beschwerdeführers, entweder auf das Tragen des Bandes zu verzichten und damit den Stolz auf den Militärdienst seiner Familie nicht zeigen zu dürfen oder aber das Gesetz zu brechen und rechtliche Verfolgung zu riskieren, eine Beeinträchtigung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung darstelle. Diese Beeinträchtigung sei durch das einschlägige ukrainische Gesetz vorgesehen. Bei der Beurteilung, ob sie gerechtfertigt und insbesondere in einer demokratischen Gesellschaft notwendig war, berücksichtigte der EGMR den Kontext, in dem das Verbot des St.-Georgs-Bandes stattgefunden hatte. Während das Band bis vor kurzem vor allem mit der Sowjetzeit in Verbindung gebracht worden sei, insbesondere mit sowjetischen Militärauszeichnungen, sei seine Assoziation mit dem russischen Militär und seine Verwendung als Abzeichen durch russische Einheiten in der Ukraine seit 2014 häufiger geworden. Für viele sei es daher mit dem wahrgenommenen russischen militärischen Heldenmut verbunden und symbolisiere das durch die russische Aggression angerichtete Leid. Es gebe keinen Grund, die Bemühungen der Regierung der Ukraine zur Bewältigung der durch den bewaffneten Konflikt entstandenen Probleme in Frage zu stellen. Zudem sei das Verbot des St.-Georgs-Bandes nicht pauschaler Natur; es gebe eine ganze Reihe von Ausnahmen, darunter die rechtmäßige Verwendung als ursprüngliche staatliche Auszeichnung oder vor 1991 verliehene militärische Ehrung. Der Staat habe seinen Ermessensspielraum nicht überschritten.
In Bezug auf Art. 8 EMRK erinnerte der Gerichtshof daran, dass die Folgen eines Sachverhaltes für den Beschwerdeführer sehr schwerwiegend sein und sein Privatleben in erheblichem Maße beeinträchtigen müssten, damit der Fall unter die Vorschrift fiele. Der Beschwerdeführer habe nicht nachweisen können, dass das Verbot ihm seelisches Leid oder Belastung bereitet oder ihn anderweitig erheblich beeinträchtigt habe.
Hinsichtlich der Diskriminierungsverbote sah der EGMR keine Anzeichen für einen Verstoß gegen die einschlägigen Bestimmungen der Konvention und des Prot. Nr. 12.
Der EGMR erklärte die Beschwerde einstimmig für unzulässig.