23.10.2023

Microstock-Portale: Das Recht des Fotografen auf Anbringung der Urheberbezeichnung kann per AGB abbedungen werden

Das Recht des Urhebers auf Anbringung der Urheberbezeichnung gem. § 13 Satz 2 UrhG ist in seinem Kern unverzichtbar. Außerhalb dieses unverzichtbaren Kerns steht es dem Urheber jedoch grundsätzlich frei, durch ausdrücklich oder stillschweigend getroffene vertragliche Vereinbarungen mit dem Werkverwerter auf die Ausübung dieses Rechts zu verzichten oder in dieses Recht beeinträchtigende Nutzungen einzuwilligen. Solche Vereinbarungen unterliegen allerdings Grenzen, deren Überschreitung gem. § 138 Abs. 1 BGB und - soweit AGB in Rede stehen - gem. § 307 Abs. 1 und 2 BGB zur Unwirksamkeit der Vereinbarung führt.

BGH v. 15.6.2023 - I ZR 179/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Berufsfotograf. Er vermarktet seine Fotografien nicht im Wege der Vergabe von individuellen Lizenzen, sondern ausschließlich über sog. Microstock-Portale. Dabei handelt es sich um Portale, die ihren Kunden die Nutzung von Fotografien zu günstigen Lizenzentgelten ermöglichen. Ziel der Vermarktung über Microstock-Portale ist es, durch diese Art der Verbreitung eine hohe Reichweite zu erzielen, wodurch es auch für professionelle Fotografen lukrativ wird, Lizenzrechte an ihren Werken im Einzelfall zu sehr niedrigen Lizenzgebühren zu vergeben. Aufgrund der hohen Reichweite kann der einstellende Urheber in der Summe aller Lizenzverkäufe dennoch ein angemessenes Lizenzhonorar erlangen und zudem den mit der eigenständigen Vermarktung verbundenen zeitlichen und finanziellen Aufwand vermeiden. Der Kläger ist bei der Vermarktung seiner Fotografien über Microstock-Portale sehr erfolgreich. Er zählt u.a. mit seinen Skyline-Motiven zahlreicher nationaler und internationaler Großstädte zu den erfolgreichsten Bildanbietern auf Microstock-Portalen weltweit. Bis zum März 2021 wurden seine Fotografien über 888.000 Mal lizenziert.

Der Kläger schloss mit dem Betreiber des Microstock-Portals F., einer der zum damaligen Zeitpunkt führenden europäischen Microstock-Agenturen, über die Millionen Bilder und Videos an Millionen Mitglieder lizenziert wurden, einen vom Portal vorformulierten sog. Upload-Vertrag. Damit erteilte er F. eine nicht exklusive Lizenz zur Nutzung der von ihm eingestellten Fotografien und räumte der Agentur das Recht zur Erteilung von Unterlizenzen an Kunden des Portals ein. Dieser Upload-Vertrag, der auch für die Lizenzierung der im Streitfall in Rede stehenden Fotografie maßgeblich ist, enthielt u.a. folgende Regelung:

3. Download und Unterlizenzen
F. ist laut den Bedingungen dieses Vertrages berechtigt, einem oder mehreren herunterladenden Mitgliedern eine nicht-exklusive, weltweite und zeitlich unbegrenzte Lizenz zur Nutzung, Wiedergabe und Ausstellung des Werks zu gewähren. Ein nicht-exklusiv herunterladendes Mitglied ist zur Urheberbenennung berechtigt jedoch nicht verpflichtet.

5. Eigentumsrechte und Beibehaltung von Rechten
Soweit das anwendbare Recht dies zulässt, bestätigt das hochladende Mitglied hiermit, dass sowohl F. als auch jedes herunterladende Mitglied welches ein Werk über F. bezieht, das Recht aber nicht die Verpflichtung haben, das hochladende Mitglied als Quelle seiner Werke kenntlich zu machen. Das hochladende Mitglied verzichtet hiermit auf jede Verpflichtung von F. und jedem herunterladenden Mitglied das hochladende Mitglied als Quelle des Werks zu identifizieren.

 

9. Gültigkeit und Beendigung des Vertrages und Entfernung eines Werks
Dieser Vertrag gilt zeitlich unbegrenzt, sofern er nicht gemäß diesem Abschnitt 9 beendet wird. Er kann sowohl von F. als auch von dem Hochladenden Mitglied jederzeit durch Entfernung des Werks von der Webseite F. beendet werden.


Die Beklagte lud von der Internetseite des Portals F. auf der Grundlage eines mit dem Betreiber des Portals abgeschlossenen Download-Vertrags die Datei einer Fotografie des Klägers herunter und verwendete sie auf ihrer Internetseite als Hintergrundbild, ohne den Kläger als Urheber zu benennen. Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe dadurch sein Recht auf Urheberbenennung verletzt. Er nimmt die Beklagte u.a. wegen dieser Rechtsverletzungen auf Unterlassung, Schadensersatz und Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch. Die Beklagte ist der Ansicht, der Kläger habe wirksam auf sein Urheberbenennungsrecht verzichtet. Sie begehrt im Wege der Widerklage Ersatz ihrer Rechtsverteidigungskosten nebst Zinsen.

LG und OLG wiesen die Klage ab und gaben der Widerklage ganz überwiegend statt. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das OLG hat mit Recht angenommen, dass die Klage unbegründet ist, weil die Beklagte das Recht des Klägers auf Urheberbenennung gem. § 13 UrhG nicht widerrechtlich verletzt hat und die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz (§ 97 UrhG) sowie Ersatz von Abmahnkosten (§ 97a Abs. 3 UrhG) deshalb bereits dem Grunde nach nicht bestehen.

Allerdings ergibt sich grundsätzlich aus § 13 UrhG ein Recht des Urhebers auf Namensnennung, dessen widerrechtliche Verletzung Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz (§ 97 UrhG) sowie - im Falle einer Abmahnung - Ersatz von Abmahnkosten (§ 97a Abs. 3 UrhG) begründen kann. Das Recht des Urhebers auf Anbringung der Urheberbezeichnung gem. § 13 Satz 2 UrhG ist in seinem Kern unverzichtbar. Daraus, dass der Urheber nach § 13 Satz 2 UrhG bestimmen kann, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen und welche Bezeichnung zu verwenden ist, ergibt sich jedoch, dass es ihm außerhalb dieses unverzichtbaren Kerns grundsätzlich freisteht, durch ausdrücklich oder stillschweigend getroffene vertragliche Vereinbarungen mit dem Werkverwerter auf die Ausübung dieses Rechts zu verzichten oder in dieses Recht beeinträchtigende Nutzungen einzuwilligen.

Solche Vereinbarungen unterliegen allerdings Grenzen, deren Überschreitung gem. § 138 Abs. 1 BGB und - soweit AGB in Rede stehen - gem. § 307 Abs. 1 und 2 BGB zur Unwirksamkeit der Vereinbarung führt. Im Rahmen der bei der Prüfung dieser Bestimmungen vorzunehmenden Gesamtabwägung sind sowohl die Interessen von Urheber und Vertragspartner als auch die jeweiligen vertragsrelevanten Umstände wie die Art des Werks sowie der Zweck und die Dauer der Vereinbarung in den Blick zu nehmen. Zu berücksichtigen sind der sachliche und zeitliche Umfang der in Rede stehenden Einschränkung des Namensnennungsrechts. Dabei kommt es etwa darauf an, ob die Einschränkung nur bestimmte Werke oder bestimmte Nutzungen betrifft und nur für eine bestimmte Zeit gelten oder widerruflich sein soll oder aber der Urheber sich pauschal und dauerhaft zum Verzicht auf die Ausübung seines Namensnennungsrechts verpflichtet hat. Im Rahmen der Abwägung können zudem Verkehrsgewohnheiten und Branchenübungen berücksichtigt werden.

Diese Grundsätze hat das OLG in der Sache zutreffend seiner Beurteilung zugrunde gelegt und geprüft, ob die im Streitfall das Namensnennungsrecht des Urhebers einschränkenden Klauseln gem. Ziffer 3 und 5 des Upload-Vertrags nach den Umständen einer Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB standhalten. Rechtsfehler sind ihm dabei nicht unterlaufen. Das OLG hat die beanstandeten Klauseln mit Recht als AGB i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB angesehen. Es hat die in Rede stehenden AGB ferner zutreffend dahin ausgelegt, dass der Urheber durch sie darauf verzichtet, durch die Kunden der F. als Urheber der von diesen verwendeten Fotografien benannt zu werden. Das OLG hat weiter angenommen, dass die angegriffenen Klauseln zwar von einem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung des § 13 Satz 2 UrhG abwichen (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB), gleichwohl aber nicht gem. § 307 BGB unwirksam seien, weil sie den Kläger nicht unangemessen benachteiligten. Diese zutreffende Beurteilung hält den Angriffen der Revision stand.

Das OLG hat weiter zu Recht ausgeführt, dass der Verzicht des Urhebers auf die Urheberbenennung keine unangemessene Benachteiligung des Urhebers darstelle, der sich - wie der Kläger - mit Abschluss des Upload-Vertrags aus freien Stücken dafür entscheide, seine Werke über ein Microstock-Portal zu vermarkten. Mit dieser Entscheidung bediene sich der Urheber willentlich und im eigenen Interesse zum Zweck der Erzielung einer hinreichenden Vergütung und der Vermeidung eines mit einer eigenständigen Vermarktung verbundenen zeitlichen und finanziellen Aufwands des Geschäftsmodells eines Microstock-Portals. Dieses Geschäftsmodell beruhe auf einer hohen Reichweite. Diese komme wiederum dem Urheber zugute und kompensiere so die im jeweiligen Einzelfall für die Unterlizenzen zu entrichtende geringe Lizenzgebühr. Das OLG hat mit diesen Erwägungen sowohl den zeitlichen und sachlichen Umfang der Einschränkung des Namensnennungsrechts als auch die Interessen des Urhebers und seines Vertragspartners mit Blick auf die Besonderheiten des in Rede stehenden Geschäftsmodells berücksichtigt und alle relevanten Gesichtspunkte im Rahmen einer Gesamtbetrachtung gewürdigt. Rechtsfehler sind ihm dabei nicht unterlaufen.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung (Vorinstanz):
Wirksamkeit eines Verzichts auf Urheberbenennung in AGB eines Microstock-Portals
OLG Frankfurt vom 29.09.2022 - 11 U 95/21

Kurzbeitrag:
OLG Frankfurt: Wirksamer Verzicht auf Urhebernennung in AGB eines Microstock-Portals
Lilian Fanderl / Vilma Niclas / German von Blumenthal, ITRB 2022, 270

Kurzbeitrag:
OLG Frankfurt: Verzicht auf Urheberbenennung in AGBs
Jan Pfeiffer, CR 2022, R127

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