22.03.2011

Minderheitsaktionäre sind trotz wirksamer Eintragung des Übertragungsbeschlusses zur Anfechtung befugt

Minderheitsaktionäre, deren Aktien nach dem Beschluss der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft auf einen Hauptaktionär übertragen werden sollen, verlieren die Befugnis, diesen Beschluss wegen Verletzung des Gesetzes oder der Satzung anzufechten, nicht, wenn der Übertragungsbeschluss vor Zustellung ihrer Klage in das Handelsregister eingetragen wird und ihre Aktien damit auf den Hauptaktionär übergehen.

BGH 22.3.2011, II ZR 229/09
Der Sachverhalt:
Die Kläger waren Aktionäre der Beklagten, die bis zur Umwandlung in eine GmbH im Jahr 2009 eine Aktiengesellschaft war. In der Hauptversammlung der Beklagten vom 21.12.2007 wurde die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf die Hauptaktionärin beschlossen (§ 327a Abs. 1 S. 1 AktG). Dagegen erhoben die Kläger Anfechtungsklagen, die zwischen dem 17. und 21.1.2008 beim zuständigen Gericht eingingen und dem Aufsichtsrat der Beklagten am 28.2.2008 sowie dem Vorstand am 3.3.2008 zugestellt wurden. Auf Antrag der Beklagten vom 11.2.2008, in dem erklärt worden war, dass eine Klage gegen die Wirksamkeit des Übertragungsbeschlusses nicht erhoben worden sei, war dieser bereits am 27.2.2008 in das Handelsregister eingetragen worden.

Das LG gab der Klage statt und erklärte den Übertragungsbeschluss für nichtig. Das OLG wies die Klage ab, weil die Kläger zum Zeitpunkt der Zustellung ihrer Klagen nicht mehr Aktionäre der Beklagten gewesen seien. Die Kläger hätten infolge der Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister ihre Aktionärsstellung vor Zustellung ihrer Klagen verloren. Mit der Eintragung des Übertragungsbeschlusses seien die Aktien der Kläger - ungeachtet der von ihnen bereits eingereichten, aber noch nicht zugestellten Klagen - gem. § 327e Abs. 3 S. 1 AktG auf die Hauptaktionärin übergegangen. Auf die Revision zweier Kläger hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur Entscheidung über die geltend gemachten Anfechtungsgründe an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das OLG hat zu Unrecht entschieden, dass die Kläger zum Zeitpunkt der Zustellung ihrer Klagen nicht mehr Aktionäre der Beklagten gewesen seien.

Ein Kläger ist zwar grundsätzlich nur dann befugt, Beschlüsse der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft gem. § 245 Nr. 1 AktG anzufechten, wenn er im Zeitpunkt der (erst) mit der Zustellung erfolgten Erhebung der Klage (noch) Aktionär der beklagten Aktiengesellschaft ist. Dies gilt aber nicht für die Klage eines Minderheitsaktionärs gegen den Beschluss der Hauptversammlung, auf Verlangen eines Hauptaktionärs, dem Aktien der Gesellschaft in Höhe von 95 Prozent des Grundkapitals gehören, diesem die Aktien der übrigen Aktionäre (Minderheitsaktionäre) gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung zu übertragen (§ 327a AktG).

§ 245 Nr. 1 AktG ist vielmehr verfassungskonform dahin auszulegen, dass die Anfechtungsbefugnis des Minderheitsaktionärs nicht entfällt, wenn er infolge der Eintragung des Übertragungsbeschlusses seine Aktionärsstellung vor Zustellung seiner Anfechtungsklage verliert. Diese Auslegung ist geboten, um den Aktionär nicht rechtlos gegen die zwangsweise Übertragung seiner Aktien zu stellen und um der vom Gesetzgeber vorgesehenen, verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsschutzmöglichkeit gegen den von der Hauptversammlung gefassten Übertragungsbeschluss Geltung zu verschaffen.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 47 vom 22.3.2011
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