16.10.2023

Mit gefälschter Unterschrift: Darlehensaufnahme unter dem Namen des Ehemanns

Gem. § 241a Abs. 2 Fall 2 BGB sind gesetzliche Ansprüche nicht ausgeschlossen, wenn die Leistung in der irrigen Vorstellung einer Bestellung erfolgte und der Empfänger dies zwar nicht selbst erkannt hat, ihm aber in entsprechender Anwendung von § 166 Abs. 1 BGB die Kenntnis einer anderen Person von dieser irrigen Vorstellung des Unternehmers zuzurechnen ist.

BGH v. 26.9.2023 - XI ZR 98/22
Der Sachverhalt:
Die klagende Bank nimmt den Beklagten auf Rückzahlung eines auf sein Konto überwiesenen Geldbetrages in Anspruch. Der Beklagte und seine damalige Ehefrau führten bei der P-Bank ein gemeinsames Konto. Auf dieses Konto überwies die Klägerin am 26.3.2019 einen Betrag i.H.v. rd. 3.500 €. Aus ihrer Sicht erfolgte damit die Auszahlung der Darlehensvaluta aus einem unter dem 19.3.2019 zwischen ihr und dem Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag. Tatsächlich war der Beklagte aber nicht an dem vermeintlichen Vertragsschluss beteiligt, vielmehr handelte seine damalige Ehefrau unter seinem Namen.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurden die Kreditvertragsunterlagen im Wege des Post-ident-Videoverfahrens an den Beklagten übersandt. Daraufhin erhielt die Klägerin die Antragsunterlagen nebst Kopien von Lohnabrechnungen, des Personalausweises des Beklagten, der Bankkarte und von Kontoauszügen. Bei dem durchgeführten Video-Identverfahren trat der Stiefvater der damaligen Ehefrau des Beklagten unter Vorlage des Personalausweises des Beklagten auf. Die Unterschrift des Kreditnehmers auf dem Kreditvertrag wurde von der damaligen Ehefrau des Beklagten gefälscht.

Nachdem die Klägerin im weiteren Verlauf die Kündigung des vermeintlichen Darlehensvertrags wegen Zahlungsrückstandes erklärt hatte, erfolgten Teilzahlungen i.H.v. insgesamt rd. 1.100 €. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von rd. 2.400 € nebst Zinsen.

Das AG gab der Klage statt; das LG wies sie ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des AG zurück.

Die Gründe:
Der Klägerin steht der geltend gemachte Bereicherungsanspruch, der nicht durch § 241a BGB ausgeschlossen ist, zu.

Es kann dahinstehen, ob es sich bei der Überweisung der "Darlehensvaluta" um eine sonstige unbestellte Leistung i.S.v. § 241a Abs. 1 BGB handelt, oder ob die Erfüllung eines Scheinvertrages wie hier nicht unter § 241a Abs. 1 BGB fällt. Denn selbst wenn § 241a Abs. 1 BGB eingreifen würde, wären gesetzliche Ansprüche der Klägerin nach § 241a Abs. 2 Fall 2 BGB nicht ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift sind gesetzliche Ansprüche dann nicht ausgeschlossen, wenn die Leistung in der irrigen Vorstellung einer Bestellung erfolgte und der Empfänger dies erkannt hat oder bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können. In einem solchen Fall soll es nach dem Willen des Gesetzgebers bei den allgemeinen Regeln verbleiben, weil diese zu einer angemessenen Rückabwicklung führen. Wegen des eindeutigen Willens des Gesetzgebers käme eine unionsrechtskonforme Auslegung nicht in Betracht, selbst wenn die Vorschrift gegen Unionsrecht verstieße.

Entgegen der Ansicht des LG ist dem Beklagten in entsprechender Anwendung von § 166 Abs. 1 BGB die Kenntnis seiner Ehefrau von der irrigen Vorstellung einer Bestellung auf Seiten der Klägerin zuzurechnen. Die Rechtsprechung hat der Regelung des § 166 Abs. 1 BGB den allgemeinen Rechtsgedanken entnommen, dass sich unabhängig von dem Vorliegen eines Vertretungsverhältnisses derjenige, der einen anderen mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraut, das in diesem Rahmen erlangte Wissen des anderen zurechnen lassen muss. So liegt der Fall hier.

Denn nach den Feststellungen des LG hat sich bis zur Trennung des Beklagten von seiner damaligen Ehefrau allein letztere um die finanziellen Angelegenheiten der Familie und insbesondere um die Verwaltung des gemeinsamen Kontos gekümmert. Sie hatte deshalb bei der Vornahme und Abwicklung von Geldgeschäften eine tatsächlich ähnliche Stellung wie ein Vertreter. Der Beklagte ließ sich insoweit bewusst von seiner Ehefrau in ähnlicher Weise repräsentieren wie durch einen rechtsgeschäftlichen Stellvertreter. Allein weil der Beklagte sich um das Konto nicht kümmerte, konnte die Ehefrau bei der Klägerin den Irrtum hervorrufen, mit dem Beklagten einen Darlehensvertrag geschlossen zu haben, und die Klägerin ohne dessen Wissen dazu veranlassen, die vermeintliche Darlehensvaluta auf das gemeinsame Konto zu überweisen.

Die im vorliegenden Fall gegebene Interessenlage entspricht daher so sehr der Interessenlage eines rechtsgeschäftlichen Vertretungsverhältnisses, dass es sachgerecht ist, das Wissen, das die Ehefrau in Ausübung des ihr übertragenen Wirkungskreises erworben hat, in entsprechender Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB dem Beklagten zuzurechnen. Unerheblich ist, ob die damalige Ehefrau des Beklagten mit der Aufnahme des Darlehens unter seinem Namen ihre Befugnisse im Innenverhältnis vorsätzlich überschritten hat. Das schließt entgegen der Ansicht des LG eine Wissenszurechnung im Verhältnis zum Beklagten nicht aus, weil die Darlehensaufnahme unter dem Namen des Beklagten noch in innerem Zusammenhang mit dem ihr überlassenen Wirkungskreis stand.

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