27.03.2012

Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat einer Alt-AG besteht nur ab fünf Arbeitnehmern

Für eine vor dem 10.8.1994 eingetragene AG, die keine Familiengesellschaft ist, besteht ein Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat, wenn die Gesellschaft mindestens fünf Arbeitnehmer hat. Hierfür spricht sowohl die Gesetzessystematik als auch der Zweck des DrittelbG, wonach erst die mit dem Überschreiten einer bestimmten Unternehmensgröße auftretenden Probleme der Anonymisierung der Arbeitnehmer, der Bürokratisierung der Unternehmensleitung und damit der Entstehung von Dienstwegen eine Mitbestimmung der Arbeitnehmer nahelegen.

BGH 7.2.2012, II ZB 14/11
Der Sachverhalt:
Die Antragsgegnerin ist eine Familiengesellschaft, die bereits vor 1994 im Handelsregister als AG eingetragen worden war. Sie beschäftigte im Jahr 2010 zunächst drei, seit August 2010 nur noch zwei Arbeitnehmer. Der Aufsichtsrat war aus zwei Mitgliedern der Anteilseigner und einem Arbeitnehmervertreter zusammengesetzt. Im März 2010 teilte der Vorstand der Antragsgegnerin mit, dass nach seiner Ansicht der Aufsichtsrat der Gesellschaft nicht nach den maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften zusammengesetzt sei. Da die Gesellschaft inzwischen in der Regel weniger als fünf Arbeitnehmer beschäftige, sei die Verpflichtung zur Bildung eines Aufsichtsrates nach dem DrittelbG entfallen.

Der Antragsteller ist Aktionär der Antragsgegnerin. Er beantragte im April 2011 die gerichtliche Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrates der Antragsgegnerin gem. § 98 Abs. 1 S. 1 AktG. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats der Antragsgegnerin beantragte hingegen die Zurückweisung des Antrags.

Das LG stellte fest, dass sich der Aufsichtsrat der Antragsgegnerin nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1 DrittelbG zusammensetzt. Auf die Beschwerde des Vorstandes änderte das OLG den Beschluss ab und stellte fest, dass für die Antragsgegnerin das DrittelbG nicht gilt. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Antragstellers blieb vor dem BGH erfolglos.

Die Gründe:
Die Antragsgegnerin wird vom Anwendungsbereich des DrittelbG nicht erfasst.

In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob das DrittelbG auf eine vor dem 10.8.1994 eingetragene AG entgegen dem Wortlaut in § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 DrittelbG erst ab einer bestimmten Arbeitnehmeranzahl anzuwenden ist. Eine Ansicht, der sich das Beschwerdegericht angeschlossen hatte, verlangt mindestens fünf Arbeitnehmer für die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Vorschriften über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat für die Alt-AG. Sie stellt darauf ab, dass es bei der Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat nicht nur um eine bloße Beteiligung von Arbeitnehmern an Unternehmensentscheidungen gehe, sondern um eine kollektive Interessenvertretung der Belegschaft durch die Wahl von Arbeitnehmervertretern. Das BetrVG zeige, dass der Gesetzgeber für die Errichtung von Betriebsräten eine solche erst ab einer Mindestgröße von fünf Arbeitnehmern für notwendig und sinnvoll halte, weshalb diese Mindestanzahl auch für die Arbeitnehmermitbestimmung im Aufsichtsrat zu fordern sei.

Auch die Gesetzessystematik spricht dafür, den Anwendungsbereich des DrittelbG erst ab einer Mindestanzahl von fünf Arbeitnehmern als eröffnet anzusehen. Die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer werden von den wahlberechtigten Arbeitnehmern des Unternehmens gewählt. Zwar ist eine Wahl als solche bereits bei nur zwei aktiv oder passiv wahlberechtigten Mitarbeitern des Unternehmens möglich. Gem. § 6 S. 1 DrittelbG erfolgt die Wahl aber auf Grund von Wahlvorschlägen der Betriebsräte und Arbeitnehmer. Ein Unternehmen mit nur zwei Mitarbeitern erreicht jedoch die Mindestanzahl von fünf Arbeitnehmern für die Wahl eines Betriebsrates gem. § 1 BetrVG nicht, so dass es auch keinen Wahlvorschlag des Betriebsrates geben kann.

Letztlich wird der Zweck des DrittelbG in Unternehmen mit nur zwei Arbeitnehmern nicht erreicht. Erst die mit dem Überschreiten einer bestimmten Unternehmensgröße auftretenden Probleme der Anonymisierung der Arbeitnehmer, der Bürokratisierung der Unternehmensleitung und damit der Entstehung von Dienstwegen legen eine Mitbestimmung der Arbeitnehmer nahe. Auch die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat dient der kollektiven Interessenvertretung der Belegschaft durch die Mitbestimmung im Hinblick auf die sozialen und personellen Auswirkungen wirtschaftlicher Unternehmerentscheidungen in einem wichtigen Organ des Unternehmensträgers. Eine kollektive Interessenvertretung setzt voraus, dass die Interessen mehrerer und nicht nur einzelner Personen vertreten werden sollen.

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