Mitteilung nach § 16 Abs. 1 ArbNErfG: Pflicht des Arbeitgebers zur Übertragung des Rechts an den Arbeitnehmer?
BGH v. 27.7.2021 - X ZR 61/20
Der Sachverhalt:
Der Kläger nimmt die Beklagte auf die Einräumung einer hälftigen Mitberechtigung an einem deutschen Patent in Anspruch. Der Kläger war bei der Beklagten von November 2004 bis Ende September 2015 beschäftigt, zunächst als Entwicklungsingenieur und zuletzt als Leiter der Entwicklungsabteilung. Im Rahmen seiner Tätigkeit entwickelte er gemeinsam mit einem weiteren Mitarbeiter eine Zündlanze zum Einsatz in explosionsgefährdeten Bereichen. Die Beklagte hat die Erfindung in Anspruch genommen und am 25.1.2012 zum Patent angemeldet. Der Hinweis auf die Erteilung des Patents wurde am 26.2.2015 veröffentlicht.
Nach dem Ausscheiden des Klägers teilte der Geschäftsführer der Beklagten ihm mit E-Mail vom 29.3.2016 mit, dass eine Arbeitnehmererfindervergütung für sechs Jahre i.H.v. rd. 3.540 € je Erfinder gezahlt und die Jahresgebühr für das Patent letztmalig für 2017 entrichtet werde. Nachdem der Kläger Einwendungen gegen die Höhe der Vergütung erhoben hatte, erklärte die Beklagte in einer weiteren E-Mail vom 1.5.2016 u.a., sie werde das Patent nach einer Laufzeit von sechs Jahren nicht weiter aufrechterhalten.
Der Kläger lieferte bei der Deutschen Post AG einen an die Beklagte gerichteten Brief vom 28.7.2016 ein, in dem er mitteilte, er nehme das Patent nach Ablauf der sechs Jahre für sich in Anspruch. Der Zugang dieses Schreibens an die Beklagte steht zwischen den Parteien im Streit. Der Kläger ist mittlerweile bei einem Unternehmen beschäftigt, das nach seinem Eintritt den Vertrieb von Produkten aufgenommen hat, die mit denen der Beklagten in Wettbewerb stehen. Im Mai 2017 erklärte die Beklagte unter Hinweis darauf, sie wolle das Patent nicht freigeben.
Das LG gab der Klage teilweise statt und verurteilte die Beklagte, dem Kläger eine Berechtigung an dem Patent zur Hälfte abzutreten. Das OLG wies die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das OLG hat zutreffend entschieden, dass dem Kläger ein Anspruch gegen die Beklagte auf Einräumung einer Mitberechtigung an dem Patent nicht zusteht.
Rechtsfehlerfrei ist das OLG zu der Auffassung gelangt, dass der Arbeitgeber zur Übertragung der Anmeldung bzw. des Patents nicht verpflichtet ist, wenn der Arbeitnehmer erst nach Ablauf der in § 16 Abs. 2 ArbNErfG normierten Frist von drei Monaten ein entsprechendes Verlangen an ihn richtet. Nach § 6 ArbNErfG hat der Arbeitgeber die Befugnis, eine Diensterfindung in Anspruch zu nehmen. Durch die Inanspruchnahme gehen die vermögenswerten Rechte an der Diensterfindung auf den Arbeitgeber über (§ 7 ArbNErfG). Dieser ist im Gegenzug verpflichtet, den Arbeitnehmer angemessen zu vergüten (§ 9 ArbNErfG) und die Diensterfindung unverzüglich zur Erteilung eines Schutzrechts anzumelden (§ 13 ArbNErfG). Damit geht die Verpflichtung des Arbeitgebers einher, die mit dem Erteilungsverfahren in Zusammenhang stehenden Kosten, ferner die Kosten der Aufrechterhaltung einer Patentanmeldung und eines darauf erteilten Patents zu tragen.
§ 16 ArbNErfG sieht die Möglichkeit vor, dass der Arbeitgeber, der eine Diensterfindung in Anspruch genommen hat, eine daraus hervorgegangene Patentanmeldung nicht weiterverfolgt oder ein erteiltes Patent auch dann nicht aufrechterhält, wenn der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers noch nicht erfüllt ist. Die Regelung soll dem Umstand Rechnung tragen, dass sich eine Erfindung oder ein Schutzrecht oft schon nach kurzer Zeit, etwa infolge der Weiterentwicklung der Technik oder durch eine Veränderung der Marktverhältnisse, als überholt erweist und sich die Weiterverfolgung einer Anmeldung oder die Aufrechterhaltung eines Patents bis zum Ablauf der gesetzlichen Höchstschutzdauer für den Arbeitgeber wirtschaftlich nicht lohnt. Bei einer solchen Sachlage soll der Arbeitgeber die Möglichkeit haben, die Aufwendungen zu begrenzen, die mit einer Anmeldung der Diensterfindung zum Patent einhergehen. Das Gesetz überlässt es allein dem Arbeitgeber, entsprechende wirtschaftliche Überlegungen anzustellen und entsprechend über seine Schutzrechte zu disponieren.
Ist zu dem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber einen entsprechenden Entschluss fasst, der durch die Inanspruchnahme der Erfindung begründete Anspruch des Arbeitnehmers auf angemessene Vergütung bereits vollständig erfüllt, darf der Arbeitgeber das Recht aufgeben, ohne die Einwilligung des Erfinders einholen oder ihn auch nur befragen zu müssen. Anders verhält es sich, wenn - wie hier - der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers noch nicht erfüllt ist. Zwar ist es dem Arbeitgeber auch in diesem Fall möglich, sich von den mit der Anmeldung oder der Aufrechterhaltung des Patents verbundenen finanziellen Belastungen zu befreien. Nach § 16 ArbNErfG muss er dem Arbeitnehmererfinder dann aber einen Ausgleich gewähren, und zwar dadurch, dass er die Anmeldung bzw. das Patent auf Verlangen auf den Arbeitnehmer überträgt. Die Verpflichtung zur Übertragung entsteht, wenn der Arbeitnehmer auf die in § 16 Abs. 1 ArbNErfG vorgeschriebene Mitteilung hin ein entsprechendes Verlangen an den Arbeitgeber richtet.
Zu Recht hat das OLG - in Einklang mit der mit der einhelligen Ansicht in der Literatur - entschieden, dass eine Pflicht zur Übertragung nur dann besteht, wenn der Arbeitnehmer ein entsprechendes Verlangen innerhalb der in § 16 Abs. 2 ArbNErfG normierten Frist äußert, und zwar unabhängig davon, ob der Arbeitgeber zu diesem Zeitpunkt an seiner Absicht festhält, das Recht aufzugeben. Ebenfalls rechtsfehlerfrei ist das OLG zu dem Ergebnis gelangt, dass die E-Mail vom 29.3.2016 den Anforderungen an eine Mitteilung der Aufgabeabsicht nach § 16 Abs. 1 ArbNErfG genügt und ein am 29.7.2016 zugegangenes Übertragungsverlangen deshalb keinen Übertragungsanspruch des Klägers begründen konnte. Ebenfalls zutreffend hat das OLG angenommen, dass eine ausdrückliche Anfrage, ob der Arbeitnehmer an einer Übergabe interessiert ist, oder eine Belehrung über die Frist des § 16 Abs. 2 ArbNErfG nicht erforderlich sind. § 16 Abs. 1 ArbNErfG sieht solche Erfordernisse nicht vor. § 16 Abs. 2 ArbNErfG knüpft den Fristbeginn lediglich an den Zugang der Mitteilung, nicht aber an weitere Voraussetzungen. Zu Recht hat das OLG i.Ü. auch angenommen, dass die Frist des § 16 Abs. 1 ArbNErfG bereits mit der ersten ordnungsgemäßen Mitteilung zu laufen beginnt und eine Wiederholung dieser Mitteilung nicht zu einem Neubeginn der bereits laufenden Frist führt.
BGH online
Der Kläger nimmt die Beklagte auf die Einräumung einer hälftigen Mitberechtigung an einem deutschen Patent in Anspruch. Der Kläger war bei der Beklagten von November 2004 bis Ende September 2015 beschäftigt, zunächst als Entwicklungsingenieur und zuletzt als Leiter der Entwicklungsabteilung. Im Rahmen seiner Tätigkeit entwickelte er gemeinsam mit einem weiteren Mitarbeiter eine Zündlanze zum Einsatz in explosionsgefährdeten Bereichen. Die Beklagte hat die Erfindung in Anspruch genommen und am 25.1.2012 zum Patent angemeldet. Der Hinweis auf die Erteilung des Patents wurde am 26.2.2015 veröffentlicht.
Nach dem Ausscheiden des Klägers teilte der Geschäftsführer der Beklagten ihm mit E-Mail vom 29.3.2016 mit, dass eine Arbeitnehmererfindervergütung für sechs Jahre i.H.v. rd. 3.540 € je Erfinder gezahlt und die Jahresgebühr für das Patent letztmalig für 2017 entrichtet werde. Nachdem der Kläger Einwendungen gegen die Höhe der Vergütung erhoben hatte, erklärte die Beklagte in einer weiteren E-Mail vom 1.5.2016 u.a., sie werde das Patent nach einer Laufzeit von sechs Jahren nicht weiter aufrechterhalten.
Der Kläger lieferte bei der Deutschen Post AG einen an die Beklagte gerichteten Brief vom 28.7.2016 ein, in dem er mitteilte, er nehme das Patent nach Ablauf der sechs Jahre für sich in Anspruch. Der Zugang dieses Schreibens an die Beklagte steht zwischen den Parteien im Streit. Der Kläger ist mittlerweile bei einem Unternehmen beschäftigt, das nach seinem Eintritt den Vertrieb von Produkten aufgenommen hat, die mit denen der Beklagten in Wettbewerb stehen. Im Mai 2017 erklärte die Beklagte unter Hinweis darauf, sie wolle das Patent nicht freigeben.
Das LG gab der Klage teilweise statt und verurteilte die Beklagte, dem Kläger eine Berechtigung an dem Patent zur Hälfte abzutreten. Das OLG wies die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das OLG hat zutreffend entschieden, dass dem Kläger ein Anspruch gegen die Beklagte auf Einräumung einer Mitberechtigung an dem Patent nicht zusteht.
Rechtsfehlerfrei ist das OLG zu der Auffassung gelangt, dass der Arbeitgeber zur Übertragung der Anmeldung bzw. des Patents nicht verpflichtet ist, wenn der Arbeitnehmer erst nach Ablauf der in § 16 Abs. 2 ArbNErfG normierten Frist von drei Monaten ein entsprechendes Verlangen an ihn richtet. Nach § 6 ArbNErfG hat der Arbeitgeber die Befugnis, eine Diensterfindung in Anspruch zu nehmen. Durch die Inanspruchnahme gehen die vermögenswerten Rechte an der Diensterfindung auf den Arbeitgeber über (§ 7 ArbNErfG). Dieser ist im Gegenzug verpflichtet, den Arbeitnehmer angemessen zu vergüten (§ 9 ArbNErfG) und die Diensterfindung unverzüglich zur Erteilung eines Schutzrechts anzumelden (§ 13 ArbNErfG). Damit geht die Verpflichtung des Arbeitgebers einher, die mit dem Erteilungsverfahren in Zusammenhang stehenden Kosten, ferner die Kosten der Aufrechterhaltung einer Patentanmeldung und eines darauf erteilten Patents zu tragen.
§ 16 ArbNErfG sieht die Möglichkeit vor, dass der Arbeitgeber, der eine Diensterfindung in Anspruch genommen hat, eine daraus hervorgegangene Patentanmeldung nicht weiterverfolgt oder ein erteiltes Patent auch dann nicht aufrechterhält, wenn der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers noch nicht erfüllt ist. Die Regelung soll dem Umstand Rechnung tragen, dass sich eine Erfindung oder ein Schutzrecht oft schon nach kurzer Zeit, etwa infolge der Weiterentwicklung der Technik oder durch eine Veränderung der Marktverhältnisse, als überholt erweist und sich die Weiterverfolgung einer Anmeldung oder die Aufrechterhaltung eines Patents bis zum Ablauf der gesetzlichen Höchstschutzdauer für den Arbeitgeber wirtschaftlich nicht lohnt. Bei einer solchen Sachlage soll der Arbeitgeber die Möglichkeit haben, die Aufwendungen zu begrenzen, die mit einer Anmeldung der Diensterfindung zum Patent einhergehen. Das Gesetz überlässt es allein dem Arbeitgeber, entsprechende wirtschaftliche Überlegungen anzustellen und entsprechend über seine Schutzrechte zu disponieren.
Ist zu dem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber einen entsprechenden Entschluss fasst, der durch die Inanspruchnahme der Erfindung begründete Anspruch des Arbeitnehmers auf angemessene Vergütung bereits vollständig erfüllt, darf der Arbeitgeber das Recht aufgeben, ohne die Einwilligung des Erfinders einholen oder ihn auch nur befragen zu müssen. Anders verhält es sich, wenn - wie hier - der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers noch nicht erfüllt ist. Zwar ist es dem Arbeitgeber auch in diesem Fall möglich, sich von den mit der Anmeldung oder der Aufrechterhaltung des Patents verbundenen finanziellen Belastungen zu befreien. Nach § 16 ArbNErfG muss er dem Arbeitnehmererfinder dann aber einen Ausgleich gewähren, und zwar dadurch, dass er die Anmeldung bzw. das Patent auf Verlangen auf den Arbeitnehmer überträgt. Die Verpflichtung zur Übertragung entsteht, wenn der Arbeitnehmer auf die in § 16 Abs. 1 ArbNErfG vorgeschriebene Mitteilung hin ein entsprechendes Verlangen an den Arbeitgeber richtet.
Zu Recht hat das OLG - in Einklang mit der mit der einhelligen Ansicht in der Literatur - entschieden, dass eine Pflicht zur Übertragung nur dann besteht, wenn der Arbeitnehmer ein entsprechendes Verlangen innerhalb der in § 16 Abs. 2 ArbNErfG normierten Frist äußert, und zwar unabhängig davon, ob der Arbeitgeber zu diesem Zeitpunkt an seiner Absicht festhält, das Recht aufzugeben. Ebenfalls rechtsfehlerfrei ist das OLG zu dem Ergebnis gelangt, dass die E-Mail vom 29.3.2016 den Anforderungen an eine Mitteilung der Aufgabeabsicht nach § 16 Abs. 1 ArbNErfG genügt und ein am 29.7.2016 zugegangenes Übertragungsverlangen deshalb keinen Übertragungsanspruch des Klägers begründen konnte. Ebenfalls zutreffend hat das OLG angenommen, dass eine ausdrückliche Anfrage, ob der Arbeitnehmer an einer Übergabe interessiert ist, oder eine Belehrung über die Frist des § 16 Abs. 2 ArbNErfG nicht erforderlich sind. § 16 Abs. 1 ArbNErfG sieht solche Erfordernisse nicht vor. § 16 Abs. 2 ArbNErfG knüpft den Fristbeginn lediglich an den Zugang der Mitteilung, nicht aber an weitere Voraussetzungen. Zu Recht hat das OLG i.Ü. auch angenommen, dass die Frist des § 16 Abs. 1 ArbNErfG bereits mit der ersten ordnungsgemäßen Mitteilung zu laufen beginnt und eine Wiederholung dieser Mitteilung nicht zu einem Neubeginn der bereits laufenden Frist führt.