Mobilfunkbetreiber müssen auch Unternehmer auf erhöhte Auslandsgebühren hinweisen
AG München v. 14.5.2021 - 113 C 23543/20
Der Sachverhalt:
Der beklagte Verein schloss bei einem großen Mobilfunkbetreiber einen Flatrate-Handy-Vertrag ab. Die Kosten lagen bei rd. 50 € mtl. Das Mobiltelefon wurde dem Vorstand zur Nutzung überlassen. Dieser begab sich mit dem Mobiltelefon auf eine Fernreise nach Kanada. Das Handy wählte sich dort in das ausländische Netz ein und verursachte so im Zeitraum eines Monats Roaming-Kosten i.H.v. insgesamt rd. 2.460 €.
Hiervon zahlte der Beklagte nur einen Teil, einen weiteren Teil i.H.v. 400 € erließ der Mobilfunkbetreiber im Rahmen einer Kulanzgutschrift. Das Inkassounternehmen, das sich die Forderung des Mobilfunkbetreibers abtreten ließ, klagte sodann auf Zahlung von rd. 1.960 €.
Der Beklagte trug vor, der Mobilfunkbetreiber hätte ihn auf die stark ansteigenden Kosten hinweisen müssen. Da dies nicht geschehen sei, habe er seinerseits Schadenersatzansprüche gegen den Mobilfunkbetreiber, welche er der Forderung entgegenhalte. Die Klägerin war der Ansicht, eine Informationspflicht seitens des Mobilfunkbetreibers habe nicht bestanden. Entsprechende Informationspflichten gäbe es nur gegenüber Verbrauchern und nicht in Bezug auf Unternehmer, wie den Beklagten.
Das AG gab Klage nur teilweise statt. Das Urteil ist rechtskräftig.
Die Gründe:
Die Zedentin hat im Ausgangspunkt einen Anspruch auf Zahlung von 1.960 € als Entgelt für die Inanspruchnahme von Leistungen aus dem unstreitig geschlossenen Mobilfunkvertrag im streitgegenständlichen Zeitraum durch den Beklagten erworben. Dieses Entgelt überschritt aufgrund des Zugriffs auf den ausländischen Roaming-Dienst den monatlichen Basistarif i.H.v. 50 €. Dem entstandenen Anspruch steht aber die Einrede unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) i.H.v. rd. 1.400 € entgegen, da der Beklagte einen Schadensersatzanspruch in dieser Höhe aus §§ 611, 280 Abs. 1, 3, 282 BGB wegen Verletzung einer Nebenpflicht i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB gegen die Zedentin hat.
Konkret verletzte die Zedentin ihre Nebenpflicht, den Beklagten auf stark über dem vereinbarten Basistarif entstehende Kosten hinzuweisen. Diese Pflicht ergibt sich aus der überlegenen Sachkunde der Zedentin in Ansehung der entstehenden Kosten. Dem Beklagten war es bis zur Rechnungsstellung nicht erkennbar, erhöhte Kosten zu verursachen und er konnte daher auch keine weiteren Vorkehrungen treffen, diese zu verhindern. Im Gegensatz dazu hatte die Zedentin jederzeit Einblick in die Höhe und Ursache der Kosten, weshalb ein eklatantes Informationsgefälle zwischen der Zedentin und dem Beklagten bestand. Es war der Zedentin auch problemlos möglich, entsprechende Hinweise zu geben, etwa durch automatisierte Benachrichtigungen via SMS oder E-Mail.
Weiterhin war ein Interesse des Beklagten an Geringhaltung der Kosten für die Zedentin nicht nur ersichtlich, sondern auch mittelbar Vertragsgegenstand geworden, da der geschlossene Mobilfunkvertrag einen Flatrate-Tarif hatte. Ein solcher wird üblicherweise vereinbart, um eine gleichbleibende, berechenbare Kostengrundlage zu gewährleisten. Demnach besteht bei Flatrate-Tarifen eine noch erhöhte Veranlassung der die überlegende Sachkunde innehabenden Vertragspartei, die andere Partei über stark ansteigende Kosten zu informieren.
Eine solche Informationspflicht ist - wenn auch im vorliegenden Fall mangels Verbrauchereigenschaft des Beklagten nicht anwendbar - in Art. 15 Abs. 3 EU Roaming-VO festgelegt. Dieser Rechtsgedanke ist jedoch verallgemeinerbar auch auf Parteien anwendbar, die keine Verbraucher sind, da lediglich die fehlende Verbrauchereigenschaft der anderen Vertragspartei nicht das Ausnutzen überlegener Sachkunde rechtfertigt.
Lediglich der Schwellenwert, ab dem eine Informationspflicht besteht, muss bei unternehmerischen Vertragspartnern höher angesetzt werden, um insofern einer gewissen Erfahrung im Geschäftsverkehr und damit üblicherweise geringeren Schutzbedürftigkeit Rechnung zu tragen. Als Schwellenwert erscheint hier unter Berücksichtigung der geringeren Schutzbedürftigkeit von Unternehmern gegenüber Verbrauchern ein Betrag in zehnfacher Höhe des Basistarifs geeignet, welcher im vorliegenden Fall rd. 500 € beträgt.
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AG München PM Nr. 12 vom 25.3.2022
Der beklagte Verein schloss bei einem großen Mobilfunkbetreiber einen Flatrate-Handy-Vertrag ab. Die Kosten lagen bei rd. 50 € mtl. Das Mobiltelefon wurde dem Vorstand zur Nutzung überlassen. Dieser begab sich mit dem Mobiltelefon auf eine Fernreise nach Kanada. Das Handy wählte sich dort in das ausländische Netz ein und verursachte so im Zeitraum eines Monats Roaming-Kosten i.H.v. insgesamt rd. 2.460 €.
Hiervon zahlte der Beklagte nur einen Teil, einen weiteren Teil i.H.v. 400 € erließ der Mobilfunkbetreiber im Rahmen einer Kulanzgutschrift. Das Inkassounternehmen, das sich die Forderung des Mobilfunkbetreibers abtreten ließ, klagte sodann auf Zahlung von rd. 1.960 €.
Der Beklagte trug vor, der Mobilfunkbetreiber hätte ihn auf die stark ansteigenden Kosten hinweisen müssen. Da dies nicht geschehen sei, habe er seinerseits Schadenersatzansprüche gegen den Mobilfunkbetreiber, welche er der Forderung entgegenhalte. Die Klägerin war der Ansicht, eine Informationspflicht seitens des Mobilfunkbetreibers habe nicht bestanden. Entsprechende Informationspflichten gäbe es nur gegenüber Verbrauchern und nicht in Bezug auf Unternehmer, wie den Beklagten.
Das AG gab Klage nur teilweise statt. Das Urteil ist rechtskräftig.
Die Gründe:
Die Zedentin hat im Ausgangspunkt einen Anspruch auf Zahlung von 1.960 € als Entgelt für die Inanspruchnahme von Leistungen aus dem unstreitig geschlossenen Mobilfunkvertrag im streitgegenständlichen Zeitraum durch den Beklagten erworben. Dieses Entgelt überschritt aufgrund des Zugriffs auf den ausländischen Roaming-Dienst den monatlichen Basistarif i.H.v. 50 €. Dem entstandenen Anspruch steht aber die Einrede unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) i.H.v. rd. 1.400 € entgegen, da der Beklagte einen Schadensersatzanspruch in dieser Höhe aus §§ 611, 280 Abs. 1, 3, 282 BGB wegen Verletzung einer Nebenpflicht i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB gegen die Zedentin hat.
Konkret verletzte die Zedentin ihre Nebenpflicht, den Beklagten auf stark über dem vereinbarten Basistarif entstehende Kosten hinzuweisen. Diese Pflicht ergibt sich aus der überlegenen Sachkunde der Zedentin in Ansehung der entstehenden Kosten. Dem Beklagten war es bis zur Rechnungsstellung nicht erkennbar, erhöhte Kosten zu verursachen und er konnte daher auch keine weiteren Vorkehrungen treffen, diese zu verhindern. Im Gegensatz dazu hatte die Zedentin jederzeit Einblick in die Höhe und Ursache der Kosten, weshalb ein eklatantes Informationsgefälle zwischen der Zedentin und dem Beklagten bestand. Es war der Zedentin auch problemlos möglich, entsprechende Hinweise zu geben, etwa durch automatisierte Benachrichtigungen via SMS oder E-Mail.
Weiterhin war ein Interesse des Beklagten an Geringhaltung der Kosten für die Zedentin nicht nur ersichtlich, sondern auch mittelbar Vertragsgegenstand geworden, da der geschlossene Mobilfunkvertrag einen Flatrate-Tarif hatte. Ein solcher wird üblicherweise vereinbart, um eine gleichbleibende, berechenbare Kostengrundlage zu gewährleisten. Demnach besteht bei Flatrate-Tarifen eine noch erhöhte Veranlassung der die überlegende Sachkunde innehabenden Vertragspartei, die andere Partei über stark ansteigende Kosten zu informieren.
Eine solche Informationspflicht ist - wenn auch im vorliegenden Fall mangels Verbrauchereigenschaft des Beklagten nicht anwendbar - in Art. 15 Abs. 3 EU Roaming-VO festgelegt. Dieser Rechtsgedanke ist jedoch verallgemeinerbar auch auf Parteien anwendbar, die keine Verbraucher sind, da lediglich die fehlende Verbrauchereigenschaft der anderen Vertragspartei nicht das Ausnutzen überlegener Sachkunde rechtfertigt.
Lediglich der Schwellenwert, ab dem eine Informationspflicht besteht, muss bei unternehmerischen Vertragspartnern höher angesetzt werden, um insofern einer gewissen Erfahrung im Geschäftsverkehr und damit üblicherweise geringeren Schutzbedürftigkeit Rechnung zu tragen. Als Schwellenwert erscheint hier unter Berücksichtigung der geringeren Schutzbedürftigkeit von Unternehmern gegenüber Verbrauchern ein Betrag in zehnfacher Höhe des Basistarifs geeignet, welcher im vorliegenden Fall rd. 500 € beträgt.
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