Nationales Gesundheitsportal des Bundes verstößt gegen die Pressefreiheit
LG Bonn v. 28.6.2023 - 1 O 79/21
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist ein Verlag und auf die Vermittlung medizinischer und gesundheitlicher Informationen, aufbereitet durch Experten, in laienverständlicher Form spezialisiert. Zu den Angeboten gehören u.a. mehrere Gesundheitsportale. Die kostenlos zur Verfügung gestellten Inhalte finanziert der Kläger im Wesentlichen über digitale Werbung. Bei der Beklagten handelt es sich um die Bundesrepublik Deutschland. Diese startete im September 2020 auf der Webseite "gesund.bund.de" ihr "Nationales Gesundheitsportal" (NGP), ein Informationsangebot mit zahlreichen Artikeln rund um die Themen Gesundheit, Pflege und Lebensführung. Das Angebot des NGP ist anzeigen- und werbefrei.
Der Kläger sah in dem Gesundheitsportal des Bundes eine Konkurrenz gegenüber den eigenen Angeboten, mit dem der Bund das Gebot der Staatsferne der Presse verletze. Am 14.12.2020 mahnte er die Beklagte u.a. wegen der Anzeige der NGP-Inhalte ab. Die Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung lehnte die Beklagte ab. Der Kläger war der Ansicht, das sog. Institut der freien Presse diene dazu, eine Meinungsbildung durch den Staat von oben nach unten zu verhindern. Es solle die private Presse zudem vor einem Leserverlust durch staatliche Publikationen schützen, die ein Zeitungsangebot zu ersetzen vermögen. Mit einem weiteren Antrag wollte der Kläger die Feststellung einer Schadensersatzpflicht des Bundes erreichen.
Das LG hat der Klage teilweise stattgegeben. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.
Die Gründe:
Der Rechtsweg für die Klage zu den ordentlichen Gerichten war eröffnet. Der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch konnte sich entweder aus §§ 8, 3, 3a UWG ergeben oder aber aus dem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch (analog §§ 1004, 823 BGB).
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 3a UWG i.V.m. dem aus Art. 5 Abs. 1 S.2 GG folgenden Gebot der Staatsferne der Presse zu. Ein Großteil der auf dem Portal eingestellten Artikel überschreitet die Grenzen des zulässigen staatlichen Informationshandelns. Diese Artikel enthalten keinerlei Hinweise zu akuten Gefahrensituationen, sondern allgemeine Informationen wie ein Gesundheitslexikon oder Tipps und Ratschläge für ein gesundes Leben. Um seinen staatlichen Aufgaben und Fürsorgepflichten gegenüber den Bürgern gerecht zu werden, bedarf es allerdings eines solchen Portals des Bundes nicht. Zudem geht der Substitutionseffekt zu Lasten der privaten Anbieter ähnlicher Formate.
Der weitere Antrag auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht war jedoch abzuweisen. Zwar ist richtig, dass es für die festzustellende Ersatzpflicht der Beklagten genügt, dass der Einritt eines Schadens auf Seiten der Klägerin theoretisch möglich ist und nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines Schadens besteht. Allerdings ist eine nicht lediglich entfernt liegende Möglichkeit eines Schadens erforderlich, d.h. auf Grund des festgestellten Sachverhalts muss der Eintritt eines Schadens zumindest denkbar und möglich erscheinen. Daran fehlte es hier aber im Hinblick auf beide Feststellungsbegehren. Soweit der Kläger die Feststellung begehrt hatte, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm den Schaden zu ersetzen, der aus der Schaltung der sog. knowledge panels bzw. der diesbezüglichen Zusammenarbeit zwischen der Beklagten und Google erwachsen waren, erschien der Eintritt eines Schadens allenfalls abstrakt denkbar, im konkreten Fall aber nicht wahrscheinlich.
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Justiz NRW
Der Kläger ist ein Verlag und auf die Vermittlung medizinischer und gesundheitlicher Informationen, aufbereitet durch Experten, in laienverständlicher Form spezialisiert. Zu den Angeboten gehören u.a. mehrere Gesundheitsportale. Die kostenlos zur Verfügung gestellten Inhalte finanziert der Kläger im Wesentlichen über digitale Werbung. Bei der Beklagten handelt es sich um die Bundesrepublik Deutschland. Diese startete im September 2020 auf der Webseite "gesund.bund.de" ihr "Nationales Gesundheitsportal" (NGP), ein Informationsangebot mit zahlreichen Artikeln rund um die Themen Gesundheit, Pflege und Lebensführung. Das Angebot des NGP ist anzeigen- und werbefrei.
Der Kläger sah in dem Gesundheitsportal des Bundes eine Konkurrenz gegenüber den eigenen Angeboten, mit dem der Bund das Gebot der Staatsferne der Presse verletze. Am 14.12.2020 mahnte er die Beklagte u.a. wegen der Anzeige der NGP-Inhalte ab. Die Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung lehnte die Beklagte ab. Der Kläger war der Ansicht, das sog. Institut der freien Presse diene dazu, eine Meinungsbildung durch den Staat von oben nach unten zu verhindern. Es solle die private Presse zudem vor einem Leserverlust durch staatliche Publikationen schützen, die ein Zeitungsangebot zu ersetzen vermögen. Mit einem weiteren Antrag wollte der Kläger die Feststellung einer Schadensersatzpflicht des Bundes erreichen.
Das LG hat der Klage teilweise stattgegeben. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.
Die Gründe:
Der Rechtsweg für die Klage zu den ordentlichen Gerichten war eröffnet. Der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch konnte sich entweder aus §§ 8, 3, 3a UWG ergeben oder aber aus dem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch (analog §§ 1004, 823 BGB).
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 3a UWG i.V.m. dem aus Art. 5 Abs. 1 S.2 GG folgenden Gebot der Staatsferne der Presse zu. Ein Großteil der auf dem Portal eingestellten Artikel überschreitet die Grenzen des zulässigen staatlichen Informationshandelns. Diese Artikel enthalten keinerlei Hinweise zu akuten Gefahrensituationen, sondern allgemeine Informationen wie ein Gesundheitslexikon oder Tipps und Ratschläge für ein gesundes Leben. Um seinen staatlichen Aufgaben und Fürsorgepflichten gegenüber den Bürgern gerecht zu werden, bedarf es allerdings eines solchen Portals des Bundes nicht. Zudem geht der Substitutionseffekt zu Lasten der privaten Anbieter ähnlicher Formate.
Der weitere Antrag auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht war jedoch abzuweisen. Zwar ist richtig, dass es für die festzustellende Ersatzpflicht der Beklagten genügt, dass der Einritt eines Schadens auf Seiten der Klägerin theoretisch möglich ist und nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines Schadens besteht. Allerdings ist eine nicht lediglich entfernt liegende Möglichkeit eines Schadens erforderlich, d.h. auf Grund des festgestellten Sachverhalts muss der Eintritt eines Schadens zumindest denkbar und möglich erscheinen. Daran fehlte es hier aber im Hinblick auf beide Feststellungsbegehren. Soweit der Kläger die Feststellung begehrt hatte, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm den Schaden zu ersetzen, der aus der Schaltung der sog. knowledge panels bzw. der diesbezüglichen Zusammenarbeit zwischen der Beklagten und Google erwachsen waren, erschien der Eintritt eines Schadens allenfalls abstrakt denkbar, im konkreten Fall aber nicht wahrscheinlich.
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