Negative Bewertung auf Jameda: Ärztin hat keinen Anspruch auf Löschung ihrer Basisdaten aus dem Portal
BGH v. 15.2.2022 - VI ZR 692/20
Der Sachverhalt:
Die Beklagte betreibt unter der Internetadresse www.jameda.de ein Arztsuch- und Ärztebewertungsportal. In dem Portal können Informationen über Ärzte und Träger anderer Heilberufe kostenfrei abgerufen werden. Die Beklagte stellt die Basisdaten von Ärzten wie Name, Fachrichtung, Praxisanschrift, -standorte, Kontaktdaten und ggf. weitere praxisbezogene Informationen sowie eine graue Silhouette als Profilbild mit dem Hinweis "Nur jameda-Kunden können ein Profilbild hinterlegen" ohne deren Einwilligung in das Portal ein. Nutzer können Bewertungen in Form von Noten und Freitextkommentaren abgeben.
Die Beklagte bietet Ärzten ein entgeltliches "Premium-Paket" an, mit dem sie ihr Profil mit einem Foto und zusätzlichen Informationen versehen können und bei dem die Beklagte zu einer besseren Auffindbarkeit bei Google beiträgt. Die Profile von Premiumkunden erscheinen im Portal der Beklagten zusätzlich zur Wiedergabe in einer Liste als "Anzeige", die als solche gekennzeichnet und farblich unterlegt ist.
Die Klägerin, eine Augenärztin, erfuhr Anfang 2018, dass über sie eine negative Bewertung auf der Internetseite der Beklagten eingestellt wurde. Sie wurde dort als "arrogant, unfreundlich, unprofessionell" bewertet. Die Klägerin bat um Löschung dieser Bewertung und Mitteilung des Verfassers. Das lehnte die Beklagte ab, ebenso die Löschung der Basisdaten der Klägerin. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin die Löschung ihrer Basisdaten aus dem Portal der Beklagten.
Das LG gab der Klage statt; das OLG wies sie ab. Die Anschlussberufung der Klägerin, mit der sie hilfsweise nur die Löschung der negativen Bewertung verlangt, sah das OLG als unbegründet an. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das OLG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs auf Löschung der Basisdaten nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO nicht erfüllt sind.
Der zeitliche, sachliche und räumliche Anwendungsbereich der DSGVO ist eröffnet. Der Anwendbarkeit des Art. 17 DSGVO steht Art. 38 Abs. 1 BayDSG i.V.m. Art. 85 Abs. 2 DSGVO (sog. "Medienprivileg") nicht entgegen. Der Freistaat Bayern, in dem die Beklagte ihren Sitz hat, hat in Art. 38 BayDSG von der nach Art. 85 Abs. 2 DSGVO vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, Abweichungen oder Ausnahmen von den Kapiteln II bis VII und IX der DSGVO vorzusehen. Nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayDSG stehen der betroffenen Person die Rechte nach Art. 17 DSGVO nicht zu, wenn personenbezogene Daten zu - u.a. - journalistischen Zwecken verarbeitet werden.
Das OLG ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die personenbezogenen Daten der Klägerin im Portal der Beklagten nicht zu journalistischen Zwecken i.S.v. Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayDSG verarbeitet werden, da die Beklagte auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen mit ihrem Bewertungsportal das für eine Datenverarbeitung erforderliche Maß an inhaltlicher Bearbeitung nicht erfüllt. Insbesondere genügt die technische Erfassung von bewertenden Drittbeiträgen, die automatisierte, wenn auch strukturierte, Zusammenstellung von Bewertungen Dritter und das Errechnen von Durchschnitts- und Gesamtnoten hierfür alleine nicht. Aber auch in der Missbrauchskontrolle der eingestellten Beiträge im Rahmen der von der Rechtsprechung geforderten Schutzmechanismen liegt keine für die Annahme journalistischer Tätigkeit hinreichende inhaltliche Bearbeitung der Nutzerbeiträge.
Die Voraussetzungen eines Löschungsanspruchs nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO liegen nicht vor. Keiner der dort genannten Löschungsgründe ist gegeben. Der Löschungsgrund des Art. 17 Abs. 1 Buchst. d DSGVO liegt nicht vor, weil die angegriffene Datenverarbeitung nicht unrechtmäßig ist. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 DSGVO ist die Verarbeitung personenbezogener Daten nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a bis f DSGVO genannten Bedingungen erfüllt ist. Im Streitfall hat die Klägerin weder in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten auf dem Portal der Beklagten eingewilligt (Buchst. a), noch sind die in Buchst. b bis e genannten Voraussetzungen gegeben. Rechtmäßig ist die von der Klägerin bekämpfte Verarbeitung ihrer Daten auf dem Portal der Beklagten nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DSGVO mithin nur dann, wenn die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen der Beklagten oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der Klägerin als betroffener Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen.
Die Datenverarbeitung ist danach unter drei kumulativen Voraussetzungen zulässig: erstens muss von der Beklagten oder von einem Dritten, hier also den Portalnutzern, ein berechtigtes Interesse wahrgenommen werden; zweitens muss die Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses erforderlich sein und drittens dürfen die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der Klägerin nicht überwiegen. Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der angegriffenen Datenverarbeitung erfüllt. Letztlich überwiegen hinsichtlich der angegriffenen Verhaltensweisen der Beklagten die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der Klägerin die von der Beklagten mit dem Portalbetrieb wahrgenommenen berechtigten Interessen nicht. Die insoweit erforderliche Abwägung der nach den konkreten Umständen des Einzelfalls einander gegenüberstehenden Rechte und Interessen, wie sie vom OLG durchgeführt wurde, hält der rechtlichen Nachprüfung, der sie in vollem Umfang unterliegt, im Ergebnis stand.
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Die Beklagte bietet Ärzten ein entgeltliches "Premium-Paket" an, mit dem sie ihr Profil mit einem Foto und zusätzlichen Informationen versehen können und bei dem die Beklagte zu einer besseren Auffindbarkeit bei Google beiträgt. Die Profile von Premiumkunden erscheinen im Portal der Beklagten zusätzlich zur Wiedergabe in einer Liste als "Anzeige", die als solche gekennzeichnet und farblich unterlegt ist.
Die Klägerin, eine Augenärztin, erfuhr Anfang 2018, dass über sie eine negative Bewertung auf der Internetseite der Beklagten eingestellt wurde. Sie wurde dort als "arrogant, unfreundlich, unprofessionell" bewertet. Die Klägerin bat um Löschung dieser Bewertung und Mitteilung des Verfassers. Das lehnte die Beklagte ab, ebenso die Löschung der Basisdaten der Klägerin. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin die Löschung ihrer Basisdaten aus dem Portal der Beklagten.
Das LG gab der Klage statt; das OLG wies sie ab. Die Anschlussberufung der Klägerin, mit der sie hilfsweise nur die Löschung der negativen Bewertung verlangt, sah das OLG als unbegründet an. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das OLG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs auf Löschung der Basisdaten nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO nicht erfüllt sind.
Der zeitliche, sachliche und räumliche Anwendungsbereich der DSGVO ist eröffnet. Der Anwendbarkeit des Art. 17 DSGVO steht Art. 38 Abs. 1 BayDSG i.V.m. Art. 85 Abs. 2 DSGVO (sog. "Medienprivileg") nicht entgegen. Der Freistaat Bayern, in dem die Beklagte ihren Sitz hat, hat in Art. 38 BayDSG von der nach Art. 85 Abs. 2 DSGVO vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, Abweichungen oder Ausnahmen von den Kapiteln II bis VII und IX der DSGVO vorzusehen. Nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayDSG stehen der betroffenen Person die Rechte nach Art. 17 DSGVO nicht zu, wenn personenbezogene Daten zu - u.a. - journalistischen Zwecken verarbeitet werden.
Das OLG ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die personenbezogenen Daten der Klägerin im Portal der Beklagten nicht zu journalistischen Zwecken i.S.v. Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayDSG verarbeitet werden, da die Beklagte auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen mit ihrem Bewertungsportal das für eine Datenverarbeitung erforderliche Maß an inhaltlicher Bearbeitung nicht erfüllt. Insbesondere genügt die technische Erfassung von bewertenden Drittbeiträgen, die automatisierte, wenn auch strukturierte, Zusammenstellung von Bewertungen Dritter und das Errechnen von Durchschnitts- und Gesamtnoten hierfür alleine nicht. Aber auch in der Missbrauchskontrolle der eingestellten Beiträge im Rahmen der von der Rechtsprechung geforderten Schutzmechanismen liegt keine für die Annahme journalistischer Tätigkeit hinreichende inhaltliche Bearbeitung der Nutzerbeiträge.
Die Voraussetzungen eines Löschungsanspruchs nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO liegen nicht vor. Keiner der dort genannten Löschungsgründe ist gegeben. Der Löschungsgrund des Art. 17 Abs. 1 Buchst. d DSGVO liegt nicht vor, weil die angegriffene Datenverarbeitung nicht unrechtmäßig ist. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 DSGVO ist die Verarbeitung personenbezogener Daten nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a bis f DSGVO genannten Bedingungen erfüllt ist. Im Streitfall hat die Klägerin weder in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten auf dem Portal der Beklagten eingewilligt (Buchst. a), noch sind die in Buchst. b bis e genannten Voraussetzungen gegeben. Rechtmäßig ist die von der Klägerin bekämpfte Verarbeitung ihrer Daten auf dem Portal der Beklagten nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DSGVO mithin nur dann, wenn die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen der Beklagten oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der Klägerin als betroffener Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen.
Die Datenverarbeitung ist danach unter drei kumulativen Voraussetzungen zulässig: erstens muss von der Beklagten oder von einem Dritten, hier also den Portalnutzern, ein berechtigtes Interesse wahrgenommen werden; zweitens muss die Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses erforderlich sein und drittens dürfen die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der Klägerin nicht überwiegen. Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der angegriffenen Datenverarbeitung erfüllt. Letztlich überwiegen hinsichtlich der angegriffenen Verhaltensweisen der Beklagten die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der Klägerin die von der Beklagten mit dem Portalbetrieb wahrgenommenen berechtigten Interessen nicht. Die insoweit erforderliche Abwägung der nach den konkreten Umständen des Einzelfalls einander gegenüberstehenden Rechte und Interessen, wie sie vom OLG durchgeführt wurde, hält der rechtlichen Nachprüfung, der sie in vollem Umfang unterliegt, im Ergebnis stand.
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