16.11.2017

Notarielle Niederschrift über die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft

Das zahlenmäßige Ergebnis der Abstimmung bei einer Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft ist mit der Anzahl der Ja- und Nein-Stimmen in die notarielle Niederschrift aufzunehmen. Werden stattdessen Prozentzahlen aufgenommen, führt dieser Beurkundungsfehler nicht zur Nichtigkeit, wenn sich aus den Angaben in der Niederschrift das zahlenmäßige Abstimmungsergebnis so errechnen lässt, dass danach keine Zweifel über die Ablehnung oder Annahme des Antrags und die Ordnungsmäßigkeit der Beschlussfassung verbleiben.

BGH 10.10.2017, II ZR 375/15
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital von 50.000 € verteilt auf 50.000 Aktien. Im Jahr 2004 war die M-AG die alleinige Aktionärin der Beklagten. Der Aufsichtsrat der Beklagten bestellte den Kläger (Herr R.) zum Vorstand der Beklagten. Nach dem Vortrag des Klägers veräußerte die M-AG im Oktober 2004 an eine M. Consulting AG 5.000 Aktien, die der Kläger vom Liquidator dieser Gesellschaft im Sommer 2011 erwarb. Am 2.10.2013 ermächtigte das AG die M-AG, eine Hauptversammlung einzuberufen, u.a. mit den Beschlussanträgen, den Aufsichtsrat abzuberufen und ihn neu zu wählen. Auf der Grundlage dieser gerichtlichen Ermächtigung fand am 8.10.2013 eine außerordentliche Hauptversammlung der Beklagten statt, auf der Beschlüsse zur Ab- und Neuwahl des Aufsichtsrats gefasst wurden.

Der neu gewählte Aufsichtsrat berief den Kläger am selben Tag als Vorstand aus wichtigem Grund ab und bestellte Herrn P. zum neuen Vorstand der Beklagten. Das AG lehnte die Eintragung des P als Vorstand mit Beschluss vom 23.1.2014 ab, da die Beschlüsse mangels form- und fristgerechter Einladung nichtig seien. Im Januar 2014 lud die M-AG, vertreten durch ihren Vorstand P, auf der Grundlage der gerichtlichen Ermächtigung vom 2.10.2013 erneut zu einer außerordentlichen Hauptversammlung auf den 10.3.2014 ein, u.a. mit den Beschlussanträgen, den Aufsichtsrat abzuberufen und ihn neu zu wählen. Das notarielle Protokoll der Hauptversammlung lautet u.a. wie folgt:

"TOP 1: Abberufung der Mitglieder des Aufsichtsrat

Herr R. wendet sich gegen eine Abberufung. Der Vorsitzende lässt insgesamt abstimmen. Herr P. (90 %) ist dafür, Herr R. (10 %) dagegen. Der Vorsitzende verkündet den Beschluss, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats abberufen sind. Herr R. erhebt Widerspruch.

TOP 2: Neuwahlen zum Aufsichtsrat

Der Vorsitzende lässt insgesamt abstimmen. Herr P. (90 %) stimmt zu. Herr R. (10 %) stimmt dagegen.

TOP 3:

Der Versammlungsleiter stellte fest, dass alle Beteiligten während aller Abstimmungen ununterbrochen anwesend waren, dass sämtliche Abstimmungen in der vom Versammlungsleiter bestimmten Form erfolgt sind und dass die Beschlüsse jeweils sofort von ihm festgestellt und verkündet wurden. Herr R. erklärt, dass er Einspruch gegen alle Beschlüsse einlege."

Der im Anschluss neu gewählte Aufsichtsrat berief den Kläger am selben Tag als Vorstand aus wichtigem Grund ab und bestellte P zum neuen Vorstand der Beklagten. Die notarielle Urkunde vom 10.3.2014 wurde durch den beurkundenden Notar durch Niederschrift am 4.4.2014 "gem. § 44a BeurkG in folgender Weise zur Berichtigung ergänzt": "Vor Eintritt in die Beschlussfassung erteilt der Vorsitzende nach Erörterung der Stimmrechtsverhältnisse den Hinweis, dass die Abstimmung der beiden Teilnehmer auf der Grundlage des Beschlusses des Amtsgerichts C. vom 2.10.2013 im Übrigen auf Zuruf erfolgt." Die Bestellung des neuen Vorstands P wurde in das Handelsregister eingetragen. Der Kläger erhob Anfechtungsklage gegen alle Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 10.3.2014.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das OLG hat zutreffend angenommen, dass keine zu einer Nichtigkeit der Hauptversammlungsbeschlüsse nach § 241 Nr. 2, § 130 Abs. 2 S. 1 AktG führenden Beurkundungsfehler vorliegen.

Das OLG ist zutreffend davon ausgegangen, dass das notarielle Hauptversammlungsprotokoll vom 10.3.2014 unrichtig war, da es die von § 130 Abs. 2 S. 1 AktG geforderte Angabe der Art der Abstimmung nicht enthielt. Ebenso zutreffend ist es davon ausgegangen, dass die notarielle Urkunde durch den beurkundenden Notar mit seiner Berichtigung vom 4.4.2014 um die Angabe, dass die Abstimmung auf Zuruf erfolgte, ergänzt werden konnte, und damit die gesetzlichen Anforderungen des § 130 Abs. 2 S. 1 AktG erfüllt sind.

Der Notar kann die notarielle Niederschrift über die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft berichtigen (§ 44a Abs. 2 BeurkG). Bei der Berichtigung durch eine ergänzende Niederschrift müssen der Versammlungsleiter oder die in der Hauptversammlung anwesenden Aktionäre nicht mitwirken. Ebenfalls rechtsfehlerfrei ist die Auffassung des OLG, dass der Rechtsgrund für die gewählte Abstimmungsart nicht protokollierungspflichtig ist. Die aktienrechtlichen Protokollierungspflichten des Notars sind in § 130 AktG abschließend geregelt. Dem Wortlaut des § 130 Abs. 2 S. 1 AktG lässt sich nicht entnehmen, dass auch der Rechtsgrund der Abstimmung in die Niederschrift nach § 130 Abs. 2 S. 1 AktG aufgenommen werden muss.

Im Ergebnis zutreffend ist auch die Auffassung des OLG, dass die beiden angegriffenen Beschlüsse nicht gem. § 241 Nr. 2 AktG nichtig sind, weil im Hauptversammlungsprotokoll das zahlenmäßige Ergebnis der Abstimmung jeweils nur mit 90 % zu 10 % angegeben ist. Das zahlenmäßige Ergebnis der Abstimmung ist zwar grundsätzlich mit der Anzahl der Ja- und Nein-Stimmen in die notarielle Niederschrift aufzunehmen. Der Senat hält daran auch nach Einfügung von Satz 2 und 3 in § 130 Abs. 2 AktG durch das ARUG fest. Werden statt der Anzahl der Ja- und Nein-Stimmen jedoch - wie hier - Prozentzahlen aufgenommen, führt dieser Beurkundungsfehler nicht zur Nichtigkeit, wenn sich aus den Angaben in der Niederschrift das zahlenmäßige Abstimmungsergebnis so errechnen lässt, dass danach keine Zweifel über die Ablehnung oder Annahme des Antrags und die Ordnungsmäßigkeit der Beschlussfassung verbleiben. Wo verhält es sich im vorliegenden Fall.

Es liegt auch keine zu einer Nichtigkeit der Hauptversammlungsbeschlüsse nach § 241 Nr. 1, § 121 Abs. 2 S. 3, § 122 Abs. 3 S. 1 AktG führende Einberufung durch eine dazu nicht berechtigte Person vor. Das OLG ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die M-AG auf der Grundlage der gerichtlichen Ermächtigung des AG vom 2.10.2013 die außerordentliche Hauptversammlung am 10.3.2014 einberufen durfte. Da die auf der Hauptversammlung am 8.10.2013 gefassten Beschlüsse bereits aufgrund eines formellen Einberufungsmangels nichtig waren, war die gerichtliche Ermächtigung durch die Einladung zu dieser Hauptversammlung nicht verbraucht.

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