Notwendigkeit der Zulassung der Rechtsbeschwerde bei geltend gemachter fehlender internationaler Zuständigkeit des Insolvenzgerichts
BGH v. 18.7.2024 - IX ZB 29/23Auf den Antrag des Finanzamts Ibbenbüren vom 26.10.2022, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners zu eröffnen, ordnete das AG mit Beschluss vom 14.12.2022 Sicherungsmaßnahmen an und bestellte den weiteren Beteiligten zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Mit seiner hiergegen am 28.12.2022 eingelegten sofortigen Beschwerde rügte der Schuldner die fehlende internationale Zuständigkeit des AG und behauptete, dass er bereits seit November 2021 alle seine beruflichen und privaten Belange sukzessive nach Irland verlegt habe.
Das LG wies die Beschwerde zurück. Die Rechtsbeschwerde, mit der der Schuldner die Abweisung des Insolvenzantrags erreichen will, hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Eine Rechtsbeschwerde gegen die Beschwerdeentscheidung des LG steht dem Schuldner nicht zu.
Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss findet statt, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder das Beschwerdegericht sie in dem Beschluss zugelassen hat (§ 4 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Das LG hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Entgegen der vom Schuldner vertretenen Auffassung ist die Rechtsbeschwerde auch nicht kraft Gesetzes statthaft. Art. 5 Abs. 1 EuInsVO und Art. 102c § 4 EGInsO enthalten keine gesetzliche Anordnung für die Statthaftigkeit einer Rechtsbeschwerde i.S.v. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO.
Art. 5 Abs. 1 EuInsVO bestimmt allein, dass die Überprüfung der Entscheidung zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus Gründen der internationalen Zuständigkeit vor einem Gericht statthaft ist. Alle weiteren Einzelheiten des eröffneten Rechtsschutzes regelt Art. 5 Abs. 1 EuInsVO nicht. Die Ausgestaltung des Verfahrens ist vielmehr dem nationalen Recht überantwortet; Art. 7 Abs. 1 EuInsVO ordnet insoweit die Anwendung der lex fori concursus an. Art. 5 Abs. 1 EuInsVO garantiert mithin für Schuldner und Gläubiger ein Rechtsmittel, mit dem die Eröffnungsentscheidung im Hinblick auf die internationale Zuständigkeit zur gerichtlichen Überprüfung gestellt werden kann; einen bestimmten Instanzenzug gebietet Art. 5 Abs. 1 EuInsVO indes nicht.
Art. 102c § 4 Satz 2 EGInsO erklärt die §§ 574 bis 577 ZPO für entsprechend anwendbar, wobei die Entscheidung über die Beschwerde gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 InsO erst mit Rechtskraft wirksam wird. Aus dem Wortlaut der Regelung wird in Teilen der Literatur geschlossen, dass die Rechtsbeschwerde im Fall des Art. 5 Abs. 1 EuInsVO, Art. 102c § 4 EGInsO kraft Gesetzes statthaft sei i.S.v. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Nach überwiegender Auffassung ist die Rechtsbeschwerde nur nach Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft. Die zuletzt genannte Auffassung trifft zu.
Bereits der Wortlaut des Art. 102c § 4 Satz 2 EGInsO mit dem allgemeinen Verweis auf die §§ 574 bis 577 ZPO deutet darauf hin, dass die Rechtsbeschwerde nur statthaft ist, wenn sie vom Beschwerdegericht in seinem Beschluss ausdrücklich zugelassen wird. Gestützt wird dies durch den in der Gesetzesbegründung zur Einführung des Art. 102c § 4 EGInsO zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers und eine Einordnung des in Art. 5 Abs. 1 EuInsVO vorgesehenen Beschwerderechts in das Rechtsmittelsystem des deutschen Insolvenzrechts. Auch verfassungsrechtliche Gründe zwingen nicht dazu, in dem Verfahren zur Überprüfung der internationalen Zuständigkeit des Insolvenzgerichts einen Rechtsweg zum BGH zu eröffnen. Ein Instanzenzug ist von Verfassungs wegen nicht garantiert.
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Aufsatz
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Fabian Kratzlmeier, ZIP 2023, 455
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