16.09.2024

Online-Glücksspiel ohne Erlaubnis: Euro-Einzahlung für Pokerspiele auf in Dollar geführtes Spielerkonto

Werden unter Verstoß gegen § 4 Abs. 4 GlüStV Online-Glücksspiele angeboten, so begründet bereits die Eröffnung eines Spielerkontos durch eine im Geltungsbereich des Glücksspielstaatsvertrags wohnhafte Person und nicht erst die Teilnahme an einzelnen Spielen ein nach § 134 BGB nichtiges Rechtsverhältnis. Sind auf ein nach § 134 BGB nichtiges Vertragsverhältnis über ein Spielerkonto Einzahlungen in Euro geleistet worden, welche von dem Glücksspielbetreiber dem Spielerkonto in US-Dollar gutgeschrieben worden sind, so kann der Anspruchsteller eines Rückforderungsanspruchs seiner Darlegungslast nach § 287 ZPO genügen, indem er die in US-Dollar gutgeschriebenen Beträge zum Marktkurs des Zahlungszeitpunkts in Euro umrechnet.

LG Stuttgart v. 11.9.2024 - 27 O 137/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückforderung erlittener Verluste aus Glücksspielen im Internet in Anspruch. Die Beklagte hat ihren Sitz auf Malta und betrieb in der Vergangenheit eine deutschsprachige Internetseite, auf der Casino- und Pokerspiele sowie Sportwetten angeboten wurden. Der zum damaligen Zeitpunkt noch in Stuttgart wohnhafte Kläger eröffnete am 16.8.2015 unter seiner E-Mail-Adresse bei der Beklagten ein Benutzerkonto, auf welches er zugleich erstmals Geld transferierte, um fortan die Angebote der Internetseite nutzen zu können. Bis zum 17.3.2022 leistete der Kläger insgesamt 2.573 Einzahlungen auf sein bei der Beklagten geführtes Nutzerkonto und erhielt im selben Zeitraum insgesamt 250 Auszahlungen. Das Spielerkonto des Klägers wurde parallel in Euro und US-Dollar geführt, da der Kläger sowohl an in Euro als auch an in US-Dollar ausgetragenen Spielen teilnahm. Dabei leistete der Kläger stets Zahlungen in Euro auf sein Spielerkonto, welche von der Beklagten sodann in US-Dollar umgerechnet wurden.

Die Beklagte verfügte im streitgegenständlichen Zeitraum über eine maltesische, nicht jedoch über eine deutsche Lizenz zum Betrieb von Online-Glücksspielen. Am 22.3.2023 erhielt eine Holding-Gesellschaft der Beklagten für Glücksspiele auf den Internetseiten sowie eine Erlaubnis nach dem Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) 2021.

Auf das Ersuchen des Klägers übermittelte die Beklagte dem Kläger eine Übersicht der Transaktionen auf dem Benutzerkonto des Klägers. Aus dieser Übersicht ergeben sich im Zeitraum 16.8.2015 bis 17.3.2022 Einzahlungen auf das Benutzerkonto des Klägers i.H.v. rd. 87.000 US-Dollar und sowie Auszahlungen i.H.v. rd. 28.000 US-Dollar und weiterer rd. 30.000 €. Der Kläger errechnete zunächst durch Umrechnung von US-Dollar in Euro zum Tageskurs des 14.7.2023 einen Verlust für den gesamten Zeitraum i.H.v. von rd. 23.000 €. Der Kläger forderte von der Beklagten die Zahlung dieses Betrages nebst Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten. Mit seiner Klage verlangte der Kläger zunächst die Zahlung von rd. 23.000 € nebst Zinsen sowie Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten. Der während des Rechtsstreits in die Niederlande verzogene Kläger hat nachfolgend die Klage auf Zahlung an die G. GmbH umgestellt und im Hinblick auf die Änderung des angesetzten Wechselkurses zwischen US-Dollar und Euro sowie Zinsen für die Vergangenheit die Klageforderung erhöht.

Das LG gab der Klage ganz überwiegend statt.

Die Gründe:
Die Beklagte hat durch das Angebot von Online-Glücksspielen gegen den GlüStV verstoßen.

Das streitgegenständliche Angebot der Beklagten, an welchem der Kläger teilgenommen hat, unterfällt inhaltlich dem Verbot des § 4 Abs. 4 GlüStV. Namentlich ist auch Online-Poker, an welchem der Kläger überwiegend teilgenommen hat, ein Glücksspiel. Gem. § 3 Abs. 1 GlüStV 2012 liegt ein Glücksspiel vor, wenn für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Entgegen des Vorbringens der Beklagten ist dies auch beim Online-Poker in der Variante Texas Hold"em der Fall. Zwar handelt es sich beim Poker um eine Mischung aus Glücksspiel und Geschicklichkeitsspiel. Dies steht der Qualifikation des Online-Pokerspiels als Glücksspiel aber nicht entgegen.

Aufgrund des Verstoßes des Internetangebotes der Beklagten gegen den GlüStV im streitgegenständlichen Zeitraum erfolgten die Zahlungen des Klägers an die Beklagte ohne Rechtsgrund. Der Verstoß der Beklagten gegen § 4 Abs. 4 GlüStV hat zur Folge, dass die zwischen den Parteien geschlossenen Spielverträge gem. § 134 BGB nichtig sind und der Kläger seine Einsätze ohne Rechtsgrund geleistet hat (BGH v. 22.3.2024 - I ZR 88/23). Die Nichtigkeitsfolge erfasst dabei entgegen der Auffassung der Beklagten nicht lediglich die Vertragsverhältnisse, welche durch die Teilnahme des Klägers an konkreten Glücksspielen begründet worden sind, sondern bereits das durch die Eröffnung seines Spielerkontos begründete Vertragsverhältnis. Soweit die Beklagte bestreitet, dass zwischen den Parteien durch die Eröffnung des Spielerkontos ein Vertragsverhältnis im Sinne eines Rahmenvertrages begründet worden sei, ist dem nicht zu folgen.

Werden unter Verstoß gegen § 4 Abs. 4 GlüStV Online-Glücksspiele angeboten, so begründet bereits die Eröffnung eines Spielerkontos durch eine im Geltungsbereich des Glücksspielstaatsvertrags wohnhafte Person und nicht erst die Teilnahme an einzelnen Spielen ein nach § 134 BGB nichtiges Rechtsverhältnis. Die Einzahlungen auf das Spielerkonto können dann bereicherungsrechtlich zurückgefordert werden, ohne dass darauf ankäme, ob der Spieler sich bei jedem einzelnen Spiel im Geltungsbereich des Glücksspielstaatsvertrags aufgehalten hat.

Der Höhe nach steht fest, dass die vom Kläger geleisteten Einzahlungen auf sein Spielerkonto die erhaltenen Auszahlungen um rd. 27.000 € übersteigen. Die Berechnung der Zahlungsvorgänge in Euro durch Rückrechnung aus den US-Dollar-Beträgen zum jeweiligen Tageskurs ist nicht zu beanstanden. Sind auf ein nach § 134 BGB nichtiges Vertragsverhältnis über ein Spielerkonto Einzahlungen in Euro geleistet worden, welche von dem Glücksspielbetreiber dem Spielerkonto in US-Dollar gutgeschrieben worden sind, so kann der Anspruchsteller eines Rückforderungsanspruchs seiner Darlegungslast nach § 287 ZPO genügen, indem er die in US-Dollar gutgeschriebenen Beträge zum Marktkurs des Zahlungszeitpunkts in Euro umrechnet. Es bedarf nicht der Darlegung, welchen Wechselkurs der Glücksspielbetreiber für jede einzelne Währungsumrechnung verwendet hat.

Mehr zum Thema:

Kurzbeitrag (zu der in den Gründen zitierten BGH-Entscheidung)
BGH: Rückerstattung von Sportwetteinsätzen bei fehlender Zulassung
Brian Scheuch, ITRB 2024, 113
ITRB0066590

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