Online- Werbung für Brillengläser mit "Premium-Gleitsichtgläser in Optiker-Qualität" ist irreführend
BGH 3.11.2016, I ZR 227/14Die Beklagte bewirbt und vertreibt über das Internet Brillen, und Kontaktlinsen. Der Online-Handel umfasst auch Gleitsichtbrillen. Auf der Homepage der Beklagten kann sich ein potentieller Kunde eine Brillenfassung aussuchen und seine Sehwerte mitteilen, soweit sie sich aus seinem Brillenpass ergeben, den u.a. Augenoptiker im stationären Handel beim Kauf einer Brille aushändigen. Ende November 2012 wurde im Internet eine Presseinformation veröffentlicht, die auszugsweise folgendes wiedergab:
"Hochwertige Gleitsichtbrillen" und "individuelle Gleitsichtbrillen, bestehend aus einer modischen Kunststofffassung und Premium- Gleitsichtgläsern in Optiker-Qualität".
Der Kläger ist der Bundesinnungsverband der Deutschen Augenoptiker. Er sah in der Presseinformation eine irreführende Werbung, weil die Brillen allein auf der Grundlage der Daten des Brillenpasses einschließlich der Pupillendistanz und damit auf einer unzureichenden Datenbasis hergestellt werden. Da das Tragen solcher Brillen zudem zu einer konkreten Gesundheitsgefährdung und zu einer Gefährdung bei der Teilnahme am Straßenverkehr führe, habe die Beklagte das Inverkehrbringen, Anbieten und Bewerben dieser Brillen zu unterlassen. Zumindest aber dürfe sie ihre Gleitsichtbrillen nicht ohne Warnhinweis darauf anbieten, dass deren Benutzung eine Gefahr im Straßenverkehr darstellen könne.
Das LG wies die Klage ab. Die Berufung blieb weitestgehend erfolglos. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil insoweit auf, als hinsichtlich des Unterlassungsantrags mit der Aussage "individuelle Gleitsichtbrillen, bestehend aus einer modischen Kunststofffassung und Premium-Gleitsichtgläsern in Optiker-Qualität" zum Nachteil des Klägers erkannt worden war und wies die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Gründe:
Die streitigen Aussagen in der Pressemitteilung stellten eine i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1a, § 3 S. 1 u. 2 Nr. 3a HWG irreführende Werbung für Medizinprodukte dar, die nach §§ 8, 3, 3a UWG (§ 4 Nr. 11 UWG a.F.) zu unterlassen ist.
Insbesondere ist die Werbung mit der Angabe "Premium-Gleitsichtgläser in Optiker-Qualität" für eine Brille, vor deren Tragen im Straßenverkehr gewarnt werden muss, irreführend i.S.v. § 3 S. 1 u. 2 Nr. 3a HWG. Der Verbraucher verbindet mit der Aussage "Optiker-Qualität" die Vorstellung von einer ordnungsgemäßen Leistung eines im stationären Handel tätigen Optikers. Er wird dementsprechend annehmen, dass in eine von ihm bei der Beklagten zu beziehende "individuelle Gleitsichtbrille" dieselben Optikerleistungen einfließen, die bei einem stationär tätigen Optiker erbracht werden. Der Verbraucher wird deshalb nicht - wie vom Berufungsgericht unterstellt - zwischen Optikerleistungen, die aufgrund der Daten aus dem Brillenpass einschließlich des Pupillendistanzwertes erbracht werden können, und solchen Leistungen unterscheiden, die allein der Optiker vor Ort aufgrund weiterer Untersuchungen des Kunden erbringen kann.
Das Berufungsgericht hatte die Bezeichnung der beworbenen Gleitsichtbrillen als "hochwertig" mit der Begründung als nichtssagend angesehen, diese Bezeichnung stelle eine Werbeaussage ohne Informationsgehalt dar, bei der es sich bereits nicht um eine Angabe i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG handele. Diese Beurteilung hielt der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. An diesem Ergebnis änderte auch der strengere, im Bereich der Gesundheitswerbung geltende Maßstab nichts.
Zu Unrecht hatte das Berufungsgericht allerdings angenommen, für eine enge Auslegung des Begriffs "begründeter Verdacht" i.S.v. § 4 Abs. 1 Nr. 1 MPG spreche, dass Verstöße auch bei bloßer Fahrlässigkeit nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 u. Abs. 4 MPG strafbewehrt seien. Die Ausführungen ließen nicht erkennen, ob es berücksichtigt hatte, dass die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Schädigung bei § 4 Abs. 1 Nr. 1 MPG umso geringer anzusetzen sind, je schwerwiegender sich die eintretende Gefahr auswirken kann. Für entsprechende Erwägungen bestand jedoch Anlass, da der Kläger hier auf die schwerwiegenden schädigenden Folgen hingewiesen hatte, die bei einer Verwendung der Brillen der Beklagten im Straßenverkehr bei einem Unfall sowohl für den Brillenträger selbst als auch für die Allgemeinheit eintreten können.
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