Ordentliche Kündigung eines Zinssatz-Swap-Vertrags mit fester Laufzeit?
BGH v. 14.3.2023 - XI ZR 420/21
Der Sachverhalt:
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass der Beklagten im Fall der Kündigung eines Darlehensvertrags und der Beendigung eines Zinssatz-Swap-Vertrags keine Ansprüche aus dem Swap-Vertrag auf Zahlung eines negativen Marktwerts zustehen. Darüber hinaus nimmt er die Beklagte auf Rückzahlung von rd. 109.000 € in Anspruch, die er auf den Swap-Vertrag gezahlt hat.
Der Kläger ist ein gemeinnütziger Verband der Freien Wohlfahrtspflege, der im Bereich der sozialen Arbeit und des Gesundheitswesens tätig ist. Er schloss am 23.5.2007 zur Finanzierung des Baus eines Pflegeheims mit der VR-Bank W. einen Darlehensvertrag i.H.v. 4 Mio. € mit einer variablen Verzinsung und einem anfänglichen Zinssatz von 4,667% p.a. ab. Als variabler Zinssatz wurde der 3-Monats-EURIBOR zzgl. einer anfänglichen Zinsmarge von 0,6% p.a. vereinbart. Die Höhe der Zinsmarge hängt vereinbarungsgemäß von der Entwicklung verschiedener Bilanzkennzahlen des Klägers ab. Vereinbart sind Zinsanpassungen zum Ende eines jeden Quartals. Das Darlehen ist ab dem 30.6.2009 in Raten i.H.v. 50.100 € zum Ende eines jeden Kalendervierteljahres zu tilgen. Die Zinsen sind ebenfalls zum Ende eines jeden Kalendervierteljahres fällig und aus dem jeweiligen Darlehenssaldo zu berechnen.
Der Kläger schloss darüber hinaus am 25.5.2007 mit der Beklagten einen Zinssatz-Swap-Vertrag mit einer Laufzeit vom 1.10.2007 bis zum 1.4.2029 ab. In diesem ist eine Verpflichtung des Klägers zur Zahlung von Zinsen i.H.v. 4,1% p.a. auf verschiedene Bezugsbeträge in Euro bis zu 4 Mio. € bis zum 1.4.2014 und danach i.H.v. 3,45% p.a. auf verschiedene Bezugsbeträge in Schweizer Franken bis zu einem Betrag von rd. 5 Mio. CHF sowie eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung variabler Zinsen in Höhe des 3-Monats-EURIBOR auf verschiedene Bezugsbeträge in Euro bis zu 4 Mio. € bestimmt. Darüber hinaus ist in dem Swap-Vertrag für die Zeit ab dem 1.7.2014 bis zum Laufzeitende ein Zahlungstausch vereinbart, nach dem der Kläger zu Beginn eines jeden Quartals jeweils rd. 83.000 CHF und die Beklagte jeweils 50.100 € zu zahlen haben.
Der Swap-Vertrag sollte zur "Verbilligung" des Darlehens und zur Absicherung des mit dem Darlehensvertrag verbundenen Zinsrisikos dienen. Der Marktwert des Swap-Vertrags entwickelte sich aus Sicht des Klägers negativ. Dieser beabsichtigt, den Darlehensvertrag und den Swap-Vertrag vorzeitig zu beenden. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 9.11.2017 mit, dass sie zur vorzeitigen Beendigung des Swap-Vertrags nur gegen Zahlung eines negativen Marktwerts bereit sei, den sie mit ca. 1,65 Mio. € bezifferte. Der Kläger meint, dass er den Swap-Vertrag zusammen mit dem Darlehensvertrag auch ohne Zahlung eines negativen Marktwerts wirksam kündigen könne und dass eine Verpflichtung zur Zahlung des negativen Markwerts des Swap-Vertrags in der von der Beklagten verlangten Höhe das ihm als Darlehensnehmer nach zehn Jahren zustehende Kündigungsrecht faktisch ausschließe.
LG und OLG wiesen die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das OLG hat zu Recht angenommen, dass die begehrte Feststellung nicht zu treffen ist, weil dem Kläger bzgl. des Swap-Vertrags kein ordentliches Kündigungsrecht zusteht und weil das dem Kläger hinsichtlich des Darlehensvertrags zustehende Kündigungsrecht nicht i.S.d. § 489 Abs. 4 Satz 1 BGB erschwert ist. Einen Anspruch des Klägers auf Rückzahlung von rd. 109.000 € hat das OLG ebenfalls zu Recht verneint.
Nach der herrschenden Ansicht in der Instanzrechtsprechung und Literatur ist ein im Zusammenhang mit einem Darlehensvertrag geschlossener Zinssatz-Swap-Vertrag mit fester Laufzeit nicht ordentlich kündbar. Demgegenüber gehen verschiedene Stimmen in der Literatur davon aus, dass der Darlehensnehmer einen Zinssatz-Swap-Vertrag während der vereinbarten Laufzeit unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne Zahlung eines negativen Marktwerts in entsprechender Anwendung von § 489 Abs. 1 Nr. 2 oder Abs. 2 BGB ordentlich kündigen kann. Die herrschende Meinung ist zutreffend. Dem Kläger steht hinsichtlich des Swap-Vertrags kein ordentliches Kündigungsrecht zu. Die Kündigungsregelungen des § 489 BGB sind auf den Zinssatz-Swap-Vertrag nicht unmittelbar anwendbar; der Kläger ist auch nicht berechtigt, den Swap-Vertrag in entsprechender Anwendung von § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ordentlich zu kündigen. Das OLG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf den Swap-Vertrag nicht vorliegen.
Ohne Erfolg macht die Revision weiter geltend, das ordentliche Kündigungsrecht des Klägers aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 BGB betreffend den Darlehensvertrag werde i.S.d. § 489 Abs. 4 Satz 1 BGB erschwert, weil die Beklagte für die vorzeitige Auflösung des Swap-Vertrags einen Ablösebetrag i.H.v. rd. 1,65 Mio. € verlangt. Die im Fall einer vorzeitigen Beendigung des Swap-Vertrags aufgrund einer Aufhebungsvereinbarung möglicherweise entstehende Verpflichtung des Klägers zur Zahlung eines Ablösebetrags ist keine Rechtsfolge, die an die ordentliche Kündigung des Darlehensvertrags nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB, sondern an die Entscheidung des Klägers anknüpft, den Swap-Vertrag vorzeitig zu beenden. Der Kläger kann den Darlehensvertrag nach der genannten Vorschrift auch ohne den Abschluss einer den Swap-Vertrag betreffenden Aufhebungsvereinbarung kündigen und so die Zahlung eines Ablösebetrags vermeiden. Er hat in diesem Fall zwar die Zahlungsverpflichtungen aus dem Swap-Vertrag weiterhin zu erfüllen. Diese Verpflichtungen beruhen aber auf der vom Kläger bei Abschluss des Darlehensvertrags getroffenen Entscheidung, mit dem variabel verzinslichen Darlehen und dem Zinssatz-Swap zwei separate Verträge abzuschließen.
Dass die zwischenzeitliche Entwicklung der Marktzinsen und des Wechselkurses (CHF/EUR) aus Sicht des Klägers zu einem negativen Marktwert des Swap-Vertrags und damit zu einem Ablöseverlangen der Beklagten geführt hat, das die Kündigung des Darlehensvertrags derzeit wirtschaflich uninteressant macht, stellt keine Erschwerung des Kündigungsrechts i.S.d. § 489 Abs. 4 Satz 1 BGB dar. Das Ablöseverlangen der Beklagten beruht nicht auf einer Vertragsklausel, sondern allein auf einer aus heutiger Sicht des Klägers ungünstigen Entwicklung der im Swap-Vertrag für die wechselseitigen Zahlungen festgelegten Bezugsgrößen.
Mehr zum Thema:
Rechtsprechung:
Keine ordentliche Kündbarkeit eines im Zusammenhang mit einem Darlehensvertrag geschlossenen Zinssatz-Swap-Vertrags mit fester Laufzeit
BGH vom 14.03.2023 - XI ZR 420/21
ZIP 2023, 789
ZIP0054078
Kurzbeitrag:
BGH: Keine ordentliche Kündbarkeit eines zusammen mit einem Darlehensvertrag geschlossenen Zinssatz-Swap-Vertrags
ZIP 2023, R4
ZIP0054048
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Der Kläger begehrt die Feststellung, dass der Beklagten im Fall der Kündigung eines Darlehensvertrags und der Beendigung eines Zinssatz-Swap-Vertrags keine Ansprüche aus dem Swap-Vertrag auf Zahlung eines negativen Marktwerts zustehen. Darüber hinaus nimmt er die Beklagte auf Rückzahlung von rd. 109.000 € in Anspruch, die er auf den Swap-Vertrag gezahlt hat.
Der Kläger ist ein gemeinnütziger Verband der Freien Wohlfahrtspflege, der im Bereich der sozialen Arbeit und des Gesundheitswesens tätig ist. Er schloss am 23.5.2007 zur Finanzierung des Baus eines Pflegeheims mit der VR-Bank W. einen Darlehensvertrag i.H.v. 4 Mio. € mit einer variablen Verzinsung und einem anfänglichen Zinssatz von 4,667% p.a. ab. Als variabler Zinssatz wurde der 3-Monats-EURIBOR zzgl. einer anfänglichen Zinsmarge von 0,6% p.a. vereinbart. Die Höhe der Zinsmarge hängt vereinbarungsgemäß von der Entwicklung verschiedener Bilanzkennzahlen des Klägers ab. Vereinbart sind Zinsanpassungen zum Ende eines jeden Quartals. Das Darlehen ist ab dem 30.6.2009 in Raten i.H.v. 50.100 € zum Ende eines jeden Kalendervierteljahres zu tilgen. Die Zinsen sind ebenfalls zum Ende eines jeden Kalendervierteljahres fällig und aus dem jeweiligen Darlehenssaldo zu berechnen.
Der Kläger schloss darüber hinaus am 25.5.2007 mit der Beklagten einen Zinssatz-Swap-Vertrag mit einer Laufzeit vom 1.10.2007 bis zum 1.4.2029 ab. In diesem ist eine Verpflichtung des Klägers zur Zahlung von Zinsen i.H.v. 4,1% p.a. auf verschiedene Bezugsbeträge in Euro bis zu 4 Mio. € bis zum 1.4.2014 und danach i.H.v. 3,45% p.a. auf verschiedene Bezugsbeträge in Schweizer Franken bis zu einem Betrag von rd. 5 Mio. CHF sowie eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung variabler Zinsen in Höhe des 3-Monats-EURIBOR auf verschiedene Bezugsbeträge in Euro bis zu 4 Mio. € bestimmt. Darüber hinaus ist in dem Swap-Vertrag für die Zeit ab dem 1.7.2014 bis zum Laufzeitende ein Zahlungstausch vereinbart, nach dem der Kläger zu Beginn eines jeden Quartals jeweils rd. 83.000 CHF und die Beklagte jeweils 50.100 € zu zahlen haben.
Der Swap-Vertrag sollte zur "Verbilligung" des Darlehens und zur Absicherung des mit dem Darlehensvertrag verbundenen Zinsrisikos dienen. Der Marktwert des Swap-Vertrags entwickelte sich aus Sicht des Klägers negativ. Dieser beabsichtigt, den Darlehensvertrag und den Swap-Vertrag vorzeitig zu beenden. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 9.11.2017 mit, dass sie zur vorzeitigen Beendigung des Swap-Vertrags nur gegen Zahlung eines negativen Marktwerts bereit sei, den sie mit ca. 1,65 Mio. € bezifferte. Der Kläger meint, dass er den Swap-Vertrag zusammen mit dem Darlehensvertrag auch ohne Zahlung eines negativen Marktwerts wirksam kündigen könne und dass eine Verpflichtung zur Zahlung des negativen Markwerts des Swap-Vertrags in der von der Beklagten verlangten Höhe das ihm als Darlehensnehmer nach zehn Jahren zustehende Kündigungsrecht faktisch ausschließe.
LG und OLG wiesen die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das OLG hat zu Recht angenommen, dass die begehrte Feststellung nicht zu treffen ist, weil dem Kläger bzgl. des Swap-Vertrags kein ordentliches Kündigungsrecht zusteht und weil das dem Kläger hinsichtlich des Darlehensvertrags zustehende Kündigungsrecht nicht i.S.d. § 489 Abs. 4 Satz 1 BGB erschwert ist. Einen Anspruch des Klägers auf Rückzahlung von rd. 109.000 € hat das OLG ebenfalls zu Recht verneint.
Nach der herrschenden Ansicht in der Instanzrechtsprechung und Literatur ist ein im Zusammenhang mit einem Darlehensvertrag geschlossener Zinssatz-Swap-Vertrag mit fester Laufzeit nicht ordentlich kündbar. Demgegenüber gehen verschiedene Stimmen in der Literatur davon aus, dass der Darlehensnehmer einen Zinssatz-Swap-Vertrag während der vereinbarten Laufzeit unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne Zahlung eines negativen Marktwerts in entsprechender Anwendung von § 489 Abs. 1 Nr. 2 oder Abs. 2 BGB ordentlich kündigen kann. Die herrschende Meinung ist zutreffend. Dem Kläger steht hinsichtlich des Swap-Vertrags kein ordentliches Kündigungsrecht zu. Die Kündigungsregelungen des § 489 BGB sind auf den Zinssatz-Swap-Vertrag nicht unmittelbar anwendbar; der Kläger ist auch nicht berechtigt, den Swap-Vertrag in entsprechender Anwendung von § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ordentlich zu kündigen. Das OLG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf den Swap-Vertrag nicht vorliegen.
Ohne Erfolg macht die Revision weiter geltend, das ordentliche Kündigungsrecht des Klägers aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 BGB betreffend den Darlehensvertrag werde i.S.d. § 489 Abs. 4 Satz 1 BGB erschwert, weil die Beklagte für die vorzeitige Auflösung des Swap-Vertrags einen Ablösebetrag i.H.v. rd. 1,65 Mio. € verlangt. Die im Fall einer vorzeitigen Beendigung des Swap-Vertrags aufgrund einer Aufhebungsvereinbarung möglicherweise entstehende Verpflichtung des Klägers zur Zahlung eines Ablösebetrags ist keine Rechtsfolge, die an die ordentliche Kündigung des Darlehensvertrags nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB, sondern an die Entscheidung des Klägers anknüpft, den Swap-Vertrag vorzeitig zu beenden. Der Kläger kann den Darlehensvertrag nach der genannten Vorschrift auch ohne den Abschluss einer den Swap-Vertrag betreffenden Aufhebungsvereinbarung kündigen und so die Zahlung eines Ablösebetrags vermeiden. Er hat in diesem Fall zwar die Zahlungsverpflichtungen aus dem Swap-Vertrag weiterhin zu erfüllen. Diese Verpflichtungen beruhen aber auf der vom Kläger bei Abschluss des Darlehensvertrags getroffenen Entscheidung, mit dem variabel verzinslichen Darlehen und dem Zinssatz-Swap zwei separate Verträge abzuschließen.
Dass die zwischenzeitliche Entwicklung der Marktzinsen und des Wechselkurses (CHF/EUR) aus Sicht des Klägers zu einem negativen Marktwert des Swap-Vertrags und damit zu einem Ablöseverlangen der Beklagten geführt hat, das die Kündigung des Darlehensvertrags derzeit wirtschaflich uninteressant macht, stellt keine Erschwerung des Kündigungsrechts i.S.d. § 489 Abs. 4 Satz 1 BGB dar. Das Ablöseverlangen der Beklagten beruht nicht auf einer Vertragsklausel, sondern allein auf einer aus heutiger Sicht des Klägers ungünstigen Entwicklung der im Swap-Vertrag für die wechselseitigen Zahlungen festgelegten Bezugsgrößen.
Rechtsprechung:
Keine ordentliche Kündbarkeit eines im Zusammenhang mit einem Darlehensvertrag geschlossenen Zinssatz-Swap-Vertrags mit fester Laufzeit
BGH vom 14.03.2023 - XI ZR 420/21
ZIP 2023, 789
ZIP0054078
Kurzbeitrag:
BGH: Keine ordentliche Kündbarkeit eines zusammen mit einem Darlehensvertrag geschlossenen Zinssatz-Swap-Vertrags
ZIP 2023, R4
ZIP0054048
Auch nachzulesen im Aktionsmodul Gesellschaftsrecht:
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