08.11.2024

Ordentliche Kündigung von Prämiensparvertrag nach Erreichen der höchsten Prämienstufe durch Sparkasse

Bei einem Prämiensparvertrag, bei dem die Prämien auf die Sparbeiträge jährlich bis zu einem bestimmten Sparjahr steigen, ist das Recht der Sparkasse zur ordentlichen Kündigung nach § 700 Abs. 1 Satz 3, § 696 Satz 1 BGB auch dann nur bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe ausgeschlossen, wenn sich die jährliche Sparrate nach jeweils 12 Monaten um einen festen Prozentsatz erhöht.

BGH v. 22.10.2024 - XI ZR 214/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger begehrt die Feststellung des Fortbestandes eines mit der Beklagten geschlossenen Sparvertrags. Die Parteien schlossen am 20.5.2001 einen Sparvertrag mit variabler Verzinsung. Die Vereinbarung war als Zusatzvereinbarung ("S-Prämiensparen flexibel") zu einem Sparkonto ausgestaltet. In der Zusatzvereinbarung heißt es auszugsweise wie folgt:

"Dieses Sparkonto wird zu folgenden Bedingungen geführt:
Beginn der Zusatzvereinbarung: 20.5.2001
Dauer der Zusatzvereinbarung: max. 25 Jahre
1. Sparbeiträge
Der Sparer wird ab dem 30.4.2001 monatlich Sparbeiträge von 50,00 DM auf das oben genannte Sparkonto einzahlen.
2. Dynamisierung der Sparbeiträge
Die anfängliche Sparrate von 50,00 DM wird nach jeweils 12 Monaten um 5,000 %, bezogen auf die Vorjahresrate, erhöht.
3. Zinsen und Prämie
Der Zinssatz beträgt z.Z. 3,750 %. Die Zinsen werden am Ende eines Kalenderjahres gezahlt. Zusätzlich wird jährlich, erstmals am 20.5.2004, auf die im abgelaufenen Sparjahr vertragsgemäß erbrachten Sparleistungen eine verzinsliche S-Prämie gemäß nachstehender Prämienstaffel vergütet.
Das Sparjahr beginnt am 20. Mai jeden Jahres.
 
Laufzeit ab Prämie in % Laufzeit ab Prämie in % Laufzeit ab Prämie in %
3 Jahre 3,000 4 Jahre 4,000 5 Jahre 6,000
6 Jahre 8.000 7 Jahre 10,000 8 Jahre 15,000
9 Jahre 20,000 10 Jahre 25,000 11 Jahre 30,000
12 Jahre 35,000 13 Jahre 40,000 14 Jahre 45,000
15 Jahre 50,000        


4. Kündigungsfrist und Ablauf der Zusatzvereinbarung
Über das Guthaben kann der Sparer nach Kündigung und Ablauf der dreimonatigen Kündigungsfrist innerhalb eines Monats vorschußzinsfrei verfügen. Nach 25 Jahren wird das Guthaben als Spareinlage mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten zu dem dann geltenden Zinssatz weitergeführt. Das gleiche gilt bei Teilverfügungen vor Ablauf der Zusatzvereinbarung vom Zeitpunkt der Verfügung an."

Unter Hinweis auf das Negativzinsumfeld kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 24.2.2022 den Sparvertrag mit Wirkung zum 31.5.2022. Der Kläger begehrte festzustellen, dass der Sparvertrag über den 31.5.2022 hinaus bis längstens zum 20.5.2026 fortbestehe, wenn er nicht vorher vom Kläger gekündigt werde.

AG und LG gaben der Klage statt. Auf die Rechtsmittel der Beklagten hob der BGH die Entscheidungen von AG und LG auf und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Die Ausführungen des LG halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Die Kündigung ist wirksam und die Klage damit unbegründet.

Der vorliegende Sparvertrag ist als unregelmäßiger Verwahrungsvertrag (§ 700 BGB) zu qualifizieren, weil sich der Kläger gegenüber der Beklagten nicht zur Zahlung der monatlichen Sparbeiträge verpflichtet hat. Wie der Senat bereits für vergleichbare Sparverträge entschieden hat, lässt sich dem Wortlaut des Vertragsformulars keine Pflicht zur Zahlung des monatlichen Sparbeitrags entnehmen. Die Formulierung "Der Sparer wird ab dem 30.4.2001 monatlich Sparbeiträge einzahlen." enthält eine solche Verpflichtung nicht; eine solche wäre auch nicht interessengerecht. Außerdem waren für den Sparer auch Teilverfügungen über das Guthaben jederzeit zulässig. Der Beklagten stand nach Erreichen der höchsten Prämienstufe ein Recht zur ordentlichen Kündigung aus § 700 Abs. 1 Satz 3, § 696 Satz 1 BGB zu. Das Recht zur ordentlichen Kündigung aus § 700 Abs. 1 Satz 3, § 696 Satz 1 BGB war (lediglich) bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe ausgeschlossen, jedoch nicht darüber hinaus.

Der Sparvertrag ist auf der Grundlage der vereinbarten Prämienstaffel und der weiteren vertraglichen Bestimmungen, die der Senat als AGB selbst auslegen kann, dahin zu verstehen, dass dem Sparer das Recht zukommt, einseitig zu bestimmen, ob er bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe spart. Bis zu diesem Zeitpunkt ist für die Beklagte das ordentliche Kündigungsrecht nach § 700 Abs. 1 Satz 3, § 696 Satz 1 BGB bzw. Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen ausgeschlossen. Für Prämiensparverträge mit einer vertraglich vereinbarten Prämienstaffel bis zum 15. Sparjahr hat der Senat bereits entschieden, dass diesen ein konkludenter zeitlich befristeter Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts aus Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen zu entnehmen ist.  Demgegenüber kann ein Sparer trotz der unbefristeten Laufzeit des Vertrags redlicherweise nicht erwarten, dass ihm mit dem Abschluss des Sparvertrags eine zeitlich unbegrenzte Sparmöglichkeit eröffnet werden soll. Für das ordentliche Kündigungsrecht aus § 700 Abs. 1 Satz 3, § 696 Satz 1 BGB gilt dies gleichermaßen.

Diese Erwägungen treffen für die streitgegenständliche Prämienstaffel ebenfalls zu. Die auf die Jahressparleistung von der Beklagten gewährte jährliche Prämie steigt nach dem dritten bis zum Ablauf des 15. Sparjahres fortlaufend bis auf 50 % an. Den dadurch gesetzten besonderen Sparanreiz darf die Beklagte nicht enttäuschen, indem sie dem Kläger den Anspruch auf Gewährung der Sparprämien vor Erreichen der Höchststufe durch eine ordentliche Kündigung entzieht. Vorliegend haben die Parteien dagegen einen über das Ende des 15. Sparjahres hinauswirkenden Ausschluss des Kündigungsrechts nicht vereinbart. Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Angabe "Dauer der Zusatzvereinbarung: max. 25 Jahre". Hiermit ist keine Mindestvertragslaufzeit vereinbart worden. Soweit in Nr. 4 Satz 2 und 3 der Zusatzvereinbarung Regelungen bei Ablauf der Zusatzvereinbarung getroffen werden, betreffen diese nur die Rechtsfolgen im Fall einer Fortführung des Sparkontos über 25 Jahre hinaus und im Fall von Teilverfügungen vor Ablauf der Zusatzvereinbarung. Sie enthalten dagegen keine Regelung zum ordentlichen Kündigungsrecht der Beklagten.

Auch die Dynamisierung der Sparbeiträge begründet keinen besonderen Sparanreiz, der es rechtfertigen könnte, von einem konkludenten Ausschluss des Kündigungsrechts bis zum Erreichen der Maximallaufzeit des Prämiensparvertrags von 25 Jahren auszugehen. Der mit der Prämienstaffel gesetzte besondere Sparanreiz endet mit dem Erreichen der höchsten Prämienstufe und wird nicht durch die Dynamisierung der Sparbeiträge verlängert. Die mit der fortlaufenden Erhöhung der Sparbeiträge einhergehende Steigerung der daran gekoppelten Prämienhöhe steht dem Anstieg, der das Durchlaufen der Prämienstufen kennzeichnet, nicht gleich. Denn das Verhältnis der Prämien zur jeweiligen Jahressparleistung bleibt ab Erreichen der Höchststufe mit oder ohne Dynamisierung unverändert. In beiden Fällen steigt die Sparprämie bis zum 15. Sparjahr prozentual an und bleibt danach prozentual gleich.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung
Zur Rechtmäßigkeit der ordentlichen Kündigung von Prämiensparvertrag nach Erreichen der höchsten Prämienstufe durch Sparkasse
OLG vom 01.03.2024 - 8 U 1764/22
WM 2024, 1421

Rechtsprechung (Vorinstanz)
Zur Wirksamkeit der Kündigung eines Prämiensparvertrages
LG Trier vom 06.11.2023 - 1 S 74/23
WM 2024, 173

Rechtsprechung
Zur Frage, ob bei einem Prämiensparvertrag, bei dem die Prämien auf die Sparbeiträge stufenweise bis zu einem bestimmten Sparjahr steigen, das Recht der Sparkasse zu einer ordentlichen Kündigung auch nach Erreichen der höchsten Prämienstufe ausgeschlossen sein kann (Fortführung BGH, 14. Mai 2019, BGHZ 222, 74 = WM 2019, 1556)
BGH vom 14.11.2023 - XI ZR 88/23
WM 2024, 69

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