16.06.2023

Otto-Tochterfirma: Erfolgreiche Musterfeststellungsklage wegen Inkassokosten

In dem Musterfeststellungsverfahren zur Geltendmachung von Inkassokosten durch die Otto-Tochter EOS Investment GmbH hatte die Klage der Verbraucherzentrale Erfolg. In den der Klage zugrundeliegenden Fällen, in denen von Verbrauchern für die Beauftragung der EOS Deutscher Inkasso-Dienst GmbH (EOS DID) eine Inkassovergütung verlangt wurde, stellen diese Kosten keinen ersatzfähigen Verzugsschaden der EOS Investment GmbH dar. Die Verbraucher müssen deshalb die von ihnen verlangten Inkassokosten nicht zahlen und können bereits geleistete Zahlungen ggf. zurückfordern.

OLG Hamburg v. 15.6.2023 - 3 MK 1/21
Der Sachverhalt:
Das Musterfeststellungsverfahren betrifft eine Klage der Verbraucherzentrale hinsichtlich der Geltendmachung von Inkassokosten durch die beklagte Otto-Tochter EOS Investment GmbH.

Konkret geht es um 15 benannte Einzelfälle, in denen unbezahlte Forderungen gegen Verbraucher von Unternehmen der Otto Group oder von konzernfremden Unternehmen an die Beklagte übertragen und im Auftrag der Beklagten durch die EOS Deutscher Inkasso-Dienst GmbH (EOS DID) in den Jahren 2020/21 geltend gemacht wurden. Für die Tätigkeit der EOS DID als Inkassodienstleister ließ die Beklagte gegenüber den Verbrauchern jeweils die Erstattung von Inkassokosten in einer an die Vergütung für Rechtsanwälte angelehnten Höhe geltend machen.

Das OLG gab der Klage statt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Revision zum BGH wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Die Gründe:
In allen Fällen waren die Verbraucher zwar mit ihren Zahlungen in Verzug und deshalb grundsätzlich zum Ersatz von Rechtsverfolgungskosten verpflichtet. Allerdings gilt dies nur, wenn diese Kosten beim Gläubiger im konkreten Fall auch tatsächlich anfallen und damit einen echten Vermögensnachteil darstellen. Das ist hier jedoch wegen der zwischen der Beklagten als Forderungsgläubigerin und der EOS DID als Inkassodienstleisterin vereinbarten Vergütungsstruktur nicht der Fall.

Die Inkassovergütung fällt faktisch nur an, wenn sie von dem Verbraucher erfolgreich eingezogen werden kann. Gegenüber der Beklagten als Auftraggeberin des Inkassos ist die Vergütung dagegen zunächst gestundet und muss auch bei Erfolglosigkeit der Einziehung nicht von der Beklagten gezahlt werden. Der (vermeintliche) Ersatzanspruch wird an den beauftragten Inkassodienstleister abgetreten, dieser nimmt die Abtretung an Erfüllungs statt - also anstelle der mit dem Auftraggeber vereinbarten Vergütung - an, so dass der Auftraggeber die Inkassokosten faktisch nie selbst tragen muss. Unter diesen Umständen handelt es sich um Aufwendungen, die der Gläubiger tatsächlich so nicht hat, und damit um eine lediglich fiktive Schadensposition, für die er keinen Ersatz beanspruchen kann.

Hintergrund:
Über die der Klage zugrundeliegenden Einzelfälle hinaus wirkt das Urteil auch für Verbraucher, die sich in das beim Bundesamt für Justiz geführte Klageregister haben eintragen lassen, soweit deren Fälle gleich gelagert sind. Für das hiesige Musterfeststellungsverfahren hatten vor der mündlichen Verhandlung insgesamt rund 680 Verbraucher eigene Ansprüche oder Rechtsverhältnisse zur Eintragung in das Klageregister angemeldet. Die Anmeldungen betreffen zum einen die Feststellung, dass die Kosten bestimmter Inkassovorgänge der Beklagten nicht geschuldet werden, zum anderen wurden Ansprüche auf Rückerstattung bereits gezahlter Inkassokosten angemeldet.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung:
Vorliegen der Klagebefugnis einer qualifizierten Einrichtung als Musterkläger im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz
BGH vom 30.03.2023 - VII ZR 10/22
ZIP 2023, 1101
ZIP0055064

Kurzbeitrag:
BMJ: Schnellere und einfachere Klagemöglichkeiten für Verbraucher
ZIP 2023, R6

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