27.06.2014

Patentnichtigkeitsklagen können auch in der Berufungsinstanz ohne Einwilligung des Beklagten zurückgenommen werden

Eine Berufung kann nur zurückgenommen werden, solange das Berufungsverfahren noch nicht beendet ist. Eine Patentnichtigkeitsklage kann auch in der Berufungsinstanz ohne Einwilligung des Beklagten zurückgenommen werden. Eine Klagerücknahme durch die Hauptpartei bedarf auch dann nicht der Zustimmung eines auf Seiten des Klägers am Rechtsstreit beteiligten Streithelfers, wenn dieser gem. § 69 ZPO als Streitgenosse anzusehen ist.

BGH 13.5.2014, X ZR 25/13
Der Sachverhalt:
Die Klägerin und ihre Streithelferin begehrten die teilweise Nichtigerklärung eines deutschen Patents wegen fehlender Patentfähigkeit. Die Klage blieb in erster Instanz erfolglos. Die Klägerin legte Berufung ein und begründete ihr Rechtsmittel. Die Streithelferin legte eine zusätzliche Entgegenhaltung vor und machte geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei auch durch den Inhalt dieser Veröffentlichung nahegelegt.

Mit Schriftsatz vom 18.12.2013 teilte die Klägerin mit, die Parteien hätten sich vergleichsweise geeinigt, und erklärte, vor diesem Hintergrund nehme sie die Klage zurück. Mit Schriftsatz vom 24.1.2014 teilte sie mit, diese Erklärung beruhe auf einem Sekretariatsversehen. In dem Vergleich sei vorgesehen, dass sie die Berufung zurücknehme. Dies sei mit dem Schriftsatz vom 18.12.2013 gemeint gewesen, was nunmehr richtiggestellt werde. Vorsorglich erklärte die Klägerin, sie erkenne das Urteil des BPatG an. Die Beklagte beantragte, einen Beschluss gem. § 516 ZPO zu erlassen. Hilfsweise beantragt sie eine Kostenentscheidung gem. § 269 Abs. 4 ZPO.

Der BGH gab lediglich dem Hilfsantrag statt.

Die Gründe:
Der Antrag, die Klägerin gem. § 110 Abs. 8 PatG und § 516 ZPO des Rechtsmittels der Berufung für verlustig zu erklären und ihr die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen, ist unbegründet. Zwar kann dem Schriftsatz der Klägerin vom 24.1.2014 eine Rücknahme der Berufung entnommen werden. Diese ist jedoch unwirksam, weil der Rechtsstreit bereits durch die Klagerücknahme im Schriftsatz vom 18.12.2013 beendet wurde.

Dieser Schriftsatz enthält seinem Wortlaut nach eine Rücknahme der Klage. Diese Prozesshandlung ist auch dann wirksam, wenn sie auf einem Sekretariatsversehen beruht und die Klägerin in Wahrheit nicht die Klage, sondern die Berufung zurücknehmen wollte. Ein Widerruf oder eine Anfechtung der wirksam erklärten Klagerücknahme ist nicht möglich. Nach ständiger BGH-Rechtsprechung sind die für Willenserklärungen geltenden Vorschriften über Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit wegen Willensmängeln auf Prozesshandlungen weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar. Prozesshandlungen können nur ausnahmsweise widerrufen werden, wenn ein Restitutionsgrund i.S.v. § 580 ZPO vorliegt oder wenn das Gesetz den Widerruf ausdrücklich gestattet, wie z.B. § 290 ZPO für das Geständnis. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall ebenfalls nicht erfüllt.

Die Klagerücknahme bedurfte auch nicht der Zustimmung der Beklagten. § 269 Abs. 1 ZPO ist im Patentnichtigkeitsverfahren nicht anwendbar. Es entspricht ständiger BGH-Rechtsprechung, dass eine Patentnichtigkeitsklage in jeder Lage des Verfahrens ohne Einwilligung des Beklagten zurückgenommen werden kann. Als maßgeblich hierfür hat der Senat angesehen, dass das Interesse des Nichtigkeitsbeklagten an einer Sicherung vor weiteren Angriffen zurücktreten muss, weil dem Nichtigkeitskläger nicht angesonnen werden kann, gegen seinen Willen als Anwalt der öffentlichen Belange aufzutreten, und weil während der Laufzeit des Patents eine auf denselben Klagegrund gestützte Nichtigkeitsklage ohnehin jederzeit auch von anderen Personen erhoben werden kann.

Die Klagerücknahme bedurfte nicht der Zustimmung der Streithelferin. Im Patentnichtigkeitsverfahren ist ein Streithelfer des Klägers zwar entsprechend § 69 ZPO als Streitgenosse anzusehen. Auch ein Streithelfer, dem diese Stellung zukommt, kann einer Rücknahme der Klage durch die Hauptpartei aber nicht widersprechen. Er ist auch nicht befugt, den Rechtsstreit nach der Klagerücknahme alleine fortzuführen. Auf den Hilfsantrag der Beklagten war gem. § 269 Abs. 4 S. 1 ZPO über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden. Diese sind gem. § 269 Abs. 3 S. 2, § 101 Abs. 2 und § 100 Abs. 1 ZPO der Klägerin und der Streithelferin, die sich auch am Berufungsverfahren beteiligt hat, zu gleichen Teilen aufzuerlegen.

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