Patentnichtigkeitsverfahren: Wertänderungen nach Klageerhebung unerheblich für Festsetzung des Streitwerts
BGH v. 14.12.2021 - X ZR 26/20
Der Sachverhalt:
Die Klägerin beantragte die Nichtigerklärung eines Patents, wegen dessen Verletzung die Beklagte sie gerichtlich in Anspruch genommen hat. Das Patentgericht erklärte das Streitpatent teilweise für nichtig und erlegte der Beklagten 90 % der Kosten auf. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos.
Das Patentgericht setzte den Streitwert für die erste Instanz auf 13,95 Mio. € fest. Hierbei orientierte es sich an der Festsetzung des Streitwerts in dem u.a. auf Unterlassung und Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichteten Verletzungsrechtsstreit. Diesen hatte das OLG in Abänderung der erstinstanzlichen Festsetzung zuletzt auf 11,16 Mio. € festgesetzt.
Der Senat setzte den Streitwert für beide Instanzen des Nichtigkeitsverfahrens auf 21,5 Mio. € fest. Hierbei orientierte er sich am Streitwert eines zweiten Rechtsstreits, in dem die hiesige Beklagte gestützt auf das ihr günstige Urteil im ersten Prozess Zahlung von Schadensersatz i.H.v. rd. 17,2 Mio. € begehrt. Die Gegenvorstellung der Beklagten gegen die Festsetzung des Streitwerts hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Festsetzung des Streitwerts für beide Instanzen entspricht auch mit Rücksicht auf die Begründung der Gegenvorstellung der Beklagten unverändert billigem Ermessen i.S.d. § 51 Abs. 1 GKG.
Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt dem Streitwert des Betragsverfahrens indizielle Bedeutung für den Streitwert beider Instanzen des Nichtigkeitsverfahrens zu. Wie die Beklagte im Ansatz zu Recht geltend macht, ist für den Streitwert des Patentnichtigkeitsverfahrens nach der Rechtsprechung des Senats im Allgemeinen der gemeine Wert des Patents bei Erhebung der Klage bzw. der Einlegung der Berufung zzgl. des Betrags der bis dahin entstandenen Schadensersatzforderungen maßgeblich; dieser Betrag ist in der Regel um einen Zuschlag von 25 % zu erhöhen, um der Eigennutzung Rechnung zu tragen. Hieraus ergibt sich, dass Wertänderungen, die nach Erhebung der Klage bzw. Einlegung des Rechtsmittels eingetreten sind, grundsätzlich unerheblich sind. Zu berücksichtigen sind jedoch Erkenntnisquellen, die zwar erst nach dem maßgeblichen Stichtag zutage getreten sind, aber ein neues Licht auf die Wertverhältnisse an diesem Tag werfen.
Die Höhe des von der Beklagten geltend gemachten Zahlungsanspruchs ist ein Umstand, in dem sich der Wert des Streitpatents im Zeitpunkt der Erhebung der Nichtigkeitsklage widerspiegelt. Für den Wert des Streitpatents war bereits bei Erhebung der Nichtigkeitsklage von Bedeutung, dass aus dem Patent Ansprüche gegen die Klägerin geltend gemacht werden können. Der Wert dieser Ansprüche ist deshalb bereits für den erstinstanzlichen Streitwert des Nichtigkeitsverfahrens maßgeblich. Dass seine volle Höhe erst durch die Bezifferung des Schadensersatzanspruchs zutage getreten ist, hat nicht zu einer Wertänderung geführt, sondern nur eine neue Erkenntnisquelle zur Verfügung gestellt. Ob und in welchem Umfang ein Teil des von der Beklagten geltend gemachten Schadens erst nach Erhebung der Nichtigkeitsklage entstanden ist, bedarf keiner Aufklärung. Mangels besonderer Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass vor Eintritt des jeweiligen Schadens dem ebenfalls geltend gemachten Unterlassungsanspruch ein entsprechender Wert zugekommen ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist eine Reduzierung des Streitwerts auch nicht deshalb veranlasst, weil in zweiter Instanz nur noch über eine eingeschränkte Fassung des Streitpatents zu entscheiden war.
Der Umstand, dass in der Berufungsinstanz des Nichtigkeitsverfahrens nicht mehr über den gesamten erstinstanzlichen Streitgegenstand zu entscheiden ist, kann es zwar angezeigt sein lassen, für die zweite Instanz einen niedrigeren Streitwert festzusetzen. Eine solche Reduzierung ist jedoch in der Regel nicht angemessen, wenn die Unterschiede im Streitgegenstand weder für ein anhängiges oder bereits abgeschlossenes Verletzungsverfahren noch für den sonstigen Wert des Streitpatents von erkennbarer Bedeutung sind. Im Streitfall ist nicht ersichtlich, dass die von der Klägerin nicht angefochtene teilweise Abweisung der Nichtigkeitsklage relevante Auswirkungen auf die Erfolgsaussichten im Verletzungsrechtsstreit oder auf den sonstigen Wert des Streitpatents hat. Deshalb ist es angemessen, den Streitwert für beide Instanzen auf denselben Betrag festzusetzen.
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Die Klägerin beantragte die Nichtigerklärung eines Patents, wegen dessen Verletzung die Beklagte sie gerichtlich in Anspruch genommen hat. Das Patentgericht erklärte das Streitpatent teilweise für nichtig und erlegte der Beklagten 90 % der Kosten auf. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos.
Das Patentgericht setzte den Streitwert für die erste Instanz auf 13,95 Mio. € fest. Hierbei orientierte es sich an der Festsetzung des Streitwerts in dem u.a. auf Unterlassung und Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichteten Verletzungsrechtsstreit. Diesen hatte das OLG in Abänderung der erstinstanzlichen Festsetzung zuletzt auf 11,16 Mio. € festgesetzt.
Der Senat setzte den Streitwert für beide Instanzen des Nichtigkeitsverfahrens auf 21,5 Mio. € fest. Hierbei orientierte er sich am Streitwert eines zweiten Rechtsstreits, in dem die hiesige Beklagte gestützt auf das ihr günstige Urteil im ersten Prozess Zahlung von Schadensersatz i.H.v. rd. 17,2 Mio. € begehrt. Die Gegenvorstellung der Beklagten gegen die Festsetzung des Streitwerts hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
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Die Festsetzung des Streitwerts für beide Instanzen entspricht auch mit Rücksicht auf die Begründung der Gegenvorstellung der Beklagten unverändert billigem Ermessen i.S.d. § 51 Abs. 1 GKG.
Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt dem Streitwert des Betragsverfahrens indizielle Bedeutung für den Streitwert beider Instanzen des Nichtigkeitsverfahrens zu. Wie die Beklagte im Ansatz zu Recht geltend macht, ist für den Streitwert des Patentnichtigkeitsverfahrens nach der Rechtsprechung des Senats im Allgemeinen der gemeine Wert des Patents bei Erhebung der Klage bzw. der Einlegung der Berufung zzgl. des Betrags der bis dahin entstandenen Schadensersatzforderungen maßgeblich; dieser Betrag ist in der Regel um einen Zuschlag von 25 % zu erhöhen, um der Eigennutzung Rechnung zu tragen. Hieraus ergibt sich, dass Wertänderungen, die nach Erhebung der Klage bzw. Einlegung des Rechtsmittels eingetreten sind, grundsätzlich unerheblich sind. Zu berücksichtigen sind jedoch Erkenntnisquellen, die zwar erst nach dem maßgeblichen Stichtag zutage getreten sind, aber ein neues Licht auf die Wertverhältnisse an diesem Tag werfen.
Die Höhe des von der Beklagten geltend gemachten Zahlungsanspruchs ist ein Umstand, in dem sich der Wert des Streitpatents im Zeitpunkt der Erhebung der Nichtigkeitsklage widerspiegelt. Für den Wert des Streitpatents war bereits bei Erhebung der Nichtigkeitsklage von Bedeutung, dass aus dem Patent Ansprüche gegen die Klägerin geltend gemacht werden können. Der Wert dieser Ansprüche ist deshalb bereits für den erstinstanzlichen Streitwert des Nichtigkeitsverfahrens maßgeblich. Dass seine volle Höhe erst durch die Bezifferung des Schadensersatzanspruchs zutage getreten ist, hat nicht zu einer Wertänderung geführt, sondern nur eine neue Erkenntnisquelle zur Verfügung gestellt. Ob und in welchem Umfang ein Teil des von der Beklagten geltend gemachten Schadens erst nach Erhebung der Nichtigkeitsklage entstanden ist, bedarf keiner Aufklärung. Mangels besonderer Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass vor Eintritt des jeweiligen Schadens dem ebenfalls geltend gemachten Unterlassungsanspruch ein entsprechender Wert zugekommen ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist eine Reduzierung des Streitwerts auch nicht deshalb veranlasst, weil in zweiter Instanz nur noch über eine eingeschränkte Fassung des Streitpatents zu entscheiden war.
Der Umstand, dass in der Berufungsinstanz des Nichtigkeitsverfahrens nicht mehr über den gesamten erstinstanzlichen Streitgegenstand zu entscheiden ist, kann es zwar angezeigt sein lassen, für die zweite Instanz einen niedrigeren Streitwert festzusetzen. Eine solche Reduzierung ist jedoch in der Regel nicht angemessen, wenn die Unterschiede im Streitgegenstand weder für ein anhängiges oder bereits abgeschlossenes Verletzungsverfahren noch für den sonstigen Wert des Streitpatents von erkennbarer Bedeutung sind. Im Streitfall ist nicht ersichtlich, dass die von der Klägerin nicht angefochtene teilweise Abweisung der Nichtigkeitsklage relevante Auswirkungen auf die Erfolgsaussichten im Verletzungsrechtsstreit oder auf den sonstigen Wert des Streitpatents hat. Deshalb ist es angemessen, den Streitwert für beide Instanzen auf denselben Betrag festzusetzen.
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