30.10.2012

Patentrecht: Schematische Darstellungen offenbaren keine exakten Abmessungen

Es entspricht der einhelligen Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass schematische Darstellungen, wie sie üblicherweise in Patentschriften zu finden sind, regelmäßig nur das Prinzip der beanspruchten Vorrichtung offenbaren, nicht aber exakte Abmessungen. Infolgedessen ist ein Gericht grundsätzlich nicht verpflichtet, einen Beteiligten zur Wahrung des rechtlichen Gehörs ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass es eine in einer Patentschrift wiedergegebene Zeichnung nur als schematische Darstellung und nicht als maßstabsgerechte Konstruktionszeichnung ansieht.

BGH 16.10.2012, X ZB 10/11
Der Sachverhalt:
Die Rechtsbeschwerdeführerin war Inhaberin eines deutschen Patents, das eine Steckverbindung betraf und im August 2005 angemeldet worden war. Patentanspruch 1, auf den sechs weitere Ansprüche zurückbezogen sind, lautete:

"Steckverbindung mit wenigstens drei vielpoligen Kontaktreihen, vorzugsweise aus Messer- und Federleisten bestehende Steckverbindungen, wobei die Messerleisten (100) mindestens ein erstes Kontaktelement (120) und die Federleisten (200) mindestens ein zweites, zum ersten Kontaktelement korrespondierendes Kontaktelement (220) aufweisen, dadurch gekennzeichnet, dass Lötanschlüsse (128, 228; 128', 228') der Kontaktelemente (120, 220; 120', 220') wenigstens einer Kontaktreihe so angeordnet sind, dass die Abstände zwischen den Lötanschlüssen (128, 228; 128', 228') der Kontaktelemente (120, 220; 120', 220') dieser wenigstens einen Kontaktreihe und den Lötanschlüssen (128, 228; 128', 228') der Kontaktelemente (120, 220; 120', 220') der restlichen Kontaktreihen größer sind als die Abstände zwischen den Lötanschlüssen (128, 228; 128', 228') der Kontaktelemente (120, 220; 120', 220') innerhalb der restlichen Kontaktreihen."

Die Rechtsbeschwerdegegnerin war der Ansicht, dass der Gegenstand des Streitpatentes nicht patentfähig sei und legte Einspruch ein. Das Patentamt widerrief daraufhin das Streitpatent. Die Beschwerde der Patentinhaberin, mit der sie das Patent in geänderten Fassungen verteidigt hatte, blieb vor dem BPatG erfolglos. Mit ihrer Rechtsbeschwerde vor dem BGH machte sie mangelndes rechtliches Gehör hinsichtlich der Zeichnungen in den Figuren 1 bis 6 der Streitpatentschrift, die das Gericht als nicht maßstabsgetreue perspektivische Darstellungen angesehen hatte, geltend. Die Rechtsbeschwerde blieb allerdings erfolglos.

Die Gründe:
Ein Gericht ist grundsätzlich nicht gehalten, einen Beteiligten zur Wahrung des rechtlichen Gehörs ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass es eine in einer Patentschrift wiedergegebene Zeichnung nur als schematische Darstellung und nicht als maßstabsgerechte Konstruktionszeichnung ansieht.

Zwar kann ein Hinweis geboten sein, wenn für die Beteiligten auch bei sorgfältiger Prozessführung nicht vorhersehbar ist, auf welche Erwägungen das Gericht seine Entscheidung stützen wird. Diese Voraussetzung kann etwa gegeben sein, wenn das Gericht den Antrag eines Beteiligten in einer Weise auslegt, die in erkennbarem Widerspruch zu dessen Bestreben liegt, wenn das Gericht seine Beurteilung auf eine Entgegenhaltung stützt, die von den Beteiligten nur beiläufig angeführt worden ist, oder wenn ein Beteiligter erkennbar einem Missverständnis oder einem Rechtsirrtum erlegen ist.

Das Patentgericht kam hier allerdings zu dem Ergebnis, das in allen verteidigten Fassungen von Patentanspruch 1 vorgesehene Merkmal, wonach für die Kontaktelemente der Messerleiste und die Kontaktelemente der Federleiste jeweils (nur) ein Kontaktelement (eines einzigen Typs) vorgesehen war, sei in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörend offenbart worden. Bei perspektivischen Darstellungen der in den Figuren 1 bis 6 wiedergegebenen Art würden Einzelheiten regelmäßig nicht maßstäblich, sondern verzerrt wiedergegeben. Der Fachmann habe daher keinen Anlass gehabt, aufgrund dieser Figuren zu mutmaßen.

Diese Beurteilung beruhte nicht auf Erwägungen, die für die Patentinhaberin unvorhersehbar gewesen waren. So entspricht es der einhelligen Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass schematische Darstellungen, wie sie üblicherweise in Patentschriften zu finden sind, regelmäßig nur das Prinzip der beanspruchten Vorrichtung offenbaren, nicht aber exakte Abmessungen. Infolgedessen konnte und durfte die Patentinhaberin nicht darauf vertrauen, dass das Patentgericht die Figuren 1 bis 6 der Streitpatentschrift als maßstabsgerechte Konstruktionszeichnungen ansehen würde. Vielmehr lag es an ihr, spätestens in der Beschwerdeinstanz vorzutragen, dass die Figuren 1 bis 6 nach ihrer Auffassung isometrische Darstellungen enthielten.

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