25.02.2019

Persönlichkeitsrecht: Vermutung der Wiederholungsgefahr trotz gegenüber Drittem abgegebener Unterlassungsverpflichtungserklärung?

Für die Frage, ob die durch eine bereits erfolgte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts begründete Vermutung der Wiederholungsgefahr durch den Verweis auf eine gegenüber einem Dritten abgegebene strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung entkräftet werden kann, kommt es entscheidend darauf an, ob die Unterlassungsverpflichtung geeignet erscheint, den Verletzer wirklich und ernsthaft von Wiederholungen der Verletzung abzuhalten. Ob dies der Fall ist, ist in umfassender Würdigung aller hierfür in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalls sorgfältig und unter Anlegung der gebotenen strengen Maßstäbe zu prüfen. Von dieser Einzelfallprüfung kann nicht unter Verweis auf den höchstpersönlichen Charakter des allgemeinen Persönlichkeitsrechts abgesehen werden.

BGH v. 4.12.2018 - VI ZR 128/18
Der Sachverhalt:

Die Klägerin, Moderatorin und Model, wendet sich gegen eine Wortberichterstattung, die die Beklagte auf der von ihr betriebenen Internetseite verbreitet hat. Unter der Überschrift "Heimliches Treffen zwischen SM (Name der Klägerin) und SK" heißt es in dem Beitrag:

"Bahnt sich da etwa eine neue Promi-Liebe an? Wie niederländische Medien berichten, soll es zu einem heimlichen Treffen zwischen SM und Nationalspieler SK gekommen sein. Die schöne Moderatorin und der Fußballer wurden zusammen an der Hamburger Alster im noblen Hotel 'Vier Jahreszeiten' gesehen. Dort sollen sie gemeinsam einen romantischen Abend mit Champagner verbracht haben."

Die Klägerin forderte die Beklagte vorgerichtlich durch ihre anwaltlichen Vertreter auf, eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung hinsichtlich dieser Textabschnitte einschließlich der Überschrift abzugeben. Dieselben anwaltlichen Vertreter forderten die Beklagte zudem für den Fußballspieler K zur Abgabe einer im Wesentlichen identischen (eine weitere Äußerung umfassenden) Erklärung auf. Die Beklagte gab die geforderte Unterlassungsverpflichtungserklärung gegenüber K ab, der sie annahm. Der Klägerin gegenüber verweigerte die Beklagte die Abgabe der Unterlassungsverpflichtungserklärung mit der Begründung, dass mit der Abgabe der Erklärung gegenüber K die Wiederholungsgefahr auch der Klägerin gegenüber entfallen sei.

LG und OLG gaben der Klage statt und verurteilten die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung der angegriffenen Äußerungen einschließlich der Überschrift. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:

Die getroffenen Feststellungen tragen nicht die Beurteilung des OLG, die Beklagte habe die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht entkräftet, so dass der Klägerin ein Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zustehe. Rechtsfehlerhaft sind die Ausführungen des OLG zum Vorliegen der Wiederholungsgefahr analog § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Es ist der Beklagten nicht von vornherein verwehrt, die Vermutung der Wiederholungsgefahr durch den Verweis auf den Unterlassungsvertrag mit K zu entkräften. In der Rechtsprechung des BGH zu wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen ist anerkannt, dass eine gegenüber einem von mehreren Verletzten abgegebene strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung zwar nicht generell geeignet ist, die Vermutung der Wiederholungsgefahr auch gegenüber anderen Verletzten zu entkräften, dass ihr aber nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls eine solche Wirkung zukommen kann.

Der I. Zivilsenat stützt diese Rechtsprechung auf die Erwägung, dass die Wiederholungsgefahr ihrer Natur nach nicht unterschiedlich im Verhältnis zu verschiedenen Verletzten beurteilt werden könne, da bei ein und derselben in Betracht kommenden Handlung die Wiederholungsgefahr nicht einem Gläubiger gegenüber als beseitigt, dem anderen gegenüber als fortbestehend angesehen werden könne. Von der nach der aufgezeigten Rechtsprechung erforderlichen Einzelfallprüfung, ob die Vermutung der Wiederholungsgefahr durch eine erfolgte Drittunterwerfung entkräftet ist, kann in Fällen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts entgegen der Auffassung des OLG nicht unter Verweis auf den höchstpersönlichen Charakter dieses Rechts abgesehen werden.

Für die Frage, ob die durch eine bereits erfolgte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts begründete Vermutung der Wiederholungsgefahr durch den Verweis auf eine gegenüber einem Dritten abgegebene strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung entkräftet werden kann, kommt es entscheidend darauf an, ob die Unterlassungsverpflichtung geeignet erscheint, den Verletzer wirklich und ernsthaft von Wiederholungen der Verletzung abzuhalten. Ob dies der Fall ist, ist in umfassender Würdigung aller hierfür in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalls sorgfältig und unter Anlegung der gebotenen strengen Maßstäbe zu prüfen. Von dieser Einzelfallprüfung kann nicht unter Verweis auf den höchstpersönlichen Charakter des allgemeinen Persönlichkeitsrechts abgesehen werden.

Grundvoraussetzung für die Entkräftung der Vermutung der Wiederholungsgefahr durch eine Unterlassungsverpflichtungserklärung gegenüber einem Dritten ist, dass diese den von dem Betroffenen geltend gemachten Unterlassungsanspruch inhaltlich voll abdeckt; bleibt sie dahinter zurück, vermag sie die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht zu entkräften. Bei rechtswidrigen Eingriffen in die Privatsphäre durch wahre Tatsachenbehauptungen kommt im Übrigen eine Anwendung der "Kerntheorie" dergestalt, dass sich ein gerichtliches Unterlassungsgebot auf Äußerungen mit anderem, geringeren Informationsgehalt und geringerer Intensität des Eingriffs erstreckte, nicht in Betracht.

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