24.01.2025

Pflichten des Versicherungsmaklers bei Umdeckung einer langjährig bestehenden Krankheitskostenversicherung

Jedenfalls dann, wenn der Versicherungsmakler bei der umdeckungsbezogenen Beratung die schriftlich gestellten Gesundheitsfragen des Neuversicherers bagatellisiert oder durch sonstige sinnverschiebende mündliche Zusätze in ihrer Bedeutung verfälscht, können auch die Mehrkosten, die durch den Rücktritt des Neuversicherers vom Versicherungsvertrag und das Erfordernis des Abschlusses einer Krankheitskostenversicherung bei einem dritten Versicherer entstehen, zum ersatzfähigen Schaden gehören.

OLG Hamm v. 20.6.2024 - 20 U 202/23
Der Sachverhalt:
Im Jahr 2018 hatte der Beklagte das Versicherungsportfolio des Klägers und seiner Familie überprüft. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger bei der G. versichert, die Ehefrau und die gemeinsamen drei Kinder waren mitversicherte Personen. Der Kläger und seine Gattin waren zuletzt versichert in den Tarifen N03, N04, N07, N05 und N06. In dem - vom Kläger unterzeichneten - Beratungsprotokoll war dokumentiert, dass der Kläger künftig eine höhere Beitragsstabilität wünsche. Dem vorausgegangen war eine schriftliche Analyse des Versicherungsportfolios, mit der der Beklagte aufgrund der "Gesamtsituation der G." bzw. der "zurückliegenden Entwicklung der Beiträge" einen Wechsel zur X. anregte.

Später nahm der Kläger den beklagten Versicherungsmakler teils aus eigenem und teils aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau auf Schadensersatz 13.578 € wegen Beratungsfehlern im Hinblick auf den Wechsel des Krankenversicherers in Anspruch. Außerdem klagte er auf Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche darüberhinausgehende Schäden zu ersetzen, die aus dem Versicherungswechsel des Klägers und seiner Ehefrau im Jahr 2019 entstanden sind.

Das LG hat der Feststellungsklage stattgeben und den Beklagten zur Zahlung von 2.553 € verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das OLG das Urteil des LG teilweise abgeändert und festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche Schäden zu ersetzen, die aus dem Versicherungswechsel der privaten Krankenversicherung des Klägers und seiner Ehefrau Anfang des Jahres 2019 entstanden sind, soweit sie nicht auf Dritte übergegangen sind oder übergehen werden. Außerdem hat es den Beklagten verurteilt, den Kläger von den außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 1.522 € freizustellen. Die Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen.

Die Gründe:
Der auf Zahlung von 13.578 € gerichtete Zahlungsantrag war unbegründet. Der Kläger hat nicht schlüssig dargetan, dass ihm und seiner Ehefrau bereits ein bezifferbarer Schaden entstanden ist. Nicht ausreichend ist es, lediglich einzelne der vorstehenden, für die Berechnung des Schadens bedeutsamen Umstände herauszugreifen, wenn sich aus ihnen nicht schlüssig ergibt, dass bereits mit Sicherheit ein Schaden in einer bestimmten Höhe entstanden ist (BGH, Urt. v. 26.7.2018 - I ZR 274/16).

Der Beklagte hatte allerdings seine ihn als Versicherungsmakler nach § 59 Abs. 3 VVG und damit als Versicherungsvermittler i.S.d. § 59 Abs. 1 VVG treffenden Beratungs- und Dokumentationspflichten nach §§ 60, 61 VVG in mehrfacher Hinsicht verletzt. Gem. § 61 Abs. 1 VVG hat der Makler den Versicherungsinteressenten nach dessen Wünschen und Bedürfnissen zu fragen (Pflicht zur Bedarfsermittlung) und sodann den für diesen Bedarf passenden Versicherungsschutz zu empfehlen (Pflicht zur Beratung). Dabei trifft ihn gem. § 60 Abs. 1 VVG die Pflicht, seine Empfehlung auf eine ausreichende Grundlage zu stützen. Die Pflichten des Versicherungsmaklers reichen dabei weit. Er hat als Vertrauter und Berater des Versicherungsnehmers individuellen, für das betreffende Risiko passenden Versicherungsschutz zu besorgen.

Mit einem bloßen Hinweis auf umfangreiche Allgemeine Versicherungsbedingungen erfüllt der Makler seine Beratungspflichten nicht, vielmehr muss er dem Kunden Deckungslücken deutlich vor Augen führen. Empfiehlt der Versicherungsmakler die Umdeckung einer langjährig bestehenden Krankheitskostenversicherung, so hat er über die Auswirkungen des Verlustes von Alterungsrückstellungen zu beraten und zuvor die Möglichkeit eines die Alterungsrückstellungen erhaltenden Tarifwechsels beim Altversicherer zu prüfen.

Auch hat er - erst recht bei Kunden im fortgeschrittenen Lebensalter - auf eine sorgfältige und gewissenhafte Beantwortung der Gesundheitsfragen des Neuversicherers hinzuwirken. Jedenfalls dann, wenn der Versicherungsmakler bei der umdeckungsbezogenen Beratung die schriftlich gestellten Gesundheitsfragen des Neuversicherers bagatellisiert oder durch sonstige sinnverschiebende mündliche Zusätze in ihrer Bedeutung verfälscht, können auch die Mehrkosten, die durch den Rücktritt des Neuversicherers vom Versicherungsvertrag und das Erfordernis des Abschlusses einer Krankheitskostenversicherung bei einem dritten Versicherer entstehen, zum ersatzfähigen Schaden gehören.

Hierüber hatte der Beklagte nicht mündlich aufgeklärt. Auch eine schriftliche Aufklärung war unterblieben. Der Kläger und die Ehefrau sind aufgrund der Beratungspflichtverletzung des Beklagten vermögensrechtlich so zu stellen, als wären sie bei der G. versichert geblieben. Es war zumindest hinreichend wahrscheinlich, dass sich spätestens mit Beendigung des Krankenversicherungsschutzes ermitteln lassen wird, dass dem Kläger und der Gattin bei Vornahme des anzustellenden Gesamtvermögensvergleichs aufgrund der Beratung ein Vermögensnachteil entstanden war. Damit war die Schadensersatzpflicht wie beantragt festzustellen.

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