20.12.2021

Rechtswidrige Wiedergabe eines Fernsehinterviews in einer Zeitschrift

Die Wiedergabe eines Teils eines in einer Fernsehtalkshow gegebenen Interviews in einer Zeitschrift stellt eine Verbreitung i.S.v. § 17 Abs. 1 UrhG dar, die bei fehlender Nutzungsrechteübertragung - soweit nicht von den Schranken der §§ 50, 51 UrhG gedeckt - rechtswidrig ist. Nicht privilegiert ist eine Berichterstattung, die das Werk oder die urheberrechtlich geschützte Leistung selbst zum Gegenstand hat.

LG Köln v. 5.5.2021 - 28 O 417/20
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Fernsehmoderator und hat in Deutschland einen hohen Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad. Er war in einer Talkshow zu Gast und gab dem dortigen Moderator ein Interview. Die Beklagte ist für den Inhalt einer Zeitschrift verantwortlich. Sie hatte in der Zeitschrift einen Ausschnitt des Interviews aus der Talkshow veröffentlicht. In einem zweiten Teil veröffentlichte die Beklagte einen weiteren Ausschnitt des Interviews.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 19.12.2019 hinsichtlich des ersten Artikels und anwaltlichem Schreiben vom 6.1.2020 hinsichtlich des zweiten Artikels mahnte der Kläger die Beklagte ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Am 14.1.2020 wurde eine einstweilige Verfügung, mit welcher der Beklagten eine Verbreitung der beiden Interviews verboten wurde.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Veröffentlichung der Interviews, die er einem völlig anderen Medium gegeben habe, seine Persönlichkeitsrechte verletzten. Hiermit werde sein Selbstbestimmungsrecht ausgehebelt, wem er wann ein Interview gebe. Zudem verletze die Veröffentlichung seine Urheberrechte. Die Beklagte ist der Auffassung, dass es sich bei den streitgegenständlichen Interviewäußerungen nicht um ein urheberrechtlich geschütztes Sprachwerk i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG handele. Die Äußerung des Klägers seien weder im Hinblick auf ihren Aufbau oder Aussagegehalt, noch in sprachlicher Hinsicht besonders originell oder individuell.

Das LG gab der Unterlassungsklage statt.

Die Gründe:
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 97 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 17 Abs. 1 UrhG zu.

Die Veröffentlichung eines Teils des Interviews mit den Antworten des Klägers in zwei Ausgaben der Zeitschrift stellte eine Verbreitung i.S.v. § 17 Abs. 1 UrhG dar. Diese war auch rechtswidrig, da der Kläger der Beklagten keine Nutzungsrechte übertragen hatte. Die Verbreitung ist nicht von der Schranke der Berichterstattung über Tagesereignisse gem. § 50 UrhG gedeckt. Danach ist die Berichterstattung über Tagesereignisse durch Funk oder durch ähnliche technische Mittel, in Zeitungen, Zeitschriften und in anderen Druckschriften oder sonstigen Datenträgern, die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen, sowie im Film die Vervielfältigung und öffentliche Wiedergabe von Werken, die im Verlauf dieser Ereignisse wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig. Unter einem Tagesereignis ist nach BGH-Rechtsprechung jedes zur Zeit des Eingriffs in das Urheberrecht aktuelle Geschehen zu verstehen, das für die Öffentlichkeit von Interesse ist, wobei ein Geschehen so lange aktuell ist, wie ein Bericht darüber von der Öffentlichkeit noch als Gegenwartsberichterstattung empfunden wird.

Bei dem Interview könnte es sich zwar um ein aktuelles Geschehen, das für die Öffentlichkeit von Interesse ist, handeln, da der deutschlandweit bekannte und beliebte Kläger entgegen seiner üblichen Praxis ein Interview gegeben hat, in dem er sich über private Themen äußert. Die Anwendung der Schutzschranke gem. § 50 UrhG dürfte jedoch deshalb ausscheiden, weil das von der Beklagten übernommene Interview keine urheberrechtlich geschützte Leistung ist, die im Verlaufe eines Tagesereignisses, über das berichtet worden ist, wahrnehmbar geworden ist. Die Bestimmung des § 50 UrhG unterscheidet nach ihrem Wortlaut zwischen dem Tagesereignis und dem im Verlauf dieses Ereignisses wahrnehmbar werdenden urheberrechtlich geschützten Werk.

Das Merkmal, dass das Werk im Verlaufe des berichteten Tagesereignisses wahrnehmbar geworden sein muss, setzt das in Art. 5 Abs. 3 Buchst, c Fall 2 der Richtlinie 2002/19/EG geregelte Erfordernis um, dass die Nutzung des urheberrechtlich geschützten Werks oder des sonstigen Schutzgegenstands in Verbindung mit der Berichterstattung über Tagesereignisse stehen muss. Nicht privilegiert ist eine Berichterstattung, die das Werk oder die urheberrechtlich geschützte Leistung selbst zum Gegenstand hat. Das Werk muss vielmehr bei einem anderen Ereignis in Erscheinung treten. Vorliegend sind das Tagesereignis und das geschützte Werk jedoch identisch.

Die streitgegenständliche Berichterstattung entspricht zudem nicht dem Gebot der Verhältnismäßigkeit. Die Veröffentlichung von einmal sechs und einmal sieben kompletten Antworten war vorliegend nicht verhältnismäßig, da der Informationszweck auch durch die Wiedergabe von ein bis zwei Äußerungen des Klägers erreicht worden wäre. Die wortgleiche Übernahme der Antworten des Klägers war weder erforderlich noch angemessen.

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